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Bachelor

10 Jahre Bologna

Die Reform-Ruine: Zehn Jahre Bologna Hochschulreform - es ist noch viel zu tun

14.08.2012 Ι Die größte Studienreform seit Jahrzehnten hat wichtige Ziele verfehlt, kritisiert die IG Metall den jetzt zehn Jahre andauernden Hochschulreform-Prozess. Am 15. August 2002 ging es los. Die IG Metall hat in einem "Acht-Punkte-Programm zur Behebung der dringlichsten Missstände des Bologna-Prozesses" ihre aktuellen Reformforderungen zusammengestellt. Es geht um die Abschaffung der überflüssigen Studiengebühren, das riesige Arbeitspensum, die völlig überzogene Anzahl der Prüfungen, eine sinnvolle Studiendauer und um mehr Transparenz bei den aktuell 16.465 gezählten Studienangeboten. Also: Es gibt viel zu tun im zehnten Jahr nach Bologna.

Konkret fordert die IG Metall:

 

Ü 1. Die IG Metall fordert die Abschaffung der Studiengebühren!

Studiengebühren sind unsozial und verstärken die finanziell schwierige Situation der Studierenden. Außerdem halten sie viele junge Menschen insbesondere aus einkommensschwachen Familien vom Studieren ab. Die Aussicht, das Berufsleben mit einem Schuldenberg zu beginnen ist nicht gerade attraktiv.

 

Ü 2. Herabsetzung der Workload und Sicherung von Selbstlernanteilen!

Die Arbeitsbelastung der Studierenden ist unangemessen hoch. Sie beträgt pro Jahr in Deutschland bis zu 1800 Stunden. Diese Stundenbelastung geht weit an der sozialen Realität vorbei. Die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zeigt, dass ca. 60 Prozent der Studierenden zusätzlich jobben müssen. Der Bologna-Prozess lässt weitaus mehr Spielraum zu, als ihn Hochschulen, Dozenten und Akkreditierungsagenturen nutzen. Insbesondere werden die Anteile für Selbststudium nicht ausreichend eingeräumt. Ein gutes Studium muss auch studierbar sein. Die Hoffnung,  dass durch Bologna Studenten einfacher ins Ausland gehen können um dort zu studieren, hat sich nicht wirklich erfüllt. Im Ausland müssen die Leistungen auch erst mal anerkannt werden. Das ist oft nach wie vor, trotz ECTS, schwierig. Das vermeintlich Einheitlichen europäischen Punktesystem, ECTS, die Währung zur gegenseitigen Anerkennung, ist keine echte Währung geworden. Die Punkte sagen nichts darüber aus, was jemand kann. Sie können auch das erreichte Niveau nicht vergleichen, weil dies von den Schwerpunkten der Hochschulen abhängt.


Ü 3. Die Anzahl der Prüfungen muss überprüft werden!

Die Prüfungsmenge in den neuen modularisierten Studiengängen hat die bedrückende Situation der Studierenden verstärkt. Statt die Möglichkeiten, die Bologna bietet, voll und im Interesse der Studierenden auszuschöpfen haben die Hochschulen die Verschulung und Bürokratisierung verstärkt. Zu kritisieren ist auch die Art der Prüfung: während die Studiengänge Kompetenzen ausbilden sollen, werden in den meisten Prüfungen ausschließlich Wissen abgefragt.

 

Ü 4. Ein Bachelor muss nicht in sechs Semestern studiert werden!

Eine Universität und eine (Fach)Hochschule muss mehr leisten als Faktenvermittlung, sie muss Bildung ermöglichen. Genau das tun sie mit ihren Bachelor-Bildungsgängen und mit Teil der Master-Studiengänge aber genau nicht. Bologna bietet sehr wohl die Möglichkeit Studieninhalte für einen Bachelor in sechs bis acht Semester zu vermitteln und zu lernen. In Deutschland hat die Einführung des Bachelor/Mastersystems häufig an den Universitäten dazu geführt, dass Studieninhalte aus alten Diplom und Magisterabschlüssen in einen sechssemestrigen Bachelor gepresst wurden, ohne zu prüfen, welche Inhalte nicht mehr relevant sind oder auf andere Art und Weise vermittelt werden können. Bezogen auf die Ingenieurstudiengänge stellt die IG Metall fest: ein Bachelor of Engineering muss mindestens sieben Semester aufweisen!

