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Migranten

Interview mit BIBB-Forschern

Junge Migranten haben es am Ausbildungsmarkt weiter schwer

24.02.2015 Ι Die Übergangs- und Erfolgschancen von jungen MigrantInnen gestalten sich schwieriger als von Nicht-MigrantInnen. Über die Ergebnisse einer aktuellen Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) sprach unser Bonner WAP-Korrespondent Ulrich Degen mit den BIBB-Forschern Ursula Beicht und Dr. Günter Walden. Sie stellen fest: MigrantInnen haben im Vergleich zu Nicht-MigrantInnen schlechtere Einmündungschancen, auch bei gleichen schulischen Voraussetzungen und gleichen anderen Bedingungen. Eine bedeutende Rolle spielt das Auswahl- und Einstellungsverhalten von Betrieben.

Ihre Analysen zum Übergang in die duale Berufsausbil­dung und zum Ausbildungserfolg junger MigrantInnen bewegen sich im Kontext der Bildungsbeteiligung und Benachteiligung im Bildungs- und Beschäftigungssys­tem Deutschlands. Ganz offenbar gibt es bestimmende Faktoren für unterschiedli­che Chancen von Migranten- und Nicht-Migrantenjugendlichen beim Übergang in eine Berufsausbildung. Welche sehen Sie hier als besonders relevant an?

 

Zu unterscheiden sind vor allem personelle Faktoren, die etwas mit den Jugendlichen selbst zu tun haben und Faktoren, die sich auf das Auswahl- und Einstellungsverhalten der Betriebe beziehen. Betrachtet man zunächst das Interesse der Jugendlichen, überhaupt eine duale Berufsausbildung aufzunehmen, so zeigen sich insgesamt keine Unterschiede zwischen MigrantInnen und Nicht-MigrantInnen. Wird jedoch nach Schulabschlüssen differenziert, gibt es schon deutliche Abweichungen. So haben MigrantInnen mit Hauptschulabschluss ein deutlich geringeres Interesse an einer beruflichen Ausbildung als Nicht-MigrantInnen mit Hauptschulabschluss. Bei Personen mit Studienberechtigung ist dies umgekehrt: MigrantInnen mit Hoch- oder Fachhochschulreife neigen stärker zu einer beruflichen Ausbildung als studienberechtigte Nicht-MigrantInnen. Den Migrantenjugendlichen mit Hauptschulabschluss sollte also noch stärker als bisher der Wert einer dualen Berufsausbildung vermittelt werden. Was die personellen Faktoren anbetrifft, ist auch auf die im Durchschnitt niedrigeren Schulabschlüsse von Jugendlichen mit Migrationshintergrund hinzuweisen. Je niedriger der Schulabschluss ist, umso geringer sind auch die Chancen des Übergangs in eine berufliche Ausbildung. Allerdings stellen wir bei unseren Untersuchungen immer wieder fest, dass MigrantInnen im Vergleich zu Nicht-MigrantInnen schlechtere Einmündungschancen auch unter sonst gleichen Bedingungen haben, d.h. bei gleichen schulischen Voraussetzungen und gleichen anderen Bedingungen, wie z. B. das Such- und Bewerbungsverhalten der Jugendlichen und die Ausbildungsmarktlage in ihrer Wohnregion. Insofern dürfte auch das Auswahl- und Einstellungsverhalten von Betrieben eine Rolle spielen. Vorbehalte gegenüber Migrantenjugendlichen sind hier wahrscheinlich. 

 

 

Offenbar wirkt sich bei Jugendlichen der Migrationshintergrund nicht elemen­tar auf den späteren Ausbildungserfolg aus, vielmehr lassen sich vorhandene Un­terschiede zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund mehrheitlich auf die unterschiedlichen schulischen Voraussetzungen, die beruflichen Strukturen und die verschiedenen Rahmenbedingungen der Ausbildung zurückführen. Wenn dem so ist, dann gibt es hier keine weiteren Probleme - oder geht Ihre Analyse hier weiter und tiefer?

