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Bester Auszubildender in der Gießereimechanik

Mit Leichtigkeit: tonnenschwere Güsse

05.05.2025 Ι Er wollte etwas mit Kopf und Hand machen - und anspruchsvoll sollte es sein. Sajad hat seine Ausbildung als bester Gießereimechaniker abgeschlossen. Doch viel mehr als das Prestige reizt ihn etwas ganz anderes.

Von Jacqueline Sternheimer

 

Seyed Sajad Mortazavian tippt zwei Wörter in die Suchmaschine: »Gießerei NRW«. Die Wörter sind auf Deutsch, die Schrift lateinisch, er aber sitzt in Maschhad im Iran an seinem Laptop. Es ist das Jahr 2018 und Sajad lernt bereits intensiv Deutsch, mehrere Stunden am Tag. Denn er hat ein Ziel. Die Websites der Gießereien lässt er sich trotzdem lieber im Internet übersetzen - sicher ist sicher.

 

Im Jahr 2018 ist Sajad 28 Jahre alt und bereits studierter Metallurge. Sein Ziel: Deutschland. Aber er weiß, dass ihm sein Studium dort, wo seine Frau bereits lebt, wo er mit ihr leben will, nicht anerkannt wird. Bis er als ausgelernter Gießereimechaniker arbeiten wird, wird es noch sechs Jahre dauern. Aber zielstrebiger und geradliniger hätte man diesen langen Weg nicht gehen können. Seine Ausbildung wird er nicht nur in verkürzter Zeit beenden. Er wird sie als bester Gießereimechaniker Deutschlands abschließen.

 

Jetzt steht Sajad in einer großen Halle der Gießerei Siempelkamp in Krefeld, Nordrhein-Westfalen. Vor ihm liegt ein schwarzes Quarzsandgemisch. Neben ihm steht die Gussform für einen Dieselmotor, der ein Kreuzfahrtschiff antreiben wird - 30 Tonnen schwer. Sajad hat an diesem Monstrum gearbeitet. Eine Woche hat es gedauert, die Form zu bauen - das ist Sajads Handwerk. Der Guss selbst wird nur zwei Minuten dauern. Dann muss das Gussteil zwei Wochen unter dem Sand auskühlen, bevor es in der Putzerei den letzten Feinschliff bekommt. »Das ist schon die Königsklasse, ein solches Gussteil herzustellen«, weiß Sajads Ausbildungsleiter Eugen Müller.

 

Genau da wollte Sajad hin nach seiner Ausbildung: in die Königsklasse. Nicht weil ihm das Prestige wichtig ist, sondern weil er es anspruchsvoll mag. Für die Gießerei hat er sich interessiert, weil er unbedingt etwas mit Kopf und Hand machen wollte. Im Iran musste er nach dem Studium zwei Jahre zum Militär. Danach hat er als IT-Spezialist gearbeitet, aber die Nähe zur Metallurgie hat ihm gefehlt. Er begann, Deutsch zu lernen, nach potenziellen Arbeitgebern zu googeln. 2019 dann der Umzug nach Deutschland. Endlich zu seiner Frau, möglich gemacht durch die Familienzusammenführung.

 

Hundebetreuung geht vor

Bevor er die Bewerbung an Siempelkamp geschrieben hat, hat er acht Stunden am Tag Deutsch gelernt und nebenbei gejobbt. »Sajads Bewerbung war eine Überraschung für uns. Zum einen sein Alter, weil er viel älter war als unsere meisten Bewerber, und dann war sie auch sprachlich nicht perfekt«, sagt Eugen Müller, sein Ausbildungsleiter. Aber seine Expertise, die ließ das Unternehmen anbeißen.

 

Siempelkamp tut viel, um neue Auszubildende zu finden. Auch hier fehlen zukünftige Facharbeiter. Das Gießereihandwerk wirkt in der digitalen Welt vielleicht etwas aus der Zeit gefallen. Außerdem geht es vielen Gießereien wirtschaftlich schlecht. Obwohl die Auftragsbücher bei Siempelkamp voll sind, haben auch sie Probleme, Nachwuchs zu finden. Sajad allerdings, der es anspruchsvoll mag, ist das Unternehmen sofort aufgefallen: »Ich habe gelesen, dass es Weltrekorde hält. Das hat mich interessiert.« Siempelkamp ist die größte Handformgießerei der Welt - Weltrekordkomponenten bis 320 Tonnen Stückgewicht aus Gusseisen mit Kugelgrafit wurden hier schon gegossen. Ihre Teile werden in Pressen eingesetzt, die dann wiederum Auto- und Flugzeugteile pressen, aber auch Handyhüllen oder Möbel. Sogar Castoren für radioaktiven Müll werden hier gegossen.

