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BIBB_Forscherinnen

BIBB-Untersuchung zum Erfolg dualer und schulischer Ausbildung

Vorbildung und Beschäftigungschancen sind entscheidend für Ausbildungserfolg

15.12.2014 Ι Zwei Forscherinnen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) haben den Erfolg dualer und schulischer Ausbildung untersucht. Das Fazit der Analyse von Dr. Anja Hall und Prof. Elisabeth M. Krekel: Nicht das Ausbildungssystem ist entscheidend für den Berufserfolg sondern die schulische Vorbildung und die mit der Ausbildung verbundenen Beschäftigungschancen. Unser Bonner WAP-Korrespondent Ulrich Degen sprach mit den BIBB-Forscherinnen.

Bei Ihrer Analyse zum Vergleich des Erfolges dualer und schulischer Ausbildungen le­gen Sie den beruflichen Erfolg als wichtiges Kriterium für die Bewertung der beiden Ausbildungswege zugrunde. Sagen Sie uns doch bitte, wie Sie in Ihrer Studie 'beruflichen Erfolg' definiert haben.

 

Dr. Anja Hall: Sowohl duale als auch schulische Ausbildung qualifizieren für eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb stellt sich die Frage, wie gut diese Ausbildungen auf eine spätere berufliche Tätigkeit vorbereiten bzw. wie erfolgreich die auf unterschiedlichen Wegen ausgebildeten Erwerbstätigen in ihrem Beruf sind. Ebenso stellt sich die Frage, ob der Berufserfolg vergleichbar ist und welche Faktoren einen besonderen Einfluss auf diesen ausüben. Diesen Fragen sind wir in unserer Analyse nachgegangen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Berufserfolg nicht so ohne weiteres messbar ist, sondern in diesem "Konstrukt" viele, ganz unterschiedliche Faktoren zusammenwirken. Diese werden in der Literatur zu zwei Dimensionen, den objektiven und subjektiven Berufserfolgskriterien, zusammengefasst. Beide Dimensionen haben dabei eine eigenständige Bedeutung für den Berufserfolg und wurden in unserer Analyse berücksichtigt.

 

Es gibt objektive Berufserfolgskriteri­en, also mit messbaren Aspekten und es gibt subjektive Berufserfolgskriterien. Könnten Sie uns bitte beide Arten von Berufserfolgskriterien näher erläutern.

 

Dr. Anja Hall: Während dem objektiven Berufserfolg messbare Kriterien zugrunde liegen, umfasst der subjektive Berufserfolg eher persönliche Beurteilungen bzw. Einschätzungen.

Für den objektiven Berufserfolgs werden in unserer Analyse fünf Kriterien berücksichtigt: das individuelle Bruttoeinkommen; die Frage, ob ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorliegt; die Berufsposition; die Fachadäquanz, d.h. Inhalte der Ausbildung stimmen mit der beruflichen Tätigkeit überein sowie die Niveauadäquanz, d.h. die Anforderungen der Tätigkeit entsprechen dem Qualifikationsniveau der Ausbildung. Der subjektive Berufserfolg wird über vier Kriterien definiert: der Tätigkeit im Wunschberuf; der Höhe der Arbeitszufriedenheit; der Zufriedenheit mit dem Berufsverlauf sowie dem beruflichen Aufstieg als Selbsteinschätzung.

 

Worin unterscheiden sich duale Berufsausbildung und schulische Ausbildung und welche dualen und schulischen Ausbildungsberufe haben Sie in Ihrer Studie verglichen?

 