 

Ü 5. Gute Ausstattung = gute Lernvoraussetzungen!

An vielen Hochschulen mangelt es schlicht an der Ausstattung. Dies reicht von zu wenigen Laborplätzen über veraltete Technik bis hin zu überfüllten Hörsälen. In einigen Bundesländern haben die Wissenschaftsminister vor der Einführung der Studiengebühren die Mittel für Hochschulen drastisch gesenkt - mit den Studiengebühren ist das gar nicht zu bewerkstelligen, was an Infrastruktur an deutschen Hochschulen fehlt.

 

Ü 6. Die IG Metall fordert eine gute Qualität der Lehre!

Die neuen Studiengänge müssen als wissenschaftliche Berufsausbildung konzipiert werden!
Die Studieninhalte müssen auf pädagogisch wertvolle Art und Weise lernbar sein. Nur dann können die Studierenden ihr erlerntes Wissen einbringen. Dozenten sollten auf ihre Lehrtätigkeit vorbereitet werden um einen entsprechend qualitativ hochwertigen Beitrag für die Ausbildung der Studierenden leisten zu können. Die neuen Studiengänge sollen berufsqualifizierend sein. Davon sind wir meilenweit entfernt. Die IG Metall fordert, die neuen Studiengänge als wissenschaftliche Berufsausbildung anzulegen. Gerade die problematisch hohe Zahl von Studienabbrechern und  -abbrecherinnen trifft ins Mark des Hochschulsystems. Lag die Quote vor den Reformen bei 23 Prozent, so liegt sie beim Bachelor an Universitäten heute 35 Prozent.

 

Ü 7. Die IG Metall fordert die Zusammenführung der Studienangebote und mehr Transparenz für Studierende, Hochschulen und Betriebe!

Im Sommersemester 2011 boten die 645 Hochschulen 16.465 Studiengänge an. Die Hochschulen haben bei der Gestaltung der Studiengänge sehr spezialisierte und differenzierte Studienangebote geschaffen. Dies ging auf Kosten der Transparenz. Dagegen hilft die Verständigung auf Mindestinhalte und gemeinsame Standards in den Fächergruppen. Wir fordern die Zusammenlegung von Studienangeboten. Das duale Berufsbildungssystem kommt mit 350 Berufen aus.

 

Ü 8. In den Re-akkreditierungsverfahren nicht dieselben Gutachtergruppen in denselben Studiengängen einsetzen!

Seit es Bachelor und Masterabschlüsse in Deutschland gibt, müssen diese von Akkreditierungsagenturen genehmigt werden. Dies geschieht auf Zeit. Im Moment läuft die so genannte Re-akkreditierungsphase. Jetzt werden die akkreditierten Studiengänge erneut überprüft. Ein Missstand der bisherigen Verfahren ist, dass wenige Gutachter/-innen viele Verfahren absolviert haben. So ist der Eindruck entstanden, dass "eine Hand die andere wäscht." Die IG Metall verlangt, dass diese Re-akkreditierungsmaßnahmen nicht von derselben Gutachtergruppe durchgeführt werden darf, die das Erstverfahren genehmigt hat.

 

Die IG Metall fordert die Politik auf, die Hochschulen aufgabengerecht auszustatten und die Vorgaben zur Einführung der neuen Studiengänge so zu verändern, dass die Studiengänge studierbar und die Qualität von Studium und Lehre gewährleistet ist. Sie fordert die Verantwortlichen in den Hochschulen auf, die Spielräume, die Bologna bietet, zu nutzen, um die Situation für die Studierenden zu entschärfen.

 

Studienganggestaltung muss in einem demokratischen Aushandlungsprozess organisiert werden, in dem die Hochschullehrer, die Studierenden, aber auch die Berufspraxis zu beteiligen Bologna-Prozess sind. Die Studierenden möchte die IG Metall ermutigen, sich weiter aktiv in die Veränderungsprozesse einzumischen. Sie selbst kennen die Probleme an ihrer jeweiligen Hochschule am besten und können aktiv dazu beitragen, ein sozial gerechtes, auf Chancengleichheit und sozialer Durchlässigkeit beruhendes Bildungssystem an den Hochschulen zu schaffen.

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