Die Kooperation der Ruhr-Universität Bochum mit Gewerkschaften ergibt sich allein schon aus dem Gründungskontext der ersten Universität der Bundesrepublik im montanindustriellen Ballungsraum des Ruhrgebiets mit großen und machtvollen Gewerkschaftsorganisationen. Nicht nur die IG Metall, die die Hütten- und Stahlarbeiter vertritt, sondern vor allem auch die Industriegewerkschaft Bergbau (IGB) mit Hauptsitz in Bochum, hatten die seit 1957 beginnende Bergbaukrise gewerkschaftspolitisch begleitet. Allein Bochum hatte über 70 Schachtanlagen, zahlreiche Bergbauzulieferer, zum Beispiel Eickhoff, und war damit die bedeutendste Bergbaustadt Deutschlands.
Die Erwartungen der Gewerkschaften in der ersten industriellen Transformationsphase des Ruhrgebiets waren sehr hoch, dass die neu zu gründende Universität diesen Wandel mit wissenschaftlicher Expertise begleitet, so der ehemalige NRW-Wissenschaftsminister und spätere Ministerpräsident Johannes Rau im Jahr 1985.
Die Kooperation mit Gewerkschaften hat somit das Markenzeichen der RUB „Built to change“ bereits seit über 60 Jahren maßgeblich mitgeprägt. Diese Zusammenarbeit geht weit über den bislang einzigartigen Kooperationsvertrag zwischen dem Rektorat der RUB und dem Vorstand der IGM vom 9. Juli 1975 hinaus und hat in den letzten 50 Jahren zur Gründung zahlreicher Einrichtungen an der RUB geführt, die sich mit arbeitsweltlichen Themen beschäftigten:
- Bereits 1960: Drei gemeinsame Positionspapiere der Sozialpartner (Gewerkschafter, Hütten- und Bergwerksdirektoren aus dem Ruhrgebiet), Forderungen nach einem interdisziplinären Institut für Arbeitswissenschaft, wenn es der Gründung einer ersten Universität im Ruhrgebiet kommen sollte.
- 1961: Beschluss zur Gründung der Ruhr-Universität Bochum
1965: Aufnahme des Lehrbetriebs an der RUB - 1971: Eröffnung des IG Metall Bildungszentrums in Sprockhövel (für gewerkschaftliche und allgemeine Erwachsenenbildung)
- 1972: Bildung des paritätisch zusammengesetzten Arbeitskreises mit Vertretern der RUB und IGM (Beginn der Sprockhöveler Gespräche mit Vertretern der IG Metall und der RUB)
- 1973: Lehrauftrag für den Leiter des IGM-Bildungszentrums in Sprockhövel an der Fakultät für Sozialwissenschaft (Schwerpunkt Mitbestimmung)
- 9. Juli 1975: Unterzeichnung des Kooperationsvertrages zwischen dem Rektorat der RUB und dem Vorstand der IGM
- 1979: Gründung der Gemeinsamen Arbeitsstelle RUB/IGM als Brückeneinrichtung zwischen Wissenschaft (RUB) und Arbeitswelt (IGM) zunächst mit Büros sowohl an der RUB als auch im IGM-Bildungszentrum Sprockhövel (erster Leiter: Dr. Erich Werthebach in enger Zusammenarbeit mit Hans-Helmut Weigmann, langjähriger Dezernent des Rektors)
- 1979: Gründung des Forschungsinstituts für Arbeit, Partizipation und Bildung (FIAB) in Recklinghausen
- 1980: Gründung des Instituts zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung (heute: Institut für soziale Bewegungen)
- 1982: Gründung des Weiterbildungszentrums der RUB (Schulungs- und Weiterbildungsangebote für außeruniversitäre Akteure) (heute: Akademie der RUB)
- 1985: Gründung des Instituts für Arbeitswissenschaft (nach 25 Jahren wurden die programmatischen Forderungen der Sozialpartner aus dem Jahr 1960 schließlich erfüllt)
- 1994: Gründung des Lehrstuhls für Organisation und Mitbestimmung an der Fakultät für Sozialwissenschaft (bis heute einzigartiger Lehrstuhl für Mitbestimmung an einer bundesdeutschen Hochschule)
- 2011 bis 2014: Begleitforschung zur Schließung von Opel-Bochum (Lern- und Forschungsfabrik des Lehrstuhl für Produktionssysteme wird durch den Sozialtarifvertrag zwischen General Motors und der IG Metall gefördert)
- 2013 bis 2014: Beteiligung der Gemeinsamen Arbeitsstelle am Europäischen Netzwerkprojekt des Schauspielhauses Bochum „This is not Detroit“ (u. a. in England, Polen und Spanien)
- 2014: Lern- und Forschungsfabrik des LPS in der ehemaligen Fabrik Wollschläger wird zur Vorlage für das Transferkonzeptes „Worldfactory“ der RUB
- 2015: Aufbau einer Transferforschungslinie zu den Qualifikationsherausforderungen und –bedarfen von Betriebsrät:innen in deutschen Unternehmen (wissenschaftliches Alleinstellungsmerkmal der Gemeinsamen Arbeitsstelle RUB/IGM)
- seit 2016: Zertifikatsstudiengänge für Betriebsrätinnen und Betriebsräte „Strategisches Betriebsratsmanagement“ und „Digitale Transformation“ (in Kooperation mit Arbeit und Leben NRW, dem IG Metall Bildungszentrum, der Akademie der RUB, der Gemeinsamen Arbeitsstelle RUB/IGM und dem Lehrstuhl für Produktionssysteme)
- 2023: Gründung des Netzwerks für Arbeits- und Gewerkschaftsforschung in der Universitätsallianz Ruhr
- 2023: Gründung der Akademie für Mitbestimmung (an der Akademie der RUB)
- 2025: IG Metall-Trainees werden in der Lern- und Forschungsfabrik des Lehrstuhls für Produktionssysteme der RUB im Schwerpunkt Arbeit und Technik ausgebildet