 

Zunächst zeigen unsere Analysen, dass sich ungünstige Bedingungen vor der Ausbildung auch in der Ausbildung auswirken. Niedrigere Schulabschlüsse oder schlechtere Schulnoten führen zu geringeren Erfolgschancen in der beruflichen Ausbildung. So beenden Jugendliche mit Migrationshintergrund die duale Berufsausbildung häufiger ohne einen Abschluss als Nicht-MigrantInnen. Insofern gibt es hier durchaus noch weiteren Handlungsbedarf. MigrantInnen sollten in der Berufsausbildung intensiver unterstützt werden, damit sie trotz ihrer schwierigeren Startbedingungen die Ausbildung erfolgreich absolvieren können. Unter gleichen Voraussetzungen bei Ausbildungsbeginn konnten wir allerdings keine Unterschiede zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund im Hinblick auf ihren Ausbildungserfolg mehr feststellen. Betriebe, die sich in der Ausbildung von Migrantenjugendlichen engagieren, machen hier insofern die positive Erfahrung, dass sich MigrantInnen im Betrieb ebenso gut bewähren wie Nicht-MigrantInnen.

 

 

Kurze Zwischenfrage: Sie beziehen sich bei Ihren Untersuchungs­ergebnisse auf die Daten der sog. BIBB-Übergangsstudie. Könnten Sie uns bitte kurz erläutern, wodurch sich die Daten dieser Übergangsstudie besonders aus­zeichnen?

 

In der BIBB-Übergangsstudie wurden umfangreiche Informationen zu den Bildungs- und Berufswegen von Jugendlichen im Alter von 18 bis 24 Jahren erhoben. Befragt wurden rund 5.500 Jugendliche, die repräsentativ für die Gesamtheit aller in Deutschland lebenden Jugendlichen in dieser Altersgruppe waren. Neben der Bildungs- und Berufsbiografie wurde insbesondere auch die soziale und regionale Herkunft der Jugendlichen detailliert erfasst. Die Befragung erfolgte mittels telefonischer Interviews über das Mobilfunknetz. Hierdurch konnten auch Jugendliche erreicht werden, die sonst bei Befragungen nur schwer erreichbar sind. Die gewonnenen Daten ermöglichen es, die Übergänge in Berufsausbildung und den Ausbildungserfolg genau zu analysieren und die Faktoren festzustellen, die die Übergangs- und Erfolgschancen begünstigen oder hemmen.

 

 

Sie haben festgestellt, dass überproportional oft gerade von jungen MigrantInnen nach Ende der allgemeinbildenden Schule höherwertige Abschlüsse erworben werden. Gibt es dafür aus Ihrer Sicht bestimmte Gründe?

 

Ja, MigrantInnen haben ihre Schullaufbahn nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule häufiger noch auf einer beruflichen Schule fortgesetzt als Nicht-MigrantInnen. Ein wesentlicher Grund hierfür dürften die geringeren Chancen für Jugendliche mit Migrationshintergrund sein, nach der allgemeinbildenden Schule direkt in eine berufliche Ausbildung einzusteigen. Ein weiterer wichtiger Grund dürfte aber auch darin liegen, dass in Migrantenfamilien oft ein ausgeprägter Aufstiegswille vorhanden ist und für die Kinder eine möglichst hohe Schulbildung angestrebt wird. Da Migrantenjugendliche die allgemeinbildende Schule weit überwiegend mit Hauptschulabschluss oder mittlerem Schulabschluss beenden, nutzen sie anschließend häufig noch die in beruflichen Schulen bestehenden Möglichkeiten zum Erwerb höherer Schulabschlüsse.

 

 

Sie stellen bei Ihrer Untersuchung fest, dass sich bei Beendigung der Schullaufbahn zwischen den SchulabgängerInnen mit und ohne Migrationshintergrund einige wichtige Unterschiede ergeben. Welche sind das hauptsächlich und woraus resultieren diese Ihres Erachtens?

