Berufsbildungsgesetz
Wir brauchen eine echte Reform
Bei jeder beabsichtigten Modernisierung arbeitsweltbezogener Gesetze liegen automatisch die beim letzten Mal bzw. in der Vergangenheit nicht abgegoltenen Forderungen beider Seiten auf dem Tisch - so ist das auch dieses Mal. Für die Gewerkschaften bleibt das Recht auf Ausbildung auf der Tagesordnung bis es Wirklichkeit wird.
Je wichtiger die Weiterbildung, nicht nur für die Chancengerechtigkeit wird, umso drängender wird die Überwindung des rechtlichen Dschungels in der Weiterbildung - warum nicht im so gut funktionierenden BBiG? Das Duale Studium ist ein Fakt in den Betrieben. Es ist nur logisch, diesen Bereich auch im Sinne der Studierenden und im BBiG zu regeln.
Wenn das Duale System an mangelndem Engagement der Betriebe leidet, dann bleiben Fragen der "Motivationssteigerung" ein Thema, auch bei der Freistellung von ehrenamtlichen Prüfern. Es zählt zwar nicht immer das bessere Argument, aber man tut gut daran, solche zu haben. Mit dem großen Engagement der Gewerkschaftsjugend für diese Themen hat wohl kaum jemand in Politik und Wirtschaft gerechnet. Auch dies ist ein starkes Argument.
Noch vor wenigen Wochen berichtete die IG Metall in BBAktuell über die 'fehlende Kraft der großen Koalition für eine wirkliche Reform des Berufsbildungsgesetzes', nun schimmert einer neuer Funken Hoffnung der sich stark mit den zukünftigen Koalitionsmöglichkeiten verbindet.
Die CDU/CSU scheint keine Änderung des BBiG zu wollen, so ist es auch nicht verwunderlich, dass das CDU-geführte Bildungsministerium die Koalitionsvereinbarung zur Evaluation des BBiG erst sehr spät angegangen ist. Auch ist aus dem Ministerium derzeit nichts zu hören, was auf ein Gesetzgebungsverfahren hindeutet. Dafür hat sich die CDU zur Höheren Berufsbildung positioniert. Die Vorstellungen passen gut zur von der IG Metall unterstützten Weiterentwicklung der beruflichen Fortbildung.
Anders verhält es sich bei der SPD. Sie will einige wichtige Punkte angehen. Z.B. soll das Ehrenamt aufgewertet, der Durchstieg von einer 2- in eine 3-jährige Ausbildung verbindlicher und die Qualitätssicherung gestärkt werden. Einen ausführlichen Einblick in die aus gewerkschaftlicher Perspektive positiv zu bewertenden Konzepte der SPD findet Ihr auf der Seite #NeueChancen und rechts als Filmbeitrag.
Und auch Grüne und LINKE positioniert sich ganz aktuell.
Mit ihrem Antrag vom 09.11.2016 greift die LINKE etliche gewerkschaftliche, bildungspolitische Forderungen auf. Der Bundestag meldet dies wie Folgt: "Die Linke will das Berufsbildungsgesetz novellieren, um mehr jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen. Zudem soll eine Mindestvergütung für die Auszubildenden festgelegt werden." Weiterhin fordert die LINKE in ihrem Antrag die Bundesregierung dazu auf "einen Gesetzentwurf vorzulegen, um eine solidarische Umlagefinanzierung zu schaffen, die alle Betriebe für die Ausbildung junger Menschen in die Pflicht nimmt. Ferner tritt die Linke dafür ein, einen Rechtsanspruch auf Ausbildung im Grundgesetz zu verankern, sodass es allen jungen Menschen ermöglicht wird, eine vollqualifizierende, mindestens dreijährige Ausbildung aufzunehmen und gemeinsam mit den Ländern, Maßnahmen zu ergreifen, die die Berufsschulbildung verbessert."
Die Grünen haben nur wenige Tage vor den den LINKEN ihren Antrag am 09.11.2016 eingereicht. Sie unterstreichen, dass "ein Land, dessen Bildungssystem soziale Ungleichheit verstärkt, statt sie zu verringern, [...] zutiefst ungerecht" ist. Und weiter "um nachhaltig Bildungsgerechtigkeit in Bildungsinstitutionen zu schaffen und Barrieren abzubauen, müsse das Bildungssystem als Ganzes in den Blick genommen werden: Die Bildungsübergänge müssten besser ineinander übergreifen. Von der Kita bis zur Hochschule müssten Inklusion, Durchlässigkeit und Sprachbildung sich aufeinander beziehend als zentrale Elemente lückenlos verankert werden." Ungenannt bleibt dabei jedoch das Vorhaben, das BBiG anzugehen. Und aus gewerkschaftlicher Perspektive müssten sich die Grünen auch deutlicher für die Qualität unserer 3 bis 3,5-jährigen Ausbildung aussprechen, da in ihren Konzepten ab und an die Verlockungen der Modularisierung in der beruflichen Ausbildung herauszulesen ist.
In diesem Sinne obliegt es in Bälde den Wählerinnen und Wählern eine bildungspolitische Präverenz auszusprechen, wenn sie die neue Bundesregierung im Herbst 2017 wählen. WAP wird die aus bildungspolitischer Perspektive wichtigen Punkte weiterhin aufzeigen, um eine Orientierung zu ermöglichen.
Grundsätzlich geht es der IG Metall um Veränderungen, von denen Auszubildende und dual Studierende, ehrenamtliche Prüfer und Prüferinnen sowie die Ausbilder/innen in den Betrieben und den Berufsschulen direkt profitieren. Jugendliche brauchen eine qualitativ hochwertige Ausbildung und klare, verlässliche Bedingungen. Wir erwarten, dass die Passage "Stärkung der Ausbildungsqualität" im Koalitionsvertrag mit Leben gefüllt wird und dass sich geplante Veränderungen nicht nur auf rechtstechnische Fragen beschränken. Es geht um Qualität, Chancengerechtigkeit und Rechtssicherheit.
Aus Sicht der IG Metall gibt es erheblichen Verbesserungsbedarf, hier die wichtigsten Punkte:
- Gesetzliche Grundlage für das duale Studium: Notwendig ist Rechtssicherheit auch für dual Studierende.
- Erhöhung der Ausbildungsqualität: Notwendig sind klare, verbindliche Qualitätsstandards.
- Stärkung des Ehrenamts: Die Freistellung für ehrenamtliche Prüfer und Prüferinnen muss verbindlich geregelt werden.
- Lehr- und Lernmittelfreiheit: Die Ausbildung darf nicht an finanziellen Hürden scheitern. Für Auszubildende müssen Bücher, Fahrtkosten oder sonstige Lernmittel kostenfrei sein.
- Ausbildung garantieren: Jeder, der eine berufliche Ausbildung machen möchte, soll das auch tun können.
- Ausbildungsvergütung: Tarifliche Vergütungen sollen für alle Ausbildungsverhältnisse, inklusive schulischer und außerbetrieblicher Ausbildung, gelten.
- Stufenausbildung: Es muss einen Rechtsanspruch für Auszubildenden geben, der den Durchstieg von zweijährigen in drei- und dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufen sichert.
- Berufsschule und Betrieb: Die Berufsschulzeiten müssen vollständig auf die betriebliche Ausbildungszeit angerechnet werden, auch für volljährige Auszubildende. Die Kooperation zwischen Berufsschule und Betrieb muss besser werden.