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40 Jahre Kooperation zwischen Ruhr-Universität und IG Metall

Ruhr-Universität Bochum und IG Metall - Eine Kooperation im Wandel

13.07.2015 Ι Seit 40 Jahren arbeitet die RUB eng mit der IG Metall zusammen. Das Jubiläum wurde am 10. Juli mit Vertretern aus Politik, Gewerkschaft, Wirtschaft und Wissenschaft gefeiert. Zu diesem Ereignis veröffentlicht wap eine Pressemitteilung der Ruhr-Universität und macht nochmals auf das Interview mit dem Leiter der Einrichtung, Prof. Dr. Manfred Wannöffel aufmerksam. In diesem Interview geht Manfred Wannöffel auf den Bedeutungswandel der Kooperation zwischen Ruhr-Universität und IG Metall ein. Zum 40. Jubiläum ist auch ein Sammelband erschienen.

(A) Auszug aus der Pressemitteilung der Ruhr-Universität:

 

Seit 40 Jahren arbeitet die RUB eng mit der IG Metall zusammen. Das Jubiläum wurde am 10. Juli mit Vertretern aus Politik, Gewerkschaft, Wirtschaft und Wissenschaft gefeiert.

 

NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze, der Erste Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel, und RUB-Rektor Prof. Elmar Weiler würdigten in ihren Grußworten eine der ältesten Kooperationen zwischen einer Hochschule und einer Gewerkschaft in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands.

 

Svenja Schulze lobte die Gemeinsame Arbeitsstelle RUB/IGM mit ihrem transdisziplinären

Ansatz als "sehr erfolgreich", um Wissen aus der Praxis mit Erkenntnissen der Wissenschaft zu verknüpfen und dabei den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. NRW brauche mehr solcher Verbünde und Projekte, zum Beispiel in Form der kürzlich gegründeten Allianz Wirtschaft und Arbeit 4.0 des Landes. "Sie machen in Bochum seit Jahrzehnten vor, wie es funktioniert", so die Ministerin.

 

"40 Jahre Zusammenarbeit sind auch aus Sicht der IG Metall ein großer Erfolg", resümierte Detlef Wetzel. Der Gewerkschaftsvorsitzende und Rektor Elmar Weiler betonten jeweils die wertvolle Brückenfunktion der Arbeitsstelle für die Region. Heute wie damals stelle sich die RUB ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, sagte Prof. Weiler mit Blick auf die Kooperation, da sie aktuell einen wesentlichen Beitrag zum neuen Konzept der World Factory leiste (Stichwort: Nutzung der Opel-Flächen).

 

Unter dem Motto "Mitbestimmung und Beteiligung in Wirtschaft und Gesellschaft" gab es eine anschließende Podiumsdiskussion. Studierende der RUB aus unterschiedlichen Fächern richteten konkrete Fragen an Politiker, Gewerkschafter bzw. Betriebsräte und Wissenschaftler.

 

Den Fragen stellten sich Anette Kramme, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Roland Matzdorf aus dem NRW-Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall, Uwe Fritsch, Betriebsratsvorsitzender bei Volkswagen Braunschweig, sowie der Bochumer Sozialwissenschaftler Prof. Ludger Pries (Soziologie / Organisation, Migration, Mitbestimmung).

 

Siehe: http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/meldung/2015/07/meld02819.html.de

 

(B) Interview mit Prof. Dr. Manfred Wannöffel:

 

WAP: Wie lange gibt es denn schon den Kooperationsvertrag und die Gemeinsame Arbeitsstelle?

 

Neben den ersten Verträgen zwischen der Arbeiterkammer und der Universität Bremen (1971) und zwischen der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, dem DGB Niedersachen und der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben aus dem Jahr 1974 markiert der Kooperationsvertrag zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der IG Metall die Anfänge einer institutionalisierten Beziehung zwischen Universitäten und Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland. Der Vertrag zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der IG Metall vom 9. Juli 1975 gehört damit zu den ältesten Vereinbarungen zwischen einer Experten- und einer Interessenorganisationen aus Wissenschaft und Arbeitswelt. Auf dieser Vertragsgrundlage wurde im Jahr 1979 die Gemeinsame Arbeitsstelle RUB/IGM als zentrale Einrichtung der Ruhr-Universität Bochum mit Mitteln des Wissenschaftsministeriums des Landes NRW ins Leben gerufen.

 


WAP: Wurde die Zielsetzung des Kooperationsvertrages in den letzten 40 Jahren erreicht?