 

Obwohl Migrantenjugendliche häufiger ihre Schulbildung auf einer beruflichen Schule noch verbessern, haben sie am Ende ihrer gesamten Schullaufbahn im Schnitt niedrigere Schulabschlüsse und auch schlechtere Schulnoten als Nicht-MigrantInnen. Während nur 25 % der MigrantInnen dann eine Studienberechtigung aufweisen, sind es bei den Nicht-MigrantInnen 37 %. Andererseits beträgt der Anteil von Personen mit maximal Hauptschulabschluss bei den MigrantInnen 41 % und den Nicht-MigrantInnen nur 27 %. Diese Unterschiede sind Ergebnisse unseres allgemeinbildenden Schulsystems, in welchem Migrantenkinder, die häufiger aus unteren Sozialschichten stammen, erhebliche Nachteile haben.        

 

 

Vielleicht ist das hier die richtige Stelle, um zu fragen, wie in der BIBB-Übergangsstudie der Migrationshintergrund definiert wurde?

 

Die Definition ist nicht ganz einfach, denn für das Vorliegen eines Migrationshintergrundes ist nicht nur die Staatsangehörigkeit der Jugendlichen relevant, sondern vor allem auch die erlernte Sprache und die regionale Herkunft ihrer Eltern. In der BIBB-Übergansstudie erfolgte eine indirekte Definition, was bedeutet, dass zunächst festgelegt wurde, in welchen Fällen  n i c h t   von einem Migrationshintergrund ausgegangen wurde. Hierzu wurden folgende Bedingungen formuliert: Der Jugendliche besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und hat im Kindesalter ausschließlich die deutsche Sprache erlernt und außerdem sind Vater und Mutter in Deutschland geboren. Traf eine dieser Bedingungen nicht zu, wurde ein Migrationshintergrund angenommen.

 

 

Wenn man nach einem dualen Ausbildungsplatz sucht, hängt der Erfolg von diversen Faktoren ab. Ihre Erklärungsansätze gehen davon aus, dass Jugendliche über unterschiedliche Ressourcen verfügen, die die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Einmündung in eine Berufsausbildung erhöhen oder vermindern. Welche Ressourcen wirken hier wie?

 

Neben persönlichen und sozialen Ressourcen sind auch institutionelle Ressourcen zu nennen. Persönliche Ressourcen sind die persönlichen Voraussetzungen eines Jugendlichen, also insbesondere die Schulabschlüsse und die Schulnoten, aber auch die Vorgehensweise bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Wie schon erwähnt, wirken sich höhere Schulabschlüsse und gute Schulnoten förderlich und schlechtere schulische Voraussetzungen hemmend auf die Chancen der Einmündung in eine Berufsausbildung aus. Bei den sozialen Ressourcen ist vor allem auf die soziale Herkunft hinzuweisen, also insbesondere die Bildung der Eltern und ihren beruflichen Status. Einen starken Einfluss hat hier vor allem die Bildung: Verfügen die Eltern über einen Berufs- oder Studienabschluss, so sind die Übergangschancen ihrer Kinder deutlich besser, als wenn die Eltern keinen Berufsabschluss haben. Institutionelle Ressourcen beziehen sich auf die Rahmenbedingungen, die die Zugangschancen zur beruflichen Ausbildung beeinflussen. Zu nennen sind hier vor allem die unterschiedlichen Verhältnisse auf den Ausbildungsmärkten in verschiedenen Regionen. Hier lässt sich klar erkennen, dass die Einmündungschancen der Jugendlichen umso höher sind, je besser die Marktsituation in ihrer Wohnregion ist.

 

 

Wenn junge MigrantenInnen in eine duale Berufsausbildung eingemündet sind, gibt es Unterschiede in vielen Merkmalen von den entsprechenden Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Welche Merkmale sind hier besonders hervorzuheben und woraus resultieren sie?

