IG Metall
„WAP” das Berufsbildungsportal
WAP - Springe direkt:
Inhalt
     
Unbenannt(19)

Berufsbildung Kaufleute: | Prüfung

Berufliche Handlungskompetenz zeigt sich in der Praxis

25.03.2012 Ι Wie kann in kaufmännischen Abschlussprüfungen die berufliche Handlungskompetenz der Prüflinge festgestellt werden, das ist die zentrale Frage in jeder Prüfung. Der Infodienst Berufsbildung Kaufleute hat sich zu den Erfahrungen mit der Prüfung im Einsatzgebiet bei den Industriekaufleuten umgehört und kann positives vermelden.

Das Konzept ist gut geeignet die berufliche Handlungskompetenz festzustellen. So sehen es zumindest die Interviewten aus der Praxis.

 

Die "Verordnung über die Berufsausbildung zum Industriekaufmann/zur Industriekauffrau" sieht vor, dass die Fertigkeiten und Kenntnisse funktions- und prozessbezogen vermittelt werden. In einem Einsatzgebiet soll die berufliche Handlungskompetenz durch Fertigkeiten und Kenntnisse erweitert werden, die im jeweiligen Geschäftsprozess zur ganzheitlichen Durchführung komplexer Aufgaben befähigen. Die Ausübung einer qualifizierten, an Geschäftsprozessen ausgerichteten kaufmännischen Berufstätigkeit schließt selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren ein. Diese Befähigung in der Prüfung nachzuweisen, ist nicht einfach. Damit dies gelingt, bietet es sich an, das berufliche Handeln in der kaufmännischen Praxis zum Gegenstand zu machen.

In dieser Hinsicht ist die Abschlussprüfung der Industriekaufleute sehr fortschrittlich, denn der Prüfungsbereich Fachaufgabe im Einsatzgebiet orientiert sich an konkreten Sachaufgaben bzw. Projekten des betrieblichen Alltags. Sie ist neben den schriftlichen Prüfungsbereichen Geschäftsprozesse, Kaufmännische Steuerung und Kontrolle sowie Wirtschafts- und Sozialkunde besonders geeignet, Handlungskompetenz nachzuweisen.

 

Das Prüfungsmodell stellt allerdings besondere Anforderungen an die Akteure. Auszubildende müssen ihr berufliches Handeln darstellen und begründen können. Ausbildungsverantwortliche müssen die eigenverantwortliche und ganzheitliche Bearbeitung von Aufgaben ermöglichen und begleiten. Besondere Anforderungen kommen auch auf die Prüferinnen und Prüfer zu. Sie müssen sich mit der jeweiligen Fachaufgabe auseinandersetzen und einen Fachdialog vorbereiten und mit dem Auszubildenden in der Prüfung führen. Gegenüber früheren mündlichen Prüfungen, soll hier nicht von der Fachaufgabe losgelöst Wissen abgefragt werden.

 

Meinungen aus der Praxis:

Die Ausbildungsleiterin

 

Monika Bergmann ist Leiterin der kaufmännischen Berufsbildung bei der SMS Siemag AG in Düsseldorf und Hilchenbach. Sie sorgt dafür, dass die Industriekaufleute eine selbstständige Fachaufgabe für ihre Prüfung bearbeiten können und gibt die notwendige Unterstützung.

 

 

 

 

Welche Vor- und Nachteile hat das Prüfungsmodell für den Ausbildungsbetrieb?

Einen großen Vorteil sehe ich darin, dass sich die Prüfung an der Praxis im Ausbildungsbetrieb orientiert und es dadurch eine echte "praktische Prüfung" ist. Es ist kein Abfragen von Schulwissen, so wie es früher der Fall war - und das ist gut so. Allerdings ist der Betreuungsaufwand in Bezug auf die Prüfungsvorbereitung größer geworden.

 

Ist es schwierig, passende Fachaufgaben bzw. Projekte für die Prüfung der Auszubildenden zu finden?

Am Anfang war ich eher skeptisch, aber es hat sich gut eingespielt. Jetzt überlegen die Auszubildenden und nebenamtlichen Ausbilder schon frühzeitig, welche Fachaufgaben infrage kommen könnten - so kommen gute Vorschläge aus den Ausbildungsbereichen.

 

 Benötigen die Auszubildenden ein besonderes Coaching?

 Da die nebenamtlichen Ausbilder die Fachaufgabe von der fachlichen Seite begleiten, muss ich den Fortschritt der Bearbeitung im Blick haben. Der Report muss vor der Abgabe von dem Betreuer im Fachbereich und von mir gelesen und korrigiert werden. Außerdem führen wir vor der Prüfung mit den Auszubildenden "Probepräsentationen" durch.

