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Bellmann

Übernahme nach der Berufsausbildung

Weiterbeschäftigung nach der Ausbildung gelingt häufiger

03.12.2014 Ι Mit den Chancen und Risiken beim Übergang nach der Ausbildung haben sich Prof. Lutz Bellmann vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Dr. Sabine Mohr vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beschäftigt. Sie haben dafür Daten aus dem Betriebs- und dem Qualifizierungspanel analysiert. "Nach der Lehre nicht übernommen zu werden und keine Alternative zu haben ist relativ selten", stellte der Forscher Bellmann im Interview mit unserem Bonner WAP-Korrespondenten Ulrich Degen heraus. Positiv gewirkt haben hier sicherlich auch die Tarifverträge der IG Metall zur Übernahme, merkt WAP an.

Es ist erfreulich, dass der Anteil der vom Ausbildungsbetrieb übernommenen Ausbildungsabsolventen im Zeitverlauf seit dem Jahr 2000 von 58 auf 67 Prozent gestiegen ist. Sind 67 das 'Ende der Fahnenstange', oder geht noch mehr?

Prof. Lutz Bellmann: Zunächst kann man sagen, dass jeder vierte Absolvent den Betrieb auf eigenem Wunsch verlassen hat. Grund kann sein, dass Jugendliche zu einer anderen Firma wechseln oder ein Studium aufnehmen wollen. Nach der Lehre nicht übernommen zu werden und keine Alternative zu haben ist also relativ selten. Für die Betroffenen ist die Situation allerdings umso ernster. Wer den Betrieb nicht freiwillig verlassen will, sollte zunächst alle Hebel in Bewegung setzen, doch noch übernommen zu werden. In einigen Tarifverträgen ist vorge­sehen, dass Auszubildende nach der Lehre zumindest für 6 Monate weiterbeschäftigt wer­den müssen. Jugendliche sollten deshalb den Betriebsrat einschalten - wenn es einen gibt - und prüfen, ob entsprechende Vereinbarungen einzuhalten sind. 

 

Sie haben festgestellt, dass der Anteil der vom Ausbildungsbetrieb unbefristeten übernommenen Ausbildungsabsolventen 2011 knapp über 41 Prozent beträgt. Da bleibt doch offenbar ein Risiko für die Jugendlichen nach ihrem Abschluss und man hätte bei den derzeit erhöhten Fachkräfteengpässen m.E. viel­leicht mehr erwarten können?

In der Tat verhalten sich viele Betriebe, als ob es keinen Fachkräftemangel und auch kei­ne Fachkräfteengpässe gibt und die Betriebe weiterhin aus einem großen Bewerberpool olympiareife Bewerber auswählen können. Ich erwarte aber, dass die Personalverantwortlichen die Herausforderungen, die der demografische Wandel mit sich bringt, erkennen und auch in den nächsten Jahren noch mehr Ausbildungsabsolventen übernehmen.

 

Im Jahre 2012 werden in Klein- und Mittelbetrieben (bis 100 Beschäftigte) doch er­kennbar mehr Ausbildungsabsolventen unbefristet übernommen als in größeren Betrieben mit 100, 200 und mehr Beschäftigten. Worauf ist das zurück zu führen?

Bei den größeren Betrieben ist der Anteil der befristeten Übernahmen signifikant größer als bei den kleineren und mittleren Betrieben. Oftmals ist in größeren Betrieben beim Aus­bildungsende über den weiteren Einsatz der Ausbildungsabsolventen noch nichts ent­schieden. Denn dort gibt es auch gewisse "bürokratische Prozesse", die eben ihre Zeit be­nötigen.

 

Für die Lebensplanung von Jugendlichen dürfte die unbefristete Übernahme durch einen Betrieb eine wichtige Größe sein. Bei welchen Betrieben dürfen Sie Ihres Erachtens eher auf eine unbefristete Übernahme hoffen?

Wenn eine Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb erfolgt, erhöht sich die Chance auf eine unbefristete Übernahme - wie gesagt - nicht nur in kleinen Betrieben, sondern auch in Betrieben ohne oder nur mit einem geringen Anteil an befristet Beschäftigten, in Betrie­ben mit wachsendem Personalbestand, in Westdeutschland und in solchen, die einen ho­hen Übernahmeanteil aufweisen.

 

Was sind generell die Bestimmungsfaktoren für die Übernahmeaktivitäten von Betrieben?

Höhere Chancen durch eine Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb bestehen in grö­ßeren Betrieben, im Verarbeiteten Gewerbe, mit hohem Anteil an unbesetzten Ausbil­dungsstellen, mit wachsendem Personalbestand sowie in Betrieben, der Ausbildungsmoti­ve stark investitionsorientiert sind und bei den der produktive Arbeitseinsatz während der Ausbildung eine geringe Rolle spielt.

