Lernen hört nicht auf. Doch was einst als Aufstiegsversprechen begann, ist heute zur schlichten Anforderung geworden. Der technologische Wandel, die Transformation ganzer Branchen sowie die strukturellen Herausforderungen des Arbeitsmarkts verlangen von den Beschäftigten eine kontinuierliche Erneuerung ihrer Kompetenzen. Weiterbildung wird damit zur Voraussetzung für Beschäftigungsfähigkeit – nicht mehr für Aufstieg, sondern für Absicherung. Das ist der zentrale Befund des Reports „Lebensbegleitendes oder lebenslanges Lernen?“ der Hans-Böckler-Stiftung, den die IG Metall für die Bildungs- und Qualifizierungspolitik kritisch einordnet.
Weiterbildung ist längst nicht mehr die freiwillige Kür einzelner Engagierter. Sie ist zur allgemeinen Erwartung geworden – und wird zunehmend betrieblich organisiert. Doch nicht alle Beschäftigten profitieren gleichermaßen von diesen Angeboten. Vor allem Beschäftigte in einfachen Tätigkeiten, Teilzeitbeschäftigte, Frauen sowie Menschen ohne beruflichen Abschluss oder mit Migrationshintergrund sind unterrepräsentiert. Die Teilnahme an Weiterbildung hängt stark von der betrieblichen Stellung und von vorhandenen Weiterbildungsstrukturen ab. Betriebe mit Betriebsvereinbarungen, Planung und verantwortlichen Ansprechpersonen bieten deutlich häufiger Weiterbildung an – meist jedoch in Form kurzfristiger Anpassungsmaßnahmen.
Die Studie der Böckler-Stiftung zeigt: Die betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen dienen vorrangig der Reaktion auf technische Veränderungen oder neuen Softwarelösungen. Längere, formale Bildungswege – etwa zum Meister, zur Fachwirtin oder zum Techniker – werden dagegen seltener unterstützt, obwohl gerade sie den Beschäftigten neue Handlungsoptionen eröffnen könnten. Damit wird deutlich: Weiterbildung im engeren betrieblichen Sinne stabilisiert Beschäftigung, ohne zwangsläufig Entwicklung zu ermöglichen.
Besonders kritisch ist die Entkopplung von Weiterbildung und Aufstieg. Zahlreiche Befragte berichten von enttäuschten Erwartungen: Die Investitionen in Zeit, Geld und Engagement führen nicht zu höherer Eingruppierung oder attraktiveren Aufgaben. In manchen Fällen verschärft sich sogar die Konkurrenz mit Akademikerinnen und Absolventen dualer Studiengänge, insbesondere in jenen Branchen, in denen der technologische Wandel besonders stark ist. Statt des versprochenen sozialen Aufstiegs kommt es vielfach zu einer bloßen Statussicherung.
Vor diesem Hintergrund bedarf es einer neuen Erzählung des lebenslangen Lernens.
Nicht mehr das Ziel individueller Karriere, sondern das kollektive Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe und der demokratischen Mitgestaltung der Arbeitswelt muss im Zentrum stehen.
Weiterbildung sollte daher nicht allein auf betriebliche Verwertungslogiken verengt werden, sondern auch Freiräume für persönliche Entwicklung, fachliche Vertiefung und politische Mündigkeit eröffnen. Das verlangt nach neuen politischen Rahmensetzungen.
Die IG Metall fordert:
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Weiterbildung darf kein Privileg für wenige bleiben. Es braucht ein Bundesweiterbildungsgesetz, das verbindliche Freistellungsansprüche, ein Recht auf Beratung und die öffentliche Finanzierung von Weiterbildung regelt.
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Weiterbildung muss strukturell abgesichert werden – durch tarifliche Vereinbarungen, durch Bildungszeitgesetze und durch eine lernförderliche Arbeitsgestaltung.
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Betriebliche Weiterbildung muss planbar, zugänglich und demokratisch mitgestaltet sein.
Lebensbegleitendes Lernen darf nicht zur Dauerforderung ohne Gegenleistung werden. Wer Anforderungen stellt, muss auch Unterstützung bieten: durch Anerkennung, Entlastung und Entwicklungsperspektiven. Nur so bleibt Weiterbildung ein Versprechen – nicht auf bloßen Verbleib, sondern auf ein gutes Leben im Wandel der Arbeit.
Zum Report auf boeckler.de.