Für zukünftige Kolleginnen und Kollegen
Wie aus Flüchtlingen Fachkräfte werden
Dass die Integration in den Arbeitsmarkt für ein Gelingen der Integration entscheidend ist, ist unbestritten. Über das "wie" gibt es hingegen unterschiedliche Vorstellungen. Manche befürworten, dass Flüchtlinge zu schlechteren Bedingungen eingestellt werden. Sie versuchen die Gunst der Stunde zu nutzen, um unliebsame Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt, wie den Mindestlohn, wieder zurück zu drehen und sich perspektivisch Fachkräfte zu Billiglöhnen zu sichern. Die IG Metall erteilt solchen Ideen eine klare Absage.
Es dürfe bei der Vermittlung von Flüchtlingen in ein Arbeitsverhältnis nicht zu Lohndumping oder Eingriffen in tarifliche und gesetzliche Regelungen kommen, erklärte der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann. "Wir akzeptieren keine Beschäftigungsverhältnisse zweiter Klasse, denn sie machen aus den Menschen Menschen zweiter Klasse". Den Flüchtlingen müsse zugerufen werden: "Eure Arbeit ist so viel wert wie unsere Arbeit." Die Unternehmen forderte Hofmann auf, sie sollten Ausbildungsplätze, Förderjahre oder tarifliche Arbeitsplätze für Flüchtlinge anbieten.
Eine Aufweichung des Mindestlohns und die Einführung einer unteren Lohnlinie lehnt die IG Metall ab. Wichtig sind ein schneller Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt. Auch die Qualifikationen der Flüchtlinge müssen rasch anerkannt werden. Nicht zuletzt sind die Sprachkenntnisse wesentlich, ob Flüchtlinge hier schnell Fuß fassen können. Dank des hohen Engagements der Bevölkerung und ihrer bemerkenswerten Hilfsbereitschaft gelingt es bisher, die Aufnahme der Flüchtlinge - trotz zahlreicher praktischer Hindernisse und Schwierigkeiten - zu meistern. Der menschenwürdige Umgang mit Flüchtlingen war schon immer ein Prüfstein für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und für unsere Demokratie.
Das Integrationsjahr in Ausbildung und Arbeit.
Das "betriebliche Integrationsjahr" gibt jungen Geflüchteten eine Chance auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Idee dazu hatte die IG Metall. Finanziell unterstützt wird es von Bundesagentur für Arbeit. So funktioniert das Integrationsjahr:
Nun geht es um die Umsetzung der Modelle. Im Februar 2017 waren 455 000 Flüchtlinge arbeitssuchend gemeldet.
Ausbildung und Arbeit sind wichtige, wenn nicht gar die wichtigsten Voraussetzungen für eine gelingende Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft. Dabei sollen die zwei entwickelten Kooperationsmodelle der Bundesagentur für Arbeit "step by step" und "Kommit" helfen, die eine Bündelung und Verzahnung bereits existierender Maßnahmen darstellen.
Es liegt an uns als IG Metall, Betriebsräten, JAVen und Vertrauensleuten in den Betrieben dafür zur sorgen, dass diese Modelle genutzt werden.
Integriertes Stufenmodell mit BA-Förderung
Phase 1:
Erwerb grundlegender Sprachkenntnisse über Integrationskurs, finanziert durch Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF
Phase 2:
Heranführung an den Arbeitsmarkt und beruf-licher Orientierung. Phase enthält auch Elemente des wechselseitigen Kennenlernens im Betrieb (Praktikum), um darüber die Eignung für eine berufliche Ausbildung zu klären (vollständig BA-finanziert)
Phase 3:
Sofern eine Ausbildung nicht direkt möglich ist: Einstiegsqualifizierung mit entsprechender BA-Förderung bzw. unter Nutzung Tarifvertrag
Phase 4:
Aufnahme einer Ausbildung. Weitere Unterstützungsangebote der BA (ausbildungsbegleitende Hilfen/Assistierte Ausbildung) können dabei genutzt werden
Integriertes Stufenmodell mit BA-Förderung
Phase 1:
Erwerb grundlegender Sprachkenntnisse über Integrationskurs, finanziert durch Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF
Phase 2:
Nach etwa drei Monaten, neben dem Integrationskurs Beginn einer von der BA geförderte zweite Phase, die den Flüchtlingen betriebliche Einblicke gewährt und den Arbeitgebern eine Eignungsfeststellung ermöglicht
Phase 3:
Aufnahme eines (befristeten) sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses (tariflich/ortüblich entlohnt) und Beginn einer berufsanschlussfähigen Teilqualifizierung über das BA-Programm WeGebAU. BA-Förderung umfasst Weiterbildungskosten, Arbeitsentgeltzuschuss für weiterbildungsbedingte Ausfallzeiten, Pauschale zu den Sozialversicherungsbeiträgen
Phase 4:
Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnis und Fortsetzung Qualifizierungsweg - im besten Fall mit dem Ergebnis des Erwerbs eines Berufsabschlusses.