 

Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden eine Forderung aus Ihrem Fazit aus Ihrer Analyse gerne hören, dass es 'in Zeiten von Fachkräfteengpässen im Bereich der berufli­chen Bildung - im Unterschied zur akademischen Qualifikation - gilt, eine Bindung der Be­schäftigten an die Betriebe aufrechtzuerhalten'. Eigentlich auch eine Auszeichnung der Be­deutung der beruflichen Bildung für die deutsche Wirtschaft?



In der Tat lernen die Betriebe aus den zunehmenden Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ausbildungsstellen, die nicht nur auf den demografischen Wandel zurückgehen, son­dern auch darauf, dass viele Schulabgänger ihre größeren beruflichen Chancen im akade­mischen Bereich sehen als in einer beruflichen Ausbildung.

 

Wie könnte Ih­res Erachtens eine solche Bindung aussehen und wodurch initiiert und vers­tetigt werden?

Nach einer gemeinsamen Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des IAB werden sich mittel- und langfristig die Beschäftigungschancen von beruflich Qualifi­zierten gegenüber akademisch Qualifizierten deutlich besser entwickeln. Das müsste für viele junge Menschen Anreize schaffen, eine Berufsausbildung im dualen System aufzu­nehmen. Ein weiteres Argument dafür besteht in der erhöhten Durchlässigkeit der ver­schiedenen Bildungswege. Eine Berufsausbildung sollte von allen Beteiligten als Fortset­zung des lebenslangen Lernens und nicht als das Ende betrachtet werden.

 

Ihre Analyse basiert ja auf Daten aus dem Betriebspanel des Instituts für Arbeits­markt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) und dem Quali­fizierungspanel des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Könnten Sie den Le­sern kurz sagen, was diese Panels an Daten beinhalten und worauf man sich dabei 'ver­lassen' kann?

Das IAB-Betriebspanel wird seit 1993 und seit 1996 auch in Ostdeutschland bei mittlerwei­le fast 16.000 Betrieben jährlich erhoben. Dieser große Stichprobenumfang, persönlich-mündliche Interviews sowie die Ziehung und Hochrechnung der Stichprobe mittels der Be­triebsdatei der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit sind Garanten für die Zuverlässigkeit der ermittelten empirischen Ergebnisse. Dies gilt auch für das seit 2011 jährlich erhobene BIBB-Qualifizierungspanel, da es sich bei der Befragungsart und dem Stichprobenverfahren nicht vom IAB-Betriebspanel unter­scheidet. Mit rund 2.000 jährlich befragten Betrieben sind jedoch regionale Auswertungen mit den Daten des BIBB-Qualifi­zierungspanels nur eingeschränkt möglich.

 

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...zum Weiterlesen: Bellmann, L./ Mohr, S.: Vortrag 'Chancen und Risiken beim Übergang nach der Ausbildung', BIBB-Kongress 2014 'Berufsbildung attraktiver gestalten - mehr Durchläs­sigkeit ermögli­chen', Forum 1, Themenblock 2, Berlin, 18./19. September 2014 (www.bibb.de)

 

Wer ist Prof. Bellmann?     

Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Lutz Bellmann (Jahr­gang 1956) ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Arbeitsöko­nomie an der Universität Erlangen-Nürnberg und Forschungsbereichsleiter am Institut für  Arbeitsmarkt- und Be­rufsforschung (IAB) der Bundes­agentur für Arbeit (BA) in Nürnberg. Zudem leitet er das IAB-Betriebspanel, die größte Betriebsbefragung in Deutschland.

 

Er führte gemeinsame Forschungsprojekte u.a. mit den amerikanischen National Bureau of Econo­mic Rese­arch, der London School of Economics and Political Science und der Europäischen Kom­mission durch. Die Hans-Böckler-Stiftung finanzierte seine Forschungs­projekte u.a. zu Themen wie "Leiharbeit" und "Ältere Ar­beitnehmer im Betrieb". Er ist Mit­glied verschiedener Beiräte, u.a. des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Früherkennung von Qualifikationsbedarfen und des Altersübergangsmonitor der Hans-Böck­ler-Stiftung, Lehrbeauftragter an der Universität Basel und Research Fellow des Insti­tuts Zukunft der Arbeit (Bonn). Sein Forschungsinteresse gilt der betrieblichen Arbeits­marktforschung mit Schwerpunkten bei der Untersuchung der industriellen Beziehungen, atypische Beschäftigungsverhältnisse sowie der betrieblichen Aus- und Weiterbil­dung.

 


Wer ist Fr. Dr. Mohr?

Die Verwaltungswissenschaftlerin Dr. Sabine Mohr (Jahrgang 1973) arbeitet seit 2010 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und ist dort im For­schungsprojekt "BIBB-Betriebspanel zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung (BIBB-Qualifizierungspa­nel)" tätig. Zu ihren Forschungsfeldern zählen die betriebliche Aus- und Weiterbildung sowie das Human Ressource Management.

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