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Gutachternetzwerk

Zwei Kulturen mit zwei Sprachen

09.11.2012 Ι Ein neuer dualer Studiengang nach dem anderen entsteht. Das gewerkschaftliche Gutachternetzwerk kämpft dafür, dass dabei auch Ansprüche an ein Gutes Studium und Gute Arbeit berücksichtigt werden. Soli-extra-Autorin Nadine Michel sprach mit dem IG Metall Hochschulexperten Bernd Kaßebaum.

Herr Kaßebaum, sie sitzen für die IG Metall im so genannten Gutachternetzwerk. was ist genau das Ziel dieses Gremiums?

Das Gutachternetzwerk ist von den Gewerkschaften gegründet worden. Wir verstehen uns als ein Netzwerk, das Menschen auf unterschiedlichen Ebenen verbindet. Grundsätzlich geht es uns um die Qualität des Studiums vor allem in den Ingenieur- und Naturwissenschaften, wodurch es dann häufig die Verbindung zum dualen Studium gibt. Die Akkreditierungsagenturen für neue Studiengänge sehen vor, dass diese von Gutachterteams bewertet werden. Diese Bewertung unterstützen wir mit ehrenamtlichen Gewerkschaftern. Zusätzlich führen wir Schulungen durch und arbeiten in Arbeitsgruppen, die die Qualitätssicherung des Studiums diskutieren. Insofern arbeiten wir auch politisch. Und auch in diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns mit dem dualen Studium.

 

Wie oft trifft sich das Gremium, wie viel Arbeit steckt also in dem Netzwerk?

Wir haben unterschiedliche Beteiligungsformen für etwa 200 bis 300 Engagierte. Einige davon kommen nur gelegentlich zu Tagungen oder zu Schulungen. Andere beschäftigen sich mit dem Akkreditierungsverfahren oder arbeiten in den Arbeitsgruppen, und das ist dann schon intensiv. Also für ein Akkreditierungsverfahren geht schon locker eine Woche Arbeit drauf. Es gibt zwar von der Agentur eine Aufwandsentschädigung, aber die ist uns zu gering. Immerhin müssen die Leute dafür eine Woche Urlaub nehmen oder die Stunden über ihr Arbeitszeitkonto ausgleichen. Deshalb fordern wir seit langem, dass es für die Ehrenamtlichen eine andere Vergütung und ein anderes Freistellungsrecht gibt, etwa wie es dies für ehrenamtliche Schöffen am Gericht gibt.

 

Wie arbeitet das Gremium, also wie werden beispielsweise Beschlüsse gefasst?

Wir haben einen so genannten Steuerkreis, der sich aus den Hauptamtlichen der Gewerkschaften und aus einigen Ehrenamtlichen zusammensetzt. Dieser Kreis hat die Aufgabe, das Netzwerk am Laufen zu halten und Beschlüsse zu fassen. Diese koppeln wir dann in ein Netzwerk-Plenum zurück.

 

Was macht das Netzwerk so besonders?

Erstens sind wir der gewerkschaftliche Akteur im Feld dieser externen Qualitätssicherung. Das andere ist, dass sich drei Gewerkschaften und die Hans-Böckler-Stiftung zusammengefunden haben und über ihre eigenen Grenzen hinweg zusammenarbeiten. Und ich finde es gut, dass wir als soziales Netzwerk arbeiten. Ehrenamtliche haben hier nicht nur Pflichten, sondern auch viele Rechte und Möglichkeiten, etwas mitzugestalten. Zu guter Letzt arbeiten im Netzwerk betriebliche mit wissenschaftlichen Kollegen zusammen, etwa mit Vertrauensdozenten und Stipendiaten der Stiftung. Inhaltlich geht es darum, neue Studiengänge mitzugestalten und die Qualität zu sichern.

 

Was sind nach Ansicht der Gewerkschaften wichtige Punkte, um die Studierbarkeit zu verbessern?

Die Gutachter haben sich zunächst an Kriterien der Akkreditierungsagenturen zu orientieren, etwa Anzahl der Prüfungen, Gestaltung der Module und so weiter. Wir Gewerkschaften haben darüber hinaus ein weitergehendes Konzept. Wir betrachten das Studium als wissenschaftliche Berufsausbildung, unser Denken zielt auf umfassende berufliche Handlungskompetenz. Hier geht es also darum, die berufliche Qualifizierung mit der Persönlichkeitsentwicklung zusammenzuführen. Uns sind Punkte wichtig wie Selbstorganisation oder auch die Entwicklung einer Gesellschafts- und Wissenschaftskritik.

 

Beim dualen Studium gibt es die Kritik, dass die Konzentration auf die Bedürfnisse der Wirtschaft dem Gedanken des Studium universale widerspricht. welche Rolle spielt in Ihrem Netzwerk dieser Konflikt und welche Schwerpunkte setzen sie?

In der Tat, das ist einer der kritischen Punkte. Das Studium darf nicht nur auf den Betrieb gemünzt sein, sondern es müssen eben auch Punkte wie die oben angesprochenen erfüllt werden. Und das muss im Akkreditierungsverfahren aufgenommen werden. Daran angeknüpft ist die Frage, wie die beiden Lernorte miteinander verbunden sind. Da brauchen wir eine andere Systematik.

 

Was meinen sie damit?

Uns ist eine stärkere Integration wichtig. Es muss z.B. gemeinsame Gremien geben, in denen der Betrieb viel stärker mit der Hochschule zusammenarbeitet. Aber an dieser Stelle haben wir im Moment ein richtiges Problem.

 

Woran hakt es?

Das Problem ist, dass die Hochschulen auf der einen und die Betriebe auf der anderen Seite zwei Institutionen sind, die zwei verschiedene Sprachen sprechen, die andere Sichtweisen, andere Kulturen haben. Arbeitgebervertreter und die Gewerkschaften sind sich an diesem Punkt relativ einig, was getan werden muss. Nur haben wir mit der Sperrigkeit der beiden Systeme zu kämpfen.

 

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Was würden sie in zehn Jahren gerne sagen können, was sie mit dem Netzwerk erreicht haben?

Das duale Studium hat weiter Anziehungskraft. Das soll auch so sein, wir finden das Angebot attraktiv. Aber es muss an den Schnittstellen deutlich verbessert werden. Und wir müssen weg von dem Elitegedanken. Bislang werden nur die besten Abiturienten genommen. Da brauchen wir eine stärkere soziale Durchlässigkeit. Außerdem sollte das Prinzip des dualen Studiums nicht nur auf den Bachelor konzentriert bleiben, sondern auch auf den Master übertragen werden. Wenn wir das alles im nächsten Jahrzehnt erreicht haben sollten, dann hätten wir ganz schön viel geschafft.

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