Prof. Elisabeth M. Krekel: Während die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO bundeseinheitlich geregelt ist und in rund 330 staatlich anerkannten Ausbildungsberufen stattfindet, unterliegt die schulische Ausbildung ganz unterschiedlichen Regelungen. Schulischen Ausbildungen werden von den Autoren des Nationalen Bildungsberichtes als Schulberufssystem bezeichnet. An dieser Definition haben wir uns in unserer Analyse orientiert. Das Schulberufssystem umfasst zum einen Ausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen, die bundes- und landesrechtlich geregelte Bildungsgänge an verschiedenen Lernorten zusammenfasst. Zum anderen umfasst es vollzeitschulische Ausbildungen an Berufsfachschulen, bestehend aus vollqualifizierenden Berufsabschlüssen an Berufsfachschulen nach BBiG/HwO und außerhalb BBiG/HwO. Da die unterschiedlichen Ausbildungsbereiche für unterschiedliche Beschäftigungsfelder qualifizieren, haben wir in unserer Untersuchung unterschieden zwischen dualer Ausbildung nach BBiG/HwO beispielsweise Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Industriekaufmann/-frau, schulischer Ausbildung in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen beispielsweise Krankenpfleger/-innen, Erzieher/-innen, Altenpfleger/-innen sowie sonstigen schulischen Ausbildungen an Berufsfachschulen beispielsweise Wirtschaftsassistenten.

 

Die vollqualifizierenden Bildungsgänge sind ih­rer zahlenmäßigen Bedeutung nach sehr unterschiedlich. Um welche Größenordnungen handelt es sich?

 

Prof. Elisabeth M. Krekel: Eine Betrachtung aller vollqualifizierenden Bildungsgänge ist mit der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) möglich. Demnach haben im Jahr 2013 knapp 500.000 junge Menschen eine Berufsausbildung im dualen System nach BBiG/HwO begonnen. Da sich die iABE auf die Daten der Schulstatistik der Bundesländer stützt und in diesem Fall Teilzeitberufsschüler/-innen zählt, sind die Daten nicht mit den Ergebnissen zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen vergleichbar, jedoch können Entwicklungen im gesamten Bereich vollqualifizierender Bildungsgänge dargestellt werden. Zu den Anfängern im dualen System nach BBiG/HwO kommen noch rund 167.300, die eine Ausbildung im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen aufgenommen haben und rund 45.000 Anfänger/-innen einer vollzeitschulische Ausbildung an Berufsfachschulen. Dies zeigt, dass die duale Berufsausbildung nach wie vor einen hohen Stellenwert unter den vollqualifizierenden Berufsausbildungen einnimmt.

 

Was macht Ihres Erachtens die Attrakti­vität einer vollqualifizierenden Ausbildung aus und wie entwickelt sie sich nach Ausbildungsbe­reichen?

 

Dr. Anja Hall: Insgesamt haben in den 1990er-Jahren immer mehr junge Menschen eine vollqualifizierende Berufsausbildung außerhalb des dualen Systems begonnen. Die jüngeren Entwicklungen zeigen jedoch, dass die Anfängerzahlen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen in den letzten Jahren gestiegen sind, während sie in den vollzeitschulischen Ausbildungen an Berufsfachschulen gesunken sind. Ob dies mit der Attraktivität unterschiedlicher Bildungswege zusammenhängt, können wir mit unseren Daten nicht untersuchen. Jedoch können wir unterschiedliche Einflüsse auf den Berufserfolg Erwerbstätiger mit unterschiedlichen Ausbildungswegen zeigen. Danach schneiden Frauen mit einer Ausbildung im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen bei vielen Erfolgsfaktoren besser ab, als dual ausgebildete Frauen. Allerdings setzt die Aufnahme einer schulischen Berufsausbildung häufig eine höhere Schulbildung voraus.

 

Wie sah die schulische Vorbildung in den von Ihnen zur Analyse herange­zogenen Berufen hier aus?

 

Dr. Anja Hall: Um zu kontrollieren, ob der subjektive wie objektive Berufserfolg durch den Schulabschluss der Erwerbstätigen beeinflusst wird, haben wir den jeweils höchsten erreichten Schulabschluss in unseren Analysen berücksichtigt und hierbei drei Niveaustufen unterschieden: maximal Hauptschulabschluss, mittlerer Schulabschluss und Hochschulreife. Ebenfalls wurden die erlernten Berufe der Erwerbstätigen zu drei Berufsoberfeldern zusammengefasst, zu den Produktionsberufen sowie den primären und den sekundären Dienstleistungsberufen. Unter sekundären Dienstleistungsberufen werden stärker wissensintensive Berufe in wachsenden Beschäftigungsfeldern zusammengefasst. Erwartungsgemäß ist die schulische Vorbildung von Personen, die einen sekundären Dienstleistungsberuf erlernt haben höher als in primären Dienstleistungs- bzw. Produktionsberufen. Dagegen ist die schulische Vorbildung derjenigen, die einen sekundären Dienstleistungsberuf im dualen System oder auf schulischem Weg erlernt haben durchaus vergleichbar: rund 30% verfügen über eine Hochschulreife und ca. 16% haben maximal einen Hauptschulabschluss erworben.

