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Das Interview mit Reinhold Sauer

Der Mensch im Mittelpunkt - auch bei den Prüfungen

21.12.2012 Ι Reinhold Sauer ist mit Verlaub stolz auf seine Tätigkeit als Ausbilder bei Bosch. Zusammen mit seinen Kollegen hat er 2012 dazu beigetragen, den renommierten "EFQM Excellence Award" nach Bamberg zu holen. Doch heute geht es nicht um seine Berufung, sondern um sein ehrenamtliches Engagement als Prüfer.

Lieber Kollege Sauer, ich habe mir einmal einen Überblick verschafft, an welchen Punkten wir gemeinsam für eine gute Prüfung in der beruflichen Bildung kämpfen. Da bist Du zu aller erst Prüfungsausschussvorsitzender in Bamberg, dann stellvertretendes Fachausschussmitglied bei der PAL in Stuttgart und last but not least, Mitglied im Beratergremium der IG Metall.
Ja, da kommt schon einiges zusammen. Ich begleite diese Ämter aber sehr gerne und bekomme den Aufwand den ich investiere mehrfach und in unterschiedlichster Form zurück.

 

Kannst Du uns hierzu ein Beispiel geben?
Lass es mich an drei bis vier Punkten festmachen.
In erster Linie geht es mir um unsere jungen Kolleginnen und Kollegen, die ich auf ihrem Weg von der Ausbildung über die Prüfung bis hinein ins Berufsleben begleiten darf. Hier ist es das Interesse am Menschen, wenn Du es so ausdrücken möchtest.
Daneben ist es natürlich auch die Hochachtung vor dem eigenen Beruf, dessen Qualität - ich durch meine Tätigkeit - hoffe mit sichern zu können.
Aber auch ein wenig Eigennutz. Durch die Prüfungen erhalte ich Einblick in die Arbeit anderer Unternehmen, lerne hochqualifizierte und engagierte Kolleginnen und Kollegen kennen, mit denen ich mich fachlich austauschen kann und bin - nicht zuletzt durch die IG Metall - auch immer am Puls der Zeit.

 

Vor wenigen Tagen haben wir die Nachricht erhalten, dass ein junger Mann während seiner Prüfung eine Schusswaffe gezogen und den Prüfungsausschuss bedroht hat. Schrecken Dich solche Nachrichten ab?
Nein - von solchen Pressemeldungen halte ich auch nicht sehr viel. Das kann dir gelinde gesagt auch an der Tankstelle, in der Bank, als Lehrer oder Ausbilder und - wenn es blöd läuft - sogar als Betriebsrat passieren.
Ich denke aber, dass eine solche extreme Situation zeigt, dass die Prüfung selbst eine "extreme" Situation für unsere Prüflinge ist. Hier entscheidet sich ja schließlich in gewissem Rahmen der weitere berufliche Werdegang. In diesem Zusammenhang glaube ich im Übrigen, dass wir mit den Entwicklungen im Prüfungswesen - also der Gestreckten Abschlussprüfung und dem Betrieblichen Auftrag - auf einem richtigen Weg sind. Insbesondere wenn man bedenkt, wie diese Instrumente die Stresssituation für unsere Auszubildenden entzerren.


Meine persönlichen Erfahrungen sind als Prüfer ganz andere! Ich komme fast immer mit einem sehr guten Gefühl von meinen Prüfungsterminen zurück.

 

Gibt es für dich nicht auch Momente in denen Du am liebsten den Prüfungsraum verlassen möchtest?
Klar kommen auch junge Leute zu uns, die von ihrer Art nicht auf der gleichen Wellenlänge liegen wie ich - aber das wäre auch schlimm, wenn es nicht so wäre. Stell dir mal vor, wenn jede Generation der Älteren nur gefallen möchte (schmunzel).
Und oftmals ist der erste Eindruck auch sehr trügerisch. Davon sollte man sich in Prüfungen nicht beeinflussen lassen.

 

Gab es für dich schon einen Moment, in dem dich ein Prüfling total überrascht hat?


Ja und das ist noch gar nicht lange her.
Im Sommer 2012 hatten wir einen jungen Kollegen mit ausländischen Wurzeln bei uns zur Nachprüfung. Er hatte zu diesem Zeitpunkt weniger als 50 Punkte in zwei schriftlichen Prüfungsteilen erzielt. Die Erwartungen des Prüfungsausschusses waren dem entsprechend gering.


Jedoch hat sich nach wenigen Fragestellungen in der mündlichen Prüfung gezeigt, dass er ein fundiertes und umfangreiches Fachwissen besaß. Er hatte lediglich Probleme seine Handlungskompetenz in der deutschen Sprache nachzuweisen.

 

 

Wie geht man als Prüfer/in mit so einer Situation um? Ihr seid doch an objektive Verhaltensregeln gebunden, um alle Prüflinge gleich zu behandeln.

Wir arbeiten als Ausschuss schon lange zusammen und haben für uns einen entsprechenden Verhaltensrahmen für solche Fälle definiert.


Klar war, für den Prüfling sollte keine Sonderregelung gelten. Also musste er die selben Prüfungsfragen beantworten, wie alle anderen Prüflinge auch. Jedoch nahmen wir Rücksicht auf seine sprachlichen Defizite: Durch langsames Sprechen, einer klare Stellung der Prüfungsfragen und genügend Zeit zum Beantworten der gestellten Fragen, konnte er diese selbstsicher und richtig beantworten!
So gelang es ihm den  theoretischen Teil der Prüfung zu bestehen und er bedankte sich für die faire Behandlung durch den Prüfungsschuss.

Beim späteren Fachgespräch war dann natürlich der Prüfling schon bekannt und wir konnten entsprechend auf seine Schwächen eingehen und ihm  die Fragen langsam und klar stellen und ihm auch bei der Beantwortung genügend Zeit zu geben oder ihm zu helfen den deutschen Fachbegriff zu finden.

So konnte er seine Facharbeiterprüfung zum Mechatroniker bestehen.

Nach der Beschlussfassung, also der Bekanntgabe ob bestanden oder nicht, bedankte er sich bei mir für den fairen Umgang mit ihm und auch die Rücksichtnahme auf seine Wortfindung bei den deutschen Fachbegriffen. 


Ich habe eine solche Hochachtung vor seiner Leistung und seiner Reaktion gegenüber unserem Ausschuss, dass mir der Kollege bestimmt noch lange als positives Beispiel und hervorragendes Argument für das Engagement als Prüfer/in dienen wird.

 

Hast Du in der Zwischenzeit noch etwas von ihm gehört?
Persönlich nicht, aber der Kollege hat mit so viel Stolz seine Facharbeiterprüfung bestanden, dass ich mir sehr wünsche, dass er auch in dem Bereich arbeiten darf, der für ihn seine Berufung zu sein scheint. 

 

Wenn du unseren neuen Prüfer-Kolleginnen und Kollegen etwas mit auf den Weg geben könntest, was würdest du ihnen raten?
Verliert mit all eurer Erfahrung nicht aus den Augen, wie angespannt unsere Prüflinge in diesen Momenten sein können und wie wenig es bedarf, einen jungen Kollegen aus der Spur oder viel besser zurück in die Spur zu bringen.
Sprecht euch innerhalb eures Ausschusses gründlich ab, so dass ihr gemeinsam an einem Strang zieht.

 

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