 

Während Sajad gerade die fertige Gussform des 30 Tonnen schweren Dieselmotors kontrolliert, kommt sein Vorarbeiter Dennis vorbei. »Hallo, Dennis«, ruft Sajad hoch. Der Umgang hier unter den Kumpeln ist locker und kollegial. Das gefällt Sajad gut. Und auch er kommt hier gut an. Was Sajad am besten beschreibt? Sein Vorarbeiter legt direkt los: »Wenn man ihn gefragt hat, ob er länger arbeiten kann, hat er gesagt: >Dienstags und donnerstags nicht. Ansonsten gern.< An den beiden Tagen hat er nämlich Hundedienst. Fand ich süß. Ansonsten ist er immer für die Firma da.«

 

Ein Vorbild für viele

Loki heißt der große Golden Retriever, der mit seiner langen goldbraunen Mähne seinem Namen alle Ehre macht. Er guckt einen mit großen Hundeaugen an, wenn Sajads Handybildschirm aufleuchtet. Denn Loki ist der Bildschirmschoner und er ist Sajads große Leidenschaft. Das zeigt sich, wenn er seine Hobbys aufzählt: Loki und Wandern mit seiner Frau und Loki. »Mein Hund ist furchtbar anstrengend«, verrät Sajad und lacht, »aber er ist wie ein Sohn für mich.«

 

Anstrengend beschreibt Sajad auch seinen Beruf. Das hat ihn nie abgeschreckt. Aber beinahe davon abgehalten, die Ausbildung zu beginnen, hat ihn die befürchtete Unterforderung: Nach einem Einstellungstest, der das mathematische und technische Verständnis sowie das räumliche Denken abfragt, bietet Siempelkamp eine Praktikumswoche an, bei der Bewerber und Unternehmen sich kennenlernen können. »Die ersten zwei Tage musste ich danebenstehen und zuschauen. Das war langweilig. Ich habe gedacht, das ist nichts für mich.« Sajads Ausbildungsleiter hört zu und schmunzelt. Sajad nimmt kein Blatt vor den Mund, das kennt er bereits. »Wir haben ihn dann an die kniffeligen Teile gelassen.« Sajad beschreibt es, wie mit Lego zu spielen, wenn man plötzlich an die schweren Gussformen ran darf, die bis auf den Millimeter genau sein müssen - wie Legosteine, damit sie passen. Auch der Schiffsmotor, an dem Sajad gerade baut, wird nach solch einem Baukastenprinzip gefertigt. »Das können 40 bis 50 Teile sein, die auf Grundlage einer Zeichnung zusammengesetzt werden. Dann immer wieder messen und so genau wie möglich arbeiten, sodass nach dem Gießen alles stimmt«, sagt Ausbildungsleiter Eugen Müller.

 

Dass Sajad besonders gut ist, hat sich schon im Praktikum gezeigt - »am ersten Tag«, sagt der 34-jährige Sajad selbstbewusst. »Sajad ist hier zum Vorbild für andere Auszubildende geworden«, sagt Müller. »Die sagen jetzt auch: >Ich will bester Auszubildender in der Gießereimechanik werden< oder >Ich will nach der Ausbildung in die Abteilung, in der Sajad arbeitet.< Das spornt sie an.«

 

So ganz versteht Sajad den Rummel um seine Person und die Auszeichnung als bester Gießereimechaniker nicht: »Das ist doch normal, dass man sein Bestes gibt«, sagt er. »Viel wichtiger als der Titel war Sajad, dass er nach der Ausbildung übernommen wurde. Darüber hat er sich viel mehr gefreut«, sagt sein Ausbilder.

 

Und da Sajad es anspruchsvoll mag, steht der nächste Schritt des frisch Ausgelernten schon an: »Sajad will den Meister machen«, sagt Thomas Dittmann, Betriebsratsvorsitzender der Gießerei Siempelkamp. Auch er hat Sajads Weg genau verfolgt und ist stolz auf den erfolgreichen Kollegen. Was Seyed Sajad Mortazavian noch alles erreichen wird? Das wird sich zeigen. Auf die Frage, wie er das alles geschafft hat, antwortet der Gewerkschafter bescheiden: »Die Kollegen haben mir sehr viel geholfen.«

Quelle: metallzeitung Mai/Juni 2025 (S. 28 f)

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