
BB-Virtuell empfiehlt die Online-Veranstaltung des BIBB-Portals Leando am 28.05.2025 um 10:00 Uhr
KI in der Berufsbildung
"Manche Dinge, die für den Menschen
selbstverständlich sind, können
eine KI ins Wanken bringen."
Interview mit Dr. Oliver Nahm
28. März 2025
Leando: Künstlicher Intelligenz wird zugeschrieben, die Arbeitswelt nachhaltig verändern zu können. Reaktionen darauf reichen von schierer Begeisterung bis zu blanker Angst. Mit welcher Emotion sollte man am besten auf ChatGPT und Co. blicken?
Nahm: Ich denke, dass Neugier ein sehr guter Ansatz ist - gepaart mit einem kritischen Geist. Bill Gates hat einmal zu Künstlicher Intelligenz gesagt, dass sie das Potenzial habe, die Welt auf eine Weise zu verändern, die wir uns heute nicht einmal vorstellen können. Gates glaubt, dass sie die Kraft besitzt, Produkte und Dienstleistungen zu erschaffen, die unser Leben einfacher, produktiver und kreativer machen. Außerdem könne sie dazu beitragen, einige der größten Herausforderungen der Menschheit zu lösen - wie Klimawandel, Krankheit und Armut. Soweit die positive Sicht auf KI.
Und was sagen kritischere Stimmen?
Der amerikanische Journalist Ed Zitron hat KI als ein "Produkt für schlaue Schwachköpfe" bezeichnet. Es werde an Leute verkauft, die sich nicht für Wissen interessieren und sei gleichzeitig ein Produkt, das von Leuten verkauft werde, die klug klingen wollen ohne klug zu sein. Man sieht also: Große Unterschiede in der Bewertung von KI sind nach wie vor sehr präsent. Und ich denke auch, dass es aktuell niemanden gibt, der einem wirklich sagen kann, wie sich die Welt durch KI verändern wird. Dass sie sich durch diese Technologie verändern wird, steht allerdings außer Frage.
Für welche Bereiche könnte dies ganz besonders gelten?
Das Interessante an generativer KI ist, dass sie kein Werkzeug für eine spezielle Sache ist. Sie kann im Grunde alles und nichts. Man ist manchmal sehr begeistert von den Ergebnissen und manchmal sehr enttäuscht. Aber grundsätzlich gibt es immens viele Situationen, in denen KI eingesetzt werden kann.
Auch im Ausbildungs- und Prüfungsalltag?
Absolut. Eines meiner liebsten Anwendungsbeispiele im Ausbildungskontext ist die Erstellung von Rollenspielen durch KI. Hier kann man etwa schwierige Kundengespräche simulieren - eine wertvolle Übung für Auszubildende. Die Erstellung von Prüfungsaufgaben ist durch KI ebenfalls möglich. Diese kann man bis zu einem gewissen Grad auch korrigieren lassen. Wobei man am Ende immer darauf achten muss, dass am Schluss der Mensch derjenige ist, der zu einem abschließenden Urteil kommt.
Können auch Ausbildungspläne mit KI erstellt werden?
Sobald es um die Arbeit mit Texten geht, ist KI eine sinnvolle Sache. KI kann Texte umschreiben, übersetzen, zusammenfassen und viel mehr. Aus einem Text können auch Aufgaben generiert werden. Und natürlich gehört auch das Erstellen von Ausbildungsplänen zu diesen Möglichkeiten. Man muss sich hier allerdings einer Sache bewusst sein: Manche Dinge, die für den Menschen selbstverständlich sind, können eine KI ins Wanken bringen.
Zum Beispiel?
Ich denke hierbei insbesondere an die Frage: Wie viel Zeit nimmt eine Aufgabe in Anspruch? An solchen Stellen sollte man das Ergebnis einer KI immer nachjustieren. Aber einen ersten Aufschlag, der einem das Leben leichter macht, kann KI auch im Fall von Ausbildungsplänen erstellen.
"KI kann nicht Sinn und Intention in diese Welt bringen. Das sind Fähigkeiten, die uns Menschen vorbehalten sind."
Dr. Oliver Nahm
Welches Handwerkszeug muss man beherrschen, um aus KI den größtmöglichen Nutzen ziehen zu können?
Eine wichtige Kompetenz ist natürlich das "Prompting", also das zielführende Erteilen von Anweisungen an eine generative KI. Hier spielt insbesondere die Verwendung von Beispielen eine große Rolle, um der KI zu vermitteln, wie sie ihre Aufgabe zu erledigen hat. Daneben gehört das Wissen um die Schwächen von KI zum Rüstzeug. Wenn man damit ausgestattet ist, wird man eine sehr produktive Zusammenarbeit mit KI haben.
Was sind denn Schwächen von KI?
