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"Wir für mehr": Jörg Hofmann zu Bildungsteilzeit

Weiterbildung im Promillebereich

19.12.2014 Ι In der kommenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie möchte die IG Metall das Recht auf eine geförderte Bildungsteilzeit durchsetzen. In einem Artikel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erklärt der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft Jörg Hofmann, wie die Arbeitgeber die betriebliche Realität der Weiterbildung mutwillig beschönigen.

Folgt man den Arbeitgeberverbänden, dann setzen sich die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie vorbildlich für die Aus- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten ein: Schon heute gäben die 7000 Unternehmen jedes Jahr mehr als 8 Milliarden Euro dafür aus. "Qualifizierung und Weiterbildung sind gelebter Alltag", sagt Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger. Bei der Gewerkschaft IG Metall kommen solche Aussagen einen Monat vor Beginn der Tarifrunde für die 3,8 Millionen Metaller gar nicht gut an: Sie wirft den Arbeitgebern vor, die Wirklichkeit der Weiterbildung mutwillig zu beschönigen, um in der Tarifrunde billiger davonzukommen.

"Von den 8 Milliarden Euro entfällt tatsächlich gerade einmal die Hälfte auf Weiterbildung", sagte IG-Metall-Vize Jörg Hofmann dieser Zeitung. Die andere Hälfte fließe dagegen in die reguläre Berufsausbildung und habe daher jedenfalls wenig mit der tarifpolitischen Auseinandersetzung über Weiterbildung im engeren Sinne zu tun. Und damit nicht genug: Nach seiner Rechnung sind selbst die verbleibenden 4 Milliarden Euro deutlich zu hoch angesetzt, um ein realistisches Bild zu zeichnen. "Die Aussagen der Arbeitgeber zum Thema Weiterbildung strotzen von einer hanebüchenen Selbstgefälligkeit", schimpft der Gewerkschafter.

Seine Begründung: Tatsächlich werde der Großteil dieser Summe eingesetzt, um Arbeitnehmer für neue Maschinen, Prozesse und Sicherheitsvorschriften zu schulen. Und daran sollten Unternehmen ja wohl ein Eigeninteresse haben, damit Maschinen und Fabriken laufen. Die Arbeitgeber täten indes so, "als sei es "ein Verdienst ihrer Weitsicht, dass es diese Art der Weiterbildung gibt", urteilt Hofmann. Betrachte man dagegen allein die Ausgaben der Metall- und Elektrobetriebe für längerfristige, also über Einweisungen hinausgehende Weiterbildung, bleibe von den 8 Milliarden Euro nur noch ein Bruchteil übrig: "Das sind dann nicht einmal mehr eine halbe Milliarde Euro." Und das ist für eine Industrie mit einer Billion Euro Umsatz wohl nicht viel. Genauer: weniger als 0,5 Promille vom Umsatz.

Die IG Metall hat sich vorgenommen, in der Tarifrunde neben einer Lohnerhöhung von 5,5 Prozent auch eine neue tarifliche Bildungsteilzeit durchzusetzen. Diese soll den Metallern eine Möglichkeit bieten, ihre Arbeitszeit ohne große Lohneinbußen vorübergehend zu verringern, um sich beispielsweise zum Industriemeister weiterzubilden. Die Arbeitgeber lehnen die Bildungsteilzeit strikt ab, während sie die von der IG Metall ebenfalls erhobene Forderung nach einer Neuauflage der tariflichen Altersteilzeit im Grundsatz durchaus akzeptieren.

Ihre Absage an die tarifliche Bildungsteilzeit begründen die Arbeitgeber vor allem mit der Sorge, dass sich die Weiterbildung nach den Vorstellungen der Gewerkschaft nicht am konkreten, vom Arbeitgeber festgestellten Bedarf orientieren werde. Falls im Betrieb etwa gerade kein zusätzlicher Industriemeister gebraucht werde, könne ein Mitarbeiter damit womöglich sogar zu Lasten des bisherigen Arbeitgebers den Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber vorbereiten. Und damit nicht genug: Da die Bildungsteilzeit aus der tariflichen Verteilungsmasse finanziert werden solle, bezahle am Ende "der Schichtarbeiter für den Ingenieur das Masterstudium". Die IG Metall wertet das als Polemik und betont, wie wichtig mehr Weiterbildung angesichts der Digitalisierung der Industrie und des demographischen Wandels sei. Und sie sieht sich in ihrer Kritik auch durch den amtlichen Berufsbildungsbericht der Bundesregierung bestätigt: Nach dessen Daten bewege sich die jährliche Zahl der Arbeitnehmer, die an einer Weiterbildung teilnehmen, derzeit gerade einmal auf dem Niveau von 1997. "Ohne tarifliche Impulse kommen wir hier nicht weiter", folgert Hofmann.

Die Bildungsteilzeit wird damit aller Voraussicht nach zum zentralen Streitpunkt der Mitte Januar beginnenden Metall-Tarifverhandlungen. Nach Vorstellung der Gewerkschaft könnte die Finanzierung von Bildungs- und Altersteilzeit über neue Demographie-Fonds laufen, die in jedem Betrieb eingerichtet und mit beispielsweise einem Prozent der Lohnsumme gefüllt würden. Ein ähnliches Modell gibt es seit 2008 in der Chemieindustrie. Wie das Fondsgeld auf die beiden Zwecke aufgeteilt wird, hätten dann Betriebsrat und Geschäftsleitung zu vereinbaren. Den Arbeitgebern missfällt aber auch das: Sie fürchten, dass Gewerkschaft und Betriebsrat damit einen neuen Hebel in die Hand bekommen, um in die Betriebe hineinzuregieren. Ihr Credo: Welcher Mitarbeiter für welche Weiterbildung Unterstützung bekomme, müssten die einzelnen Arbeitgeber allein entscheiden.


Info: Dieser Artikel ist am 13. Dezember in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienen. In der kommenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie wird die IG Metall unter dem Motto "Wir für mehr" neben einer geförderten Bildungsteilzeit eine neue Altersteilzeit sowie 5,5 Prozent mehr Entgelt für die Beschäftigten der Branche fordern. Mehr über die Forderungen und die Tarifrunde "Wir für mehr" erfahren Sie unter folgenden Links:

 

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