Verzahnung von Spracherwerb, Beschäftigung und Qualifizierung
schafft Voraussetzung für eine Perspektive auf gute und nachhaltige Beschäftigung und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten
Ausrichtung auf Flüchtlinge und andere bisher am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen
trägt dem Ansatz "gleiche Rechte und Bedingungen für alle" Rechnung
bundesweiter und branchenübergreifender einheitlicher Einsatz und gemeinsame Verständigung der wesentlichen arbeitsmarktpolitischen Akteure
trägt zu mehr Transparenz und Verlässlichkeit bei Förderung bei
Umfang der Fördermöglichkeiten
so ausgestaltet, dass die Kosten für den Betrieb vergleichsweise gering sind
Regelung einer tariflichen bzw. ortsüblichen Entlohnung
schiebt einer "Ausbeutung" von Flüchtlingen ebenso einen Riegel vor wie einer verschärften Lohnkonkurrenz durch niedrige Entgelte
Bei der Umsetzung im Betrieb sollte beachtet werden:
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Der Betriebsrat und der Arbeitgeber sollten möglichst gemeinsam agieren um in den Betrieben die Modelle erfolgreich zu verankern.
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Als Zielgruppe der Modelle sind vor allem anerkannte Flüchtlinge gedacht.
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Die Plätze für die Modelle sollten möglichst zusätzlich ("on top") zu existierenden Programmen oder Ausbildungsplätzen im Betrieb angeboten werden.
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Um den Geflüchteten den Einstig in den Arbeitsalltag zu erleichtern empfiehlt es sich Mentoren für die Geflüchteten im Betrieb zu benennen.
Drei mögliche Wege um geeignete Bewerber zu gewinnen:
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Über den direkten Kontakt zu der örtlichen Arbeitsagentur
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Über die verschiedenen örtlichen Bildungsträger
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Über informelle Kontakte zu Flüchtlingsorganisationen oder Flüchtlingen
Alireza Chavdarian war selbst einmal Flüchtling. Vor 25 Jahren kam der Iraner nach Deutschland. Jetzt arbeitet er bei Bosch in Reutlingen und ist aktiv als Mitglied im Betriebsrat. Als dieses Jahr verstärkt Flüchtlinge nach Deutschland kamen, sprach Chavdarian mit der Personalabteilung und schlug vor, einen Flüchtling einzustellen. Die Wahl fiel auf einen Mann aus Syrien, Familienvater über 40, der in seinem Heimatland als Wirtschaftswissenschaftler bereits in technischen Berufen gearbeitet hatte. Bosch gab ihm eine Chance. Nach einem Bewerbungsgespräch bekam der Mann aus Syrien die Stelle als Maschinenbediener im Betrieb. Er leistet gute Arbeit, finden seine Kollegen. Nach den positiven Erfahrungen will Bosch nun einen weiteren Flüchtling als Praktikanten nehmen.
So wie der Betriebsrat Chavdarian gehen viele Mitglieder der IG Metall mit Idealismus und Herzblut voran. Betriebsräte sowie Jugend- und Auszubildendenvertretungen bei Ford Köln, BMW Dingolfing, Mansfelder Kupfer und Messing GmbH in Hettstedt helfen konkret. Sie suchen Unterkünfte, sammeln Spenden, bieten Sprachunterricht an und organisieren Arbeitsmöglichkeiten. Die positiven Beispiele zeigen, es ist kein Hexenwerk, Flüchtlinge mit Berufserfahrung hierzulande in Arbeit und Brot zu bringen. Denn das ist nicht nur ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Auch wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen eine wichtige Rolle. Viele deutsche Unternehmen suchen heute schon händeringend nach Facharbeitern und Auszubildenden. Und viele Flüchtlinge sind hochmotiviert, hier ein neues Leben anzufangen.