Das sind zum einen die bereits angesprochenen Halluzinationen oder die Tatsache, dass KI nicht frei von "Vorurteilen" ist. Daneben gilt: KI kann nicht Sinn und Intention in diese Welt bringen. Das sind Fähigkeiten, die uns Menschen vorbehalten sind. Dessen müssen wir uns stets bewusst sein, wenn wir KI verantwortungsvoll und sinnvoll einsetzen möchten.
Im Februar 2025 ist der EU AI Act in Kraft getreten. Was ändert sich dadurch im Umgang mit KI?
Es gibt jetzt diese Anforderung, dass Personen, die KI im Arbeitskontext nutzen möchten, für den Einsatz mit dieser Technologie geschult sein müssen. Allerdings ist dieser KI-Kompetenznachweis noch nicht genau definiert. Ansonsten bewegen wir uns im Bildungsbereich nach EU AI Act schnell im sogenannten Hochrisiko-Bereich. Das bedeutet nicht, dass der Einsatz von vornherein abzulehnen ist, sondern nur, dass hohe Anforderungen gelten. Das hat vor allem die Konsequenz, dass man darauf achten muss, dass man die KI nicht abschließende Entscheidungen über die Leistungen von Azubis treffen lässt. Gerade bei Prüfungen darf der Mensch diese Verantwortung nicht abgeben.
Wie sollte man als Ausbilder/-in die eigenen Azubis an das Thema KI heranführen?
Die Wahrheit ist natürlich, dass KI von Azubis genutzt wird. Da muss man sich keine Illusionen machen. Sich aus diesem Thema rauszuhalten geht also nicht mehr. Junge Menschen haben diese Technologie für sich entdeckt. Das Problem ist, dass oftmals ein recht unreflektierter Umgang mit KI stattfindet. Es ist halt sehr überzeugend, wenn auf Knopfdruck Riesentexte erstellt werden. Da wird nicht mehr viel hinterfragt.
"Aus meiner Sicht ist wichtig, dass die Ausbilderinnen und Ausbilder selbst KI in ihren Alltag integrieren, damit sie auch ein organisches Verständnis von dieser Technologie haben"
Dr. Oliver Nahm
Wie kann man für mehr Reflektion sorgen?
Gemeinsames Erkunden ist ein attraktiver Ansatz. Aus meiner Sicht ist wichtig, dass die Ausbilderinnen und Ausbilder selbst KI in ihren Alltag integrieren, damit sie auch ein organisches Verständnis von dieser Technologie haben - und ihren Azubis auf Augenhöhe gegenübertreten können. Dann sollten Azubis vor allem über Fallstricke im Umgang mit KI aufgeklärt werden und man sollte mit ihnen klären, welche Kompetenzen trotz KI erhaltenswert sind. Denn natürlich ist die Versuchung groß, sich per Mausklick Texte erstellen zu lassen. Aber wenn ich gar nicht mehr über diese Texte nachdenke, erlange ich auch nicht die Fähigkeit, auf einem bestimmten Gebiet besser zu werden.
Funktionieren eigentlich alle Sprachmodelle gleich?
ChatGPT ist beinahe ein Synonym für KI geworden. Alternativen wir Claude oder Gemini sind in vielen Bereichen sehr vergleichbar, wenngleich sie unterschiedliche Schwerpunkte haben. Es lohnt sich auch, ein und denselben Prompt mit verschiedenen Sprachmodellen auszuprobieren und selbst einzuschätzen, welche KI am besten zu einem passt. An sich sind aber alle großen "Foundation-Modelle" für die Anforderungen von Ausbildungspersonal geeignet. Bei Bildgenerierungs-KI's sind die Unterschiede größer.
Und wie gut sind kostenlose Technologien im Vergleich zu Lizenz-Modellen?
Leider sind die Bezahlmodelle in der Regel schon zwei bis drei Schritte weiter als die kostenlosen Varianten. Auf der anderen Seite geben sich die Anbieter zunehmend Mühe, auch hier immer mehr Funktionen zu integrieren. Deshalb reichen die kostenlosen Varianten für ein erstes Herantreten an das Thema KI absolut aus.
Wo können Ausbilder/-innen und Prüfer/-innen weitere Beispiele und Tipps im Umgang mit KI bekommen?
In der Leando-Lernwelt haben wir einen eigenen Lernpfad für das Thema KI veröffentlicht. Dort werden Grundlagen vermittelt und die Technik des Prompten ausführlich erläutert - anhand anschaulicher Beispiele. Wir arbeiten gerade auch an einem Lernpfad zum EU AI Act, der in Kürze in der die wichtigsten Informationen zum Thema enthalten wird. Gerade wenn man als kleines Unternehmen wenig Ressourcen für Schulungen hat, findet man hier eine gute Möglichkeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Thema fit zu machen. Zu diesen Lernwelt-Inhalten bieten wir auch regelmäßig Webinare an. Das nächste findet im Mai statt.