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Faulstich

Nachruf

Peter Faulstich

04.02.2016 Ι Peter Faulstich ist tot. Nach schwerer Krankheit starb er am 27.01.2016. Die Gewerkschaften haben einen ihren prägendsten wissenschaftlichen Mitstreiter verloren.

Bis in seine letzten Tage war Peter Faulstich im wissenschaftlichen Beraterkreis von ver.di und IG Metall aktiv. Er gehörte zur Redaktionsgruppe, die an den in wenigen Wochen erscheinenden, neuen BerufBildungsPerspektiven arbeitete.

 

Noch vor wenigen Monaten stellte Peter Faulstich im Bildungsausschuss der IG Metall die Vorstellungen des Beraterkreises für eine " Konvergenzstrategie für eine gemeinsame Weiterentwicklung betrieblicher, schulischer und hochschulischer Berufsbildung vor." In Erinnerung ist allen KollegInnen, die den Vortrag hören durften, die ruhige, bedachte und fesselnde Art des Vortrags.

 

"Es ist unsere Überzeugung, dass die gegeneinander abschottende Trennung der Lernwege in das duale System einerseits und Studium andererseits weder den einzelnen Lernenden, noch den Interessen der Betriebe (...) angemessen ist."

 

Oder an anderer Stelle des Vortrags:

"Wenn wir eine Bildungs- und Arbeitspolitik in Richtung auf einen Integrationsprozess wollen, der die bisherige Trennung selektiver Bildungsinstitutionen und polarisierter Arbeitseinsatztypen überwindet, muss auch die Polarität von ,akademischem' und "betrieblichem' Bildungstyp aufgehoben und müssen die traditionellen Barrieren zwischen Facharbeitern und Akademikern aufgebrochen werden, die sich über hierarchisch orientierte Abschlüsse begründen."

 

Peter Faulstich war in seinem Denken parteilich, radikal und zukunftsgewandt. Er verfolgte einen Ansatz subjektbestimmten, expansiven Lernens. In einem gemeinsam mit Mechthild Bayer herausgegebenen Band zu Lernwiderständen (aus einer Reihe von Bänden zur Weiterbildung und zum Lernen) erklärt er die Lernwiderstände mit der fehlenden "Bedeutsamkeit" des Lerngegenstands für den Lernenden.

 

Oder gewendet: "Ohne Selbsttätigkeit findet Lernen nicht statt. Deshalb ist für ,expansives Lernen' die aktive Gestaltung des eigenen Lernens durch einen hohen Grad von Selbstbestimmung erforderlich." Letztendlich gehe es beim Lernen um Mündigkeit.

 

Neben dem Wissenschaftler und Streiter Peter Faulstich gab es den Menschen Peter Faulstich mit seinen Interessen für zeitgenössische Kunst. Die documenta in Kassel zählte zu seinen Lieblingsorten. Versäumt hat er keine. Natürlich hatte er eine Dauerkarte und konnte immer, wenn er Zeit hatte, nach Kassel enteilen. Gerne führte er Freunde und Interessierte durch die vielen Ausstellungsräume und Freiflächen. Exzellent vorbereitet informierte er über die Exponate und die Künstler, besser als jeder professionelle Kunstführer. Er verstand es, für die manchmal schwer verdaulichen Werke, Verständnis ja Empathie zu entfachen. Ihm zuzuhören hat auch einfach Spaß gemacht.

 

Seine Markenzeichen waren der lässig über der Schulter getragene Schal und ein Clown am Jacken-Reverse. Beide Symbole waren ihm wichtig, ihnen blieb er treu bis zum Schluss. Chaos, Clowns und reflexive Kompetenz, so heißt einer seiner Aufsätze. Und dann seine Art zu Lachen, fröhlich zu sein und verschmitzt zu sein. All das wird uns fehlen.

 

Er hatte noch Pläne. So wollte er eine Ausgabe von www.DENK-doch-MAL.de machen, die den Titel: "Die Ich-Linge oder Ich kann alles tragen" sollte. Bei aller notwendigen Ernsthaftigkeit mit denen man dem Subjekt begegnen muss, die Ummünzung auf Ich und sonst nichts bezogenes Leben, das war ihm zutiefst zuwieder. Das wollte er in der Ausgabe zu den Ich-Lingen analysieren, aber mit Sicherheit auch kritisch einordnen. Dieses Projekt konnte er nicht mehr verwirklichen. Sehr Schade.

 

Peter Faulstich wurde 1946 in Frankfurt/Main geboren. Nach dem Studium an der TU Berlin und ersten wissenschaftlichen Anstellungen war er an der damaligen Gesamthochschule Kassel Leiter des Zentrums für Wissenstransfer und hatte eine Professur für Berufspädagogik inne. Seit 1995 war Peter Faulstich Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Universität Hamburg. Er war Sprecher der Kommission  Erwachsenenbildung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudien (DGWF, früher AUE). 2013 erfolgte die Pensionierung.

 

Die Zahl seiner Vorträge und Diskussionsveranstaltungen in Hochschulen und in der Gewerkschaftsbewegung verdeutlichen sein unermüdliches Engagement. Peter Faulstich war seit 1967 mit seiner Frau Hannelore verheiratet. Stolz und gerne erzählte er von seinen Enkelkindern.

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Claus Drewes Ι 04.02.2016
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Sehr traurig, schon wieder ist ein toller Mitstreiter viel zu früh von uns gegangen.

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