 

Die Kooperationspraxis zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der IG Metall hat sich in den letzten 40 Jahren als ein komplexer Transformationsprozess von Wissen unter den Rahmenbedingungen eines tiefen Formwandels des deutschen Universitätssystems dargestellt. Die Institutionalisierung der Kooperationsbeziehungen in Forschung und Lehre der Ruhr-Universität Bochum begann vor über vier Dekaden mit der Zusammenarbeit zwischen aufgeschlossenen Einzelpersonen aus beiden Organisationen und der Durchführung von Einzelveranstaltungen.

 

Über die personalen Kontakte hinaus und durch eine strukturierte Kooperation zwischen Vertretern aus Wissenschaft und Arbeitswelt haben sich vier aufeinander bezogene Handlungsfelder herausgebildet.

 

Diese sind
 

  • die Durchführung von transdisziplinären Forschungskooperationen
  • die Transformation ausgewählter Forschungsergebnisse in die soziale und betriebliche Praxis
  • die Umsetzung dieser Ergebnisse für die wissenschaftliche Weiterbildung für Betriebsräte und Gewerkschafter und 
  • Inter- und transdisziplinäre Lehrangebote mit arbeitsweltlichen Themenschwerpunkten.

 

Durch diese Handlungsfelder entwickelten die Kooperationspartner ein tragfähiges Fundament  - so heißt es in unserem Leitbild - zum beiderseitigen Nutzen für die beteiligten Organisationen. Gerade dieser kontinuierliche, beiderseitige Nutzen ist fundamental für die Legitimation und Weiterentwicklung der Kooperationsbeziehungen.

 

Im Feld der arbeitsweltbezogenen Forschung und Entwicklung entwickelte die Kooperation das Alleinstellungsmerkmal einer anwendungsorientierten, praktischen Sozialwissenschaft gegenüber Lehrstühlen, Forschungsinstituten, gewerkschaftsnahen Beratungseinrichten. Gewerkschaften und Betriebsräten . Diese praktische Sozialwissenschaft ist durch einen wechselseitigen Dialog zwischen Vertreten der Wissenschaft und den Gewerkschaften auf Augenhöhe durch Respekt vor unterschiedlichen Wissensbeständen gekennzeichnet und bearbeitet auf diese Weise das vielschichtige Legitimationsproblem gegenüber den verschiedenen Kooperationspartnern.

 

Schließlich war und ist es diese konsequente Kombination aus wissenschaftlichen Erkenntnisinteressen und gesellschaftlichem Praxisbezug, die in der strukturierten Kooperation zwischen Universität und Gewerkschaft, in Form praktischer sozialwissenschaftlicher Arbeit, realisiert wird, die das Besondere dieses Kooperationsvertrages kennzeichnet.

 

Und mit dieser Besonderheit wurde eine wichtige Zielsetzung verwirklicht, die der damalige Vorsitzende der IG Metall, Eugen Loderer, bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages mit der Ruhr-Universität Bochum im Jahr 1975 in folgende Worte fasste:

 

"Wissenschaftliches Forschen und sozialpolitische Praxis sind durch den Kooperationsvertrag in ein neues Verhältnis getreten".

 

Ich komme zu folgender Einschätzung:

 

Auch wenn die Praxis der Gemeinsamen Arbeitsstelle sich heute nicht mehr buchstabengetreu an die Formulierungen des Kooperationsvertrages hält, unter dem Strich war und ist die Zusammenarbeit zwischen IG Metall und Ruhr-Universität eine Erfolgsgeschichte. Es wird eine wichtige Aufgabe für IG Metall und Ruhr-Universität, diese Zusammenarbeit auch in die Zukunft zu tragen.


wap: Worin lagen und liegen die größten Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Arbeitswelt?

 

Ich will hier nicht auf einzelne Themen eingehen, sondern auf die zentrale Herausforderung in der Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Wissenschaft. Aus dieser Herausforderung leite ich die Berechtigung einer strukturierten Kooperation zwischen beiden Institutionen ab.

 

Die zentrale Herausforderung liegt darin, dass die Inhalte und die Methoden der Wissenschaft von der sozialen Praxis der betrieblichen und gewerkschaftlichen Akteure oftmals entkoppelt sind und die wissenschaftlichen Erkenntnisse von "außen" und "oben" auf die spezifischen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in den Betrieben und Unternehmen stoßen.

 

Forschung und Lehre sind in einer Universität nach Fächern geordnet. Die Praxis verlangt oft interdisziplinär entwickelte Antworten. Wissenschaft findet in einem längeren Zeitraum statt, Betriebe brauchen oft schnelle Lösungen.