 

Welche Besonderheiten haben Sie bei der Betrachtung des Berufs­erfolgs im aktuellen Beruf festgestellt?

 

Prof. Elisabeth M. Krekel: Bezogen auf die aktuell ausgeübte Tätigkeit zeigt sich, unter Berücksichtigung der schulischen Vorbildung und des Berufsfeldes, dass schulisch ausgebildete Frauen in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen im Vergleich zu dual ausgebildete Frauen im Bereich sekundärer  Dienstleistungsberufe häufiger eine hohe Berufsposition einnehmen und in ihrem Wunschberuf tätig sind. Dagegen waren Frauen im Bereich der Produktionsberufe seltener unbefristet beschäftigt und seltener im Wunschberuf tätig.

 

Auch bezogen auf den Berufsverlauf sind Unterschiede festzustellen: schulisch ausgebildete Frauen im Bereich Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen sind häufiger fach- und niveauadäquat beschäftigt als dual ausgebildete Frauen in sekundären Dienstleistungsberufen. Bezogen auf die Zufriedenheit mit dem bisherigen Berufsverlauf zeigen sich keine Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen. Allerdings sind Frauen aus primären Dienstleistungs- sowie Produktionsberufen mit ihrem bisherigen Berufsverlauf signifikant unzufriedener als dual ausgebildete Frauen in sekundären Dienstleistungsberufen. Frauen, die einen dualen Produktionsberuf erlernt haben, betrachten ihren Berufsverlauf insgesamt deutlich negativer als Frauen aus dualen sekundären Dienstleistungsberufen.

 

Als Fazit Ihrer Analyse halten Sie fest, dass nicht das Ausbildungssystems, ob schu­lisch oder dual an sich, vielmehr die schulische Vorbildung und die mit der Ausbildung bzw. mit dem Ausbildungsberuf verbundenen Beschäftigungschancen am wichtigsten für den Berufserfolg sind. Was heißt das im Detail und für die künftige Fachkräfteentwicklung;  und auf welche Probleme müssen wir uns in den beiden 'Ausbildungssystemen' in Zukunft ge­fasst machen?

 

Prof. Elisabeth M. Krekel: Die demografische Entwicklung wird sich in beiden "Ausbildungssegmenten" niederschlagen und dazu führen, dass weniger junge Menschen eine Ausbildung beginnen. Aber nicht nur die demografische Entwicklung, sondern auch der Trend zur Höherqualifizierung wird dieses Problem verschärfen. Denn zum einen verringert sich die Zahl der jungen Menschen, die die allgemeinbildenden Schulen verlassen kontinuierlich, zum anderen erwerben immer mehr von ihnen eine Studienberechtigung. Das diese dann auch eingelöst wird, ist nur eine logische Konsequenz, die jedoch dazu führen wird, dass weniger junge Menschen eine Ausbildung unterhalb des Hochschulsektors beginnen und der Fachkräftebedarf auf der mittleren Qualifikationsebene steigen wird. 

 

 

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...zum Weiterlesen:  Anja Hall/ Elisabeth M. Krekel:  Erfolgreich im Beruf? Duale und schulische Ausbildungen im Vergleich, Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn, BIBB-Report 2 (Juli) 2014, ISSN: 1865-0821     (Print), ISSN: 1866-7279   (Internet).

s. auch: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/BIBB_Report_2_2014_Internet.pdf


Wer ist Anja Hall? Leitet die BiBB/BauA-Erwerbstätigenbefragung im BIBB und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich "Qualifikation, berufliche Integration und Erwerbstätigkeit".


Wer ist Elisabeth M. Krekel? Leitet den Arbeitsbereich "Berufsbildungsangebot und -nachfrage/Bildungsbeteiligung" und ist Honorarprofessorin an der Hochschule Bremen.

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