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MobiPro-EU - Umstrittenes Förderprogramm

Wirksame Hilfe oder Aufforderung zur Landflucht?

29.01.2013 Ι Seit Januar 2013 gibt es ein neues Sonderprogramm der Bundesregierung, mit dem jungen Leuten aus Griechenland, Spanien und Portugal eine Berufsausbildung oder ein Arbeitsplatz in Engpassberufen in Deutschland schmackhaft gemacht werden soll. Diese Initiative ist aber durchaus umstritten: Die einen befürchten, dass den Süd-Europäern so die Zukunft verbaut werde, andere betonen, dass man so konkret den Jugendlichen helfe. Im Deutschen Bundestag hat SPD- Bildungspolitiker, Willi Brase aus Siegen, sich kritisch zum MobilPro-Eu geäußert. Er befürchtet Mitnahme-Effekte bei Betrieben. WAP-Reporter, Klaus Heimann, sprach mit ihm über das Programm in Berlin. Der Beitrag: "Der Hintergrund" erläutert MobilPro-EU.

MobiPro-EU das ist das neue Sonderprogramm der Bundesregierung. Starttermin Januar 2013. Mit 130 Mio. Euro sollen junge Menschen insbesondere aus den süd-europäischen Staaten Griechenland, Spanien und Portugal zwischen dem 18. bis 35. Lebensjahr für eine Berufsausbildung in Deutschland gewonnen werden. Ist das falsch?

Die Situation für die Jugendlichen in den betroffenen Ländern ist eine Katastrophe. Dass wir grundsätzlich hier unsere Solidarität und Unterstützung anbieten, liegt völlig auf der Hand. Eine Auswanderung der jungen Menschen nach Deutschland wird perspektivisch nicht das Problem lösen. Sie werden vor Ort zum Aufbau ihrer Wirtschaften gebraucht.

 

Wer als deutscher Jugendlicher eine Bäckerausbildung macht, bekommt nach Tarif eine Ausbildungsvergütung von rund 500 € im Monat. Der Spanier, der jetzt kommt, kann aber 818 € Ausbildungsvergütung kassieren. Welche Auswirkungen hat das?

Hier liegt nach meiner Meinung ein besonderer Kritikpunkt. Die relativ hohe Ausbildungsvergütung von 818 Euro kann in der Praxis zu einer starken Alimentierung der Unternehmen führen, die einen Jugendlichen aus Südeuropa ausbilden.

 

Warum ist MobiPro-EU ein gutes Geschäft für Betriebe, die nur geringe tarifliche Ausbildungsvergütungen bezahlen?

Bei MobiPro-EU wird die Ausbildungsvergütung angerechnet und dann auf bis zu 818 Euro aufgestockt. Je geringer die Zahlungen der Unternehmen, desto größer der staatliche Zuschuss.

 

Es gibt ja eine ganze Reihe von Maßnahmen die gefördert werden - Reisekosten, Sprachkurse, Ausbildungsbegleitung etc. Wenn alles in Anspruch genommen wird, wie hoch ist dann die Fördersumme?

Wenn man alle Förderungen ausnutzt, können die Gesamtkosten für insgesamt drei Jahre pro Person bei ca. 30.000 Euro liegen.

 

Gehst Du davon aus, dass die Bundesregierung zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit die 10.000 potenziellen Azubis einwerben kann?

Würden tatsächlich 10.000 Jugendliche als Azubis eingeworben, wären das weit mehr als 200 Millionen Euro. Das Volumen des Förderprogramm beträgt im Zeitraum 2013-2016 insgesamt 139 Millionen. Die Umsetzung ist somit fraglich und zahlenmäßig begrenzt.

 

In der Bundestagsdebatte um die berufliche Bildung hast Du einen Zusammenhang zwischen  MobiPro-EU und dem Übergangsbereich hergestellt. Wie ist das zu verstehen?

So wichtig es ist, den Jugendlichen aus den südeuropäischen Ländern zu helfen, so notwendig ist es gleichzeitig die 300.000 jungen Leute im Übergangsbereich nicht zu vergessen. Über 80 Prozent von ihnen haben einen Schulabschluss und können nicht als ausbildungsunfähig deklassiert werden. Der Ausbildungsbedarf in Deutschland sollte auch mit den hier lebenden Jugendlichen gedeckt werden. 

 

Du schlägst vor, die 130 Mio. € Programm-Mittel für Schulsozialarbeit auszugeben. Wäre das nicht eine Umschichtung der Mittel gegen die arbeitslosen Jugendlichen in Südeuropa? Oder: Ist es nicht sinnvoller den Jugendlichen in ihren Heimatländern zu helfen?

Es sollen nicht in Deutschland lebende Jugendliche gegen südeuropäische Jugendliche ausgespielt werden. Wir brauchen ein europäisches Gesamtkonzept, dass vor allem den jungen Menschen in den Heimatländern hilft. Durch Ausbildung und Qualifikation sollen Perspektiven entwickelt und die Krisen überwunden werden. Die durch den Bund geförderten Sozialarbeiterstellen an den Schulen im Rahmen des Teilhabepakets laufen in nächster Zeit aus. Vor Ort erfährt man, dass die Schulsozialarbeit angenommen und weitergeführt werden sollte. Initiativen vor Ort und Kommunalpolitiker wissen allerdings nicht, wie angesichts der dramatischen Haushaltssituationen der Kommunen dieses finanziert werden soll.