 

In den klassisch-disziplinären Forschungsprojekten mangelte es zudem oftmals an einer gesicherten Selbstbeteiligung und an einer verantwortlichen Mitgestaltung des Forschungsprozesses durch die Beschäftigten, Betriebsräte und Managementvertreter auf der Ebene von Betrieb und Unternehmen.

 

Wenngleich gerade diese Außenposition der Wissenschaft die arbeitspolitischen Wirkungen in Betrieben und Unternehmen maßgeblich einschränkte, unterstreicht  sie  gleichsam den Anspruch der Wissenschaft auf Unabhängigkeit ihrer Forschung und der Erkenntnisse von den jeweiligen gesellschaftlichen Verwertungszusammenhängen und den unterschiedlichen Interessenlage.

 

Zwischen den fachlichen Erkenntnisinteressen und den Anforderungen der Praxis liegt oft ein Spannungsverhältnis. Die Kooperation zwischen Wissenschaft und Arbeitswelt hat dieses strukturelle Spannungsverhältnis zwischen Erkenntnis und politischem Interesse dauerhaft zu berücksichtigen und spezifische Kooperationsformen zu entwickeln, die diese Spannungsproblematik kontinuierlich bearbeiten.

 

Denn es wäre eine falsch verstandene Solidarität gegenüber gewerkschaftlichen Partnern, wenn sich Wissenschaftler im Zuge der Kooperation die Interessenperspektive der Gewerkschaften zu Eigen machten. Der damit einhergehende Verlust von Unabhängigkeit würde die Forscher einerseits zum bloßen Sprachrohr der Gewerkschaften machen, andererseits würde dies auch für die gewerkschaftspolitische Praxis hinderlich sein, da schließlich die Gewerkschaften in der Kooperation mit der Wissenschaft und im Rahmen gemeinsamer Projekte darauf abziele ihre interessengeleiteten Positionen wissenschaftlich zu fundieren. Entsprechend kann bei der strukturierten Kooperation zwischen Wissenschaft und Arbeitswelt niemals der Anspruch auf Unabhängigkeit, Neutralität und Transparenz wissenschaftlicher Arbeit zur Disposition stehen.

 


wap: Welche Zukunftsfelder ergeben sich aus dem Kooperationsvertrag zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der IG Metall?

 


Die Zukunftsfelder der Kooperation ergeben sich aus den vielschichtigen Themenbereichen wie der Digitalisierung und Globalisierung von Arbeit und Wirtschaft.

 

Zweifellos ist die Kooperation an der RUB stark eingebunden in die Konzeptentwicklung einer zukunftsweisen Industriepolitik für das Ruhrgebiet und speziell für die Region um Bochum, die in den letzten Jahren die Schließung von Nokia und Opel mit dem Verlust von mehreren Zehntausend Arbeitsplätzen verkraften musste.

 

Dank des Kooperationsvertrages ist die Ruhr-Universität Bochum - als mittlerweile größter Arbeitgeber der Region - in vielfältige industriepolitische Initiativen eingebunden.

 

Mittelpunkt steht dabei die Weiterentwicklung einer seit 2009 an der RUB bestehenden Lernfabrik. Hier werden Konzepte sowohl einer integrativen akademischen und dualen Berufsausbildung entwickelt als auch Betriebsräte der IG Metall im Rahmen des ARIBERA-Projektes zu Innovationspromotoren ausgebildet. In Zukunft  sollen sich um die Lernfabrik auch Industrieunternehmen auf der freien Opel-Fläche ansiedeln, um die regionale Krise der industriellen Produktion zu bekämpfen.

 

Hier spielt der Kooperationsvertrag zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der IG Metall aktuell, aber sicherlich auch n den nächsten 40 Jahren eine herausragende Rolle.

 

wap: Vielen Dank

 

(C) Hinweise:

 

1. aktuellen Einblick in die Arbeit der Gemeinsamen Arbeitsstelle erhält man über http://rubigm.ruhr-uni-bochum.de/. Die Gemeinsame Arbeitsstelle bringt auch einen Newsletter heraus, den man über diese Adresse bestellen kann.

 

2. der anlässlich des Jubiläums herausgegebene Sammelband wird bei Edition Sigma erscheinen: 

http://www.edition-sigma.de/detailshow.php?ISBN=978-3-8487-2478-9

 

3. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Kooperationsstellen hat ebenfalls eine gemeinsame Seite: http://www.kooperationsstellen.de/


 

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