 

Wird die Arbeit der Auszubildenden im Betrieb verwertet?

Bei uns werden immer echte Aufgaben herangezogen. Dies hat den Vorteil, dass die Auszubildenden sich mit der Aufgabe identifizieren können und die nebenamtlichen Ausbilder auch einen Nutzen haben.

 

Der Prüfer

Reinhard Manke prüft seit 1995 Industriekaufleute in Salzgitter. Als ehemaliger Ausbildungsleiter und als Aufgabenersteller hat er sich immer für eine praxisnahe und handlungsorientierte Prüfungsgestaltung eingesetzt und sie maßgeblich mitgestaltet.

 

Welche Vorteile hat die Prüfung im Bereich Einsatzgebiet?

Dieses Prüfungsmodell ist für den Prüfling positiv, denn es werden seine Leistungsstärken in den Vordergrund gestellt. So wird nicht nur Wissen abgefragt, sondern es werden alle fachübergreifenden Kompetenzen im Gesamtbild des Prüfungsergebnisses berücksichtigt.

 

Welche Schwierigkeiten ergeben sich durch dieses Prüfungsmodell für den Prüfer?

 Der Prüfer muss sich flexibel, situationsgerecht, d. h. praxisorientiert auf den Prüfling einstellen. Das erfordert für viele ein Umdenken und ist nicht immer leicht. Während des Fachgesprächs muss er in der Lage sein zu hinterfragen und mit dem Prüfling über seine Aufgabenbearbeitung möglicherweise diskutieren können.

 

Ist der Prüfungsaufwand größer als bei früheren Prüfungen?

Nein, ganz im Gegenteil. Der Aufwand ist geringer, denn durch den Report braucht man kein starres Fragekonzept vorzuhalten.

 

Die Prüfungsteilnehmerin

Martina Müller hat ihre Ausbildung zur Industriekauffrau bei der Siemens AG in Düsseldorf im Januar 2012 erfolgreich beendet.

 

Wie war die Bearbeitung der Fachaufgabe im Einsatzgebiet für Sie?

Hier konnte ich meine Fachkompetenz besonders gut unter Beweis stellen. Es war mir möglich, die während meiner Ausbildung gesammelten Erfahrungen zielgerichtet einzusetzen. Die Aufgabenbearbeitung in der Abteilung wurde durch Hilfestellung und nützliche Informationen der Kollegen vor Ort sehr unterstützt.

 

Wie haben Sie die Prüfung empfunden?

Ein guter Prüfer sollte nicht nur die Theorie abfragen, sondern auch nachfragen: ''Was würde denn bei Ihnen in der Praxis/im Büro passieren?'' Genau das wurde in meinem Fachgespräch in der Prüfung gemacht und ich konnte die Fragen selbstsicher beantworten, da ich das Thema theoretisch wie praktisch anwenden kann.

 

Die Bildungsexpertin

Dr. Vera Meister lehrt an der privaten FOM-Hochschule in Berlin und beschäftigt sich mit Prozess- und Handlungsorientierung. Als langjährige Prüferin für Bürokaufleute engagiert sie sich für praxisbezogene Prüfungen.

 

Was ist unter Handlungsorientierung in Prüfungen zu verstehen?

Handlungsorientierung umfasst alle Kompetenzbereiche des beruflichen Handelns, die geprüft werden sollen. Dazu gehören neben dem Fachwissen vor allem die Fertigkeiten, berufstypische Aufgaben mit geeigneten Werkzeugen zu bearbeiten sowie mit Kollegen, Kunden und Partnern zu kommunizieren.

 

Wie sollten handlungsorientierte Fragen gestellt werden?

Handlungsorientierte Fragen ergeben sich unmittelbar aus Handlungssituationen, die dem Prüfling erlauben direkt zu handeln oder zu beschreiben, wie er handeln würde.

 

Welchen Rat geben Sie Prüfern?

Die Prüfung ist für jeden Prüfling eine besondere Situation. Muss man doch in einer unbekannten Umgebung vor unbekannten Personen in kurzer Zeit nachweisen, dass man nun nach mehreren Jahren das Ausbildungsziel erreicht hat. Prüfer haben die Aufgabe eine Situation zu schaffen, in der der Prüfling sein Leistungsniveau abrufen und darstellen kann. Das gelingt am besten, wenn er seine beruflichen Erfahrungen in die Prüfungssituation einbringen kann. Dabei sollte der Prüfer mit aufrichtigem Interesse auf die betrieblichen Gegebenheiten eingehen.

Angemeldete Benutzer können hier ein Kommentar hinterlassen

Prüfen

Links und Zusatzinformationen
Servicebereich