Böckler Impuls Ausgabe 17/2016
Arbeiterkinder oft unter Wert beschäftigt
Als Physiker Pakete auszuliefern ist in der Regel eher unerfreulich: Wer unter seinem Qualifikationsniveau arbeitet, ist Studien zufolge im Schnitt weniger zufrieden und schlechter bezahlt als Beschäftigte, deren Tätigkeit zur Ausbildung passt. Daniel Erdsiek vom ZEW in Mannheim hat herausgefunden, dass in diesem Zusammenhang der familiäre Hintergrund eine Rolle spielt: Das Risiko, zu den Überqualifizierten zu gehören, ist geringer, wenn die Eltern studiert haben.
Ein Fünftel der vom ihm Befragten hält sich für überqualifiziert. Bei den Absolventen mit mindestens einem studierten Elternteil beträgt der Anteil 16,1 Prozent, bei den "Bildungsaufsteigern", deren Eltern keinen Hochschulabschluss haben, sind es dagegen 23,5 Prozent - ein Unterschied von 7,4 Prozentpunkten.
Leistungsunterschiede erklären nur einen Teil
Zum Teil dürfte diese Differenz Erdsiek zufolge mit schulischen und akademischen Leistungen zusammenhängen, die aus den bildungsbürgerlichen Elternhaus erwachsen sind. Tatsächlich lässt sich statistisch nachweisen, dass Abschlussnoten einen Teil der Unterschiede beim Überqualifikationsrisiko erklären können. Doch auch wenn man sie herausrechnet, bleibt ein signifikanter Unterschied von 6,2 Prozentpunkten.
Wesentlich wichtiger als der Notenschnitt ist der Studie zufolge die Wahl des Studienfachs: Wer Jura oder Medizin studiert (vornehmlich Kinder aus Akademikerfamilien) ist deutlich weniger von unterwertiger Beschäftigung konfrontiert als diejenigen die Sozial- oder Kulturwissenschaften studieren. Zudem entscheidet sich der Akademikernachwuchs deutlich häufiger für eine Universität statt für eine Fachhochschule. Statistisch vermag die fachliche Ausrichtung den größten Erklärungsbeitrag zu leisten.
Ansonsten scheint sich auch "soziales Kapital" auszuwirken: Dass Bildungsaufsteiger eher über berufliche Erfahrungen vor dem Studium an einen Arbeitsplatz kommen, trägt ebenfalls zu ihrem höheren Überqualifikationsrisiko bei.
Mehr Beratung nötig
Alles können die erwähnten Faktoren allerdings nicht erklären, so der Forscher. Ein weiterer Aspekt dürfte sein, dass in Akademikerhaushalten mehr Wissen über die Funktionsweise des Arbeitsmarktes für Hochqualifizierte vorhanden ist. Darüber hinaus sei denkbar, dass Arbeitgeber Arbeiterkinder diskriminieren, indem sie Bewerber "aus gutem Hause" pauschal bevorzugen.
Um die Chancen von Absolventen ohne bildungsbürgerlichen Hintergrund auf eine angemessene Beschäftigung zu erhöhen, empfiehlt der Forscher gezielte Beratung: Da die Fächerwahl mit weitem Abstand den größten Einfluss auf das Überqualifikationsrisiko hat, sollten Abiturienten aus Familien ohne Hochschulbildung dazu ermutigt werden, auch vermeintlich elitäre Studiengänge an den traditionellen Universitäten in Erwägung zu ziehen.