 

Der Hintergrund

 

Was ist MobiPro-EU?

 

Das Bundeskabinett hat eine Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit zur Durchführung des Sonderprogramms zur "Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften aus Europa (MobiPro-EU)" geschlossen. Das Porgramm ist im Janaur 2013 gestartet.

Das Sonderprogramm soll häufige Hemmnisse aus dem Weg räumen, die in der Praxis die Mobilität Jugendlicher und junger Erwachsener aus den EU-Staaten in den deutschen Arbeits- und Ausbildungsmarkt beeinträchtigen. Häufiges Hindernis für die Vermittlung in eine betriebliche Berufsausbildung oder in eine qualifizierte Beschäftigung in Engpass- und Mangelberufe sind fehlende Sprachkenntnisse. Deswegen ist die Sprachförderung im Herkunftsland und in Deutschland ein Schwerpunkt des Programms.

 

Möglich ist künftig auch die finanzielle Unterstützung während eines Praktikums oder einer Berufsausbildung in Deutschland. Im Rahmen des Programms können auch Kosten übernommen werden, wenn qualifizierte Fachkräfte ein Anerkennungsverfahren für reglementierte Engpassberufe durchlaufen.

Für das Programm stehen bis 2016 bis zu 140 Millionen Euro zur Verfügung. Die Mittel stammen aus der von der Bundesregierung beschlossenen Qualifizierungsinitiative. Es richtet sich an EU-Bürger zwischen 18 und 35 Jahren.

 

Quelle: Eurostat

Bundesagentur Chef Raimund Becker warnt aber vor übertriebenen Erwartungen. Er rechnet damit, dass in diesem Jahr "ein paar hundert Jugendliche" aus europäischen Krisenländern so einen Ausbildungsplatz bekommen können. "Das ist kein Massengeschäft", sagt er. Interesse ist auf beiden Seiten vorhanden: 40 Unternehmen haben dafür bereits mehr als 400 Ausbildungsstellen gemeldet.

Es gibt Geld für Sprachkurse, Reisen zu Bewerbungsgesprächen und finanzielle Unterstützung während eines Praktikums oder einer Berufsausbildung. Zu den Schwerpunkten zählt die Sprachförderung, die schon im Herkunftsland ansetzt und in Deutschland fortgeführt wird. Darüber hinaus ist auch die finanzielle Unterstützung während des Praktikums oder im Laufe der Berufsausbildung möglich. Erster Ansprechpartner für das Sonderprogramm ist die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), eine Einrichtung der BA.

 

Wer sich in Deutschland ausbilden lassen oder arbeiten möchte, durchläuft zunächst einen Sprachkurs in seinem Heimatland. Danach steht das Kennenlernen an - sei es im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs oder für künftige Azubis im Rahmen eines Praktikums. Stimmt die Chemie, wird ein Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag unterzeichnet.

Die Sprachkompetenz wird im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen in sechs Stufen unterteilt - von A1 bis C2. Mit A1 kann ich sagen, wer ich bin, wie ich heiße und was ich will. Um sich als Handwerker verständigen zu können, müsse es schon das Niveau B1 sein, das man nach rund fünf Monaten in den Vollzeit-Sprachkursen der Goethe-Institute erreichen kann.

 

Im Rahmen einer betrieblichen Berufsausbildung werden übernommen:

 

Förderung eines Deutschsprachkurses im Herkunftsland,
Anreisekostenpauschale zum Bewerbungsgespräch,
Anreisekostenpauschale zur Aufnahme des ausbildungsvorbereitenden Praktikums, Anreisekostenpauschale zur Aufnahme der betrieblichen Berufsausbildung, Rückreisekostenpauschale bei vorzeitiger Beendigung der betrieblichen Berufsausbildung, Förderung eines Deutschsprachkurses in Vollzeit während der Praktikumsphase in Deutschland,
Förderung eines praktikumsbegleitenden Sprachkurses,
Unterstützungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts während des ausbildungsbegleitenden Praktikums,
Unterstützungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts während der betrieblichen Berufsausbildung,
Förderung bzw. Bereitstellung eines berufsschulbezogenen Deutschsprachunterrichts und Nachhilfe,
Förderung bzw. Bereitstellung einer sozial- und berufspädagogischen Ausbildungsbegleitung.

 

Förderinstrumente für junge Fachkräfte

 

Als Förderinstrumente für junge Fachkräfte stehen zur Verfügung:

 

Förderung eines Deutschsprachkurses im Herkunftsland,
Anreisekostenpauschale zum Bewerbungsgespräch,
Umzugskostenpauschale zur Arbeitsaufnahme,
Zuschuss zu den Kosten für Anerkennungsverfahren für reglementierte Engpassberufe, Förderung von berufsbegleitendem und -bezogenem Deutschunterricht oder eines Vollzeitsprachkurses in Deutschland.

 


 

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