
Petra Nolte
Die Berufe-Macherin
Die Landschaft gleicht einem welligen Flickenteppich, hier wenige Kilometer östlich von Osnabrück. Wälder, Felder und dazwischen Einzelne Gehöfte. In einem wohnt Petra Nolte mit ihrer Familie. Mit Traktor, Hund und vier Pferden, die auf der eigenen Reitanlage traben. Eine Stunde Stall ausmisten ist abends angesagt, auch wenn Petra Nolte spät von der Arbeit kommt. Sie ist Betriebsrätin bei Volkswagen in Osnabrück.
Die Sachverständige.
Und Petra Nolte ist Berufemacherin. Als Sachverständige im Auftrag der IG Metall arbeitet sie mit bei der Gestaltung der Aus- und Weiterbildung für die Büroberufe, etwa die Bürokaufleute oder die Kaufleute für Bürokommunikation. Gemeinsam mit anderen Fachleuten der Gewerkschaften und auch der Arbeitgeber. Keine Schreibtischleute vom Ministerium, sondern »allesamt Praktiker aus den Betrieben, die wissen, wovon sie reden«, betont Nolte. Gemeinsam diskutieren sie, wie die Arbeit von Büro-Beschäftigten aussieht und welche Inhalte die Ausbildung haben muss. Bereits im Frühjahr haben Petra Nolte und die anderen Büro-Berufemacher die neue Weiterbildung »Fachkauffrau/-mann für Büro- und Projektorganisation « fertig gestrickt. Quasi »der Meister fürs Büro«. »Klar gibt es da schon mal heftige Auseinandersetzungen: Wir Gewerkschafter wollen ganzheitliche und breit aufgestellte Berufe, mit denen die Beschäftigten auch Zukunftschancen haben. Mit
denen sie in andere Betriebe oder gar ins Studium wechseln können.
Die Arbeitgeber bremsen da eher: Brauchen die das wirklich alles?«, erzählt Petra Nolte. »Aber alles in allem arbeiten wir sachorientiert zusammen. Und oft können wir die Arbeitgeber auch mit Argumenten überzeugen, etwa dass die neuen >Meisterinnen und Meister im Büro< auch Azubis anleiten können müssen und daher die Ausbildereignung brauchen.«
Die Sekretärin.
Petra Nolte hat selbst Industriekauffrau gelernt. Seit 21 Jahren ist sie ehrenamtliche Prüferin im Bürobereich. »Ich war schon früher im Sekretariat für Azubis und Praktikanten da und habe immer überlegt: Was brauchen die für ihre spätere Arbeit?« Genau das ist ihr auch heute noch am wichtigsten: Dass die Ausbildung an den sich raschändernden Anforderungen in den Betrieben dranbleibt. »Vor 30 Jahren mussten Bürogehilfinnen noch tagein tagaus handschriftliche Formulare abtippen. Reine Tippsen eben. Damit hat die heutige Büroassistenz nichts mehr zu tun. Da ist eigenständiges Denken in Prozessen gefragt, betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Kompetenz am PC.«
Bis zum Sommer 2013 wollen die Experten durch sein mit der Neuordnung der Büroberufe, die in einen einzigen modernen Beruf münden sollen, breit aufgestellt für die Arbeit von der Industrie bis in die öffentliche Verwaltung, doch mit Wahlschwerpunkten in speziellen Aufgabengebieten.
Die Kämpferin.
Knapp drei Jahre werden dann vergangen sein, seit der IG Metall-Arbeitskreis für
die Neuordnung der Büroberufe Petra Nolte beauftragt hat. Als sie den Job 2010 übernahm, hatte sie gerade eine sehr schwere Zeit überstanden: Den Absturz ihres Betriebs, dem Cabrio-Bauer Karmann. Nach Massenentlassungen und Insolvenz waren von den vormals 7.000 Beschäftigten nur noch wenige hundert übrig geblieben. Jahrzehnte lang war Karmann durch die Auftragsfertigung von Cabrios-Klassikern ein Begriff, vom VW Käfer bis hin zum Mercedes CLK. Vor zehn Jahren begann dann der Absturz.
Und Petra Nolte hat ihn hautnah miterlebt. »Ich habe im Personalausschuss zig Sozialpläne verhandeln müssen. Wir haben oft bis tief in die Nacht um jeden Arbeitsplatz gekämpft. Mein Mann, der auch im Werk arbeitet, und ich haben uns selbst gefragt, wie es mit uns weitergeht, wenn Karmann schließt.«
Ende 2009 die Befreiung: Volkswagen kaufte das Werk, um das Golf Cabrio hier in Osnabrück zubauen. Das lange Ringen von Betriebsrat und IG Metall um eine Zukunft hat sich gelohnt. Die Azubis gehörten zu den Ersten, die Anfang 2010 von VW übernommen wurden. Heute arbeiten hier wieder 1.800 Menschen.
Seither kann Petra Nolte wieder durchatmen. Endlich hat sie wieder Zeit für ihre Tiere und den Hof. Und sie startet durch. Nicht nur als Berufemacherin. Sie macht ihren Motorradführerschein und reitet jetzt auch einen japanischen Rennofen. Und natürlich wieder ihre Pferde. »Ich brauche das: Ich komme nach Hause, ziehe die Stallsachen an, miste aus - und galoppiere durch den Wald.«