 

Der deutlichste Unterschied besteht hier wiederum in den schulischen Voraussetzungen: Auch die Migrantenjugendlichen, denen der Einstieg in eine duale Berufsausbildung gelungen ist, weisen im Schnitt niedrigere Schulabschlüsse auf als die Nicht-MigrantInnen. Außerdem unterscheiden sich die Übergangsverläufe: Die Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind seltener unmittelbar nach Ende ihrer Schullaufbahn in die duale Berufsausbildung eingemündet und sie haben häufiger erst noch an einer Maßnahme des Übergangsbereichs teilgenommen als die Nicht-MigrantInnen. Daher haben MigrantInnen bei Ausbildungsbeginn auch im Schnitt bereits ein höheres Alter erreicht.

 

 

Offenbar spielen hier auch die unterschiedlichen Bedingungen bei Beginn der dualen Ausbildung bei Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund eine größere Rolle. Können Sie dazu noch bitte etwas sagen?

 

Ein wichtiger Aspekt ist, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger für das Anspruchsniveau des Berufs, in den sie eingemündet sind, einen eher zu niedrigen Schulabschluss haben, was den Ausbildungserfolg erschweren dürfte. Außerdem sind sie öfter in Ausbildungsberufen mit relativ hohen Vertragslösungsquoten, die auf schwierigere oder ungünstigere Ausbildungsbedingungen hindeuten, vertreten. Von Bedeutung ist auch, dass MigrantInnen seltener als Nicht-MigrantInnen eine Ausbildung in ihrem Wunschberuf aufnehmen konnten und häufiger in einem Beruf ausgebildet werden, den sie ausdrücklich nicht als ihren Wunschberuf bezeichnen. 

 

 

Wie sieht es mit der Übernahme nach der Ausbildung für jugendliche MigrantInnen aus und wie mit dem Finden einer Arbeitsstelle im Vergleich mit Jugendlichen ohne Migrationshintergrund?

 

Von den Jugendlichen mit Migrationshintergrund werden nach erfolgreicher Ausbildung 70 % von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen, gegenüber nur 61 % bei den Nicht-MigrantInnen. Ein Grund für die häufigere Übernahme von Jugendlichen mit Migrationshintergrund könnte sein, dass sie eher von solchen Betrieben ausgebildet werden, die ihre Auszubildenden häufiger in ein Beschäftigungsverhältnis übernehmen. Die Einmündung in eine qualifizierte Erwerbstätigkeit gelingt MigrantInnen und Nicht-MigrantInnen innerhalb von zwei Jahren nach erfolgreicher Beendigung der dualen Berufsausbildung ähnlich gut, hier sind keine nennenswerten Unterschiede zu verzeichnen.

 

 

 

 


...zum Weiterlesen:      Ursula Beicht/Günter Walden: Einmündungschancen in duale Berufsausbildung und Ausbildungserfolg junger Migranten und Migrantinnen. Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudie 2011, in: BIBB-Report (Forschungs- und Ar­beitsergebnisse aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung),
BIBB REPORT, 8. Jahr-gang, Heft 5, November 2014, ISSN Internet: 1866-7279, ISSN Print: 1865-0821.


Wer sind Ursula Beicht und Dr. Günter Walden?        

 

Ursula Beicht ist seit 2003 Mitarbeiterin im Arbeitsbereich ,Berufsbildungsangebot und -nachfrage / Bildungsbeteiligung' im Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Bildungsbiografie von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Übergang Schule - Berufsausbildung.

Dr. Günter Walden ist im Bundesinstitut für Berufsbildung Leiter der Forschungsabteilung ,Sozialwissenschaftliche Grundlagen der Berufsbildung', in der Forschungs- und Beratungsaufgaben zu sozioökonomi­schen Sachverhalten im Berufsbildungs- und Beschäftigungssystem durchgeführt werden. Insbesondere werden Forschungsarbeiten zur Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt, zum Qualifikationsbedarf der Wirtschaft und der Individuen, zur Integration in das Beschäftigungssystem, zu Kos­ten und Nutzen beruflicher Bildung sowie zur Kompetenzentwicklung bearbeitet. Er studierte Volkswirt­schaftslehre an der Technischen Universität Berlin.

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