Kooperation Wissenschaft Arbeitswelt
Die mögliche Bedeutung der Hochschulen für Regionalpolitik am Beispiel des Konflikts um den Erhalt des Opel-Standorts Bochum
Lieber Manfred, kannst du den WAP-Usern bitte erklären, was die Aufgabe der Gemeinsamen Arbeitsstelle ist, welche Arbeitsschwerpunkte sie hat und wie sie personell ausgestattet ist?
Die Gemeinsame Arbeitsstelle RUB/IGM basiert auf einem einzigartigen Kooperationsvertrag zwischen dem IG Metall Vorstand und dem Rektorat der Ruhr-Universität Bochum aus dem Jahr 1975. Seit 1979 existiert die Gemeinsame Arbeitsstelle RUB/IGM als zentrale Einrichtung an der RUB. Personell ist sie mit einer Verwaltungskraft und einem Leiter dauerhaft ausgestattet. Auf der Grundlage von Drittmittelprojekten - in der Regel gefördert durch die Hans-Böckler und die Otto-Brenner-Stiftungen - sind an der Arbeitsstelle bis zu 10 Mitarbeiter befristet beschäftigt. Schwerpunkte liegen in der Forschungskooperation, der Transformation der wissenschaftlichen Erkenntnisse in die soziale Praxis von Betriebsräten und Gewerkschaftern, die wissenschaftliche Weiterbildung und in der universitären Grundausbildung im Themenfeld von Management - Arbeit - Organisation.
Was hat euch zu der Studie veranlasst? Was sind ihre wesentlichen Ergebnisse?
Zwischen den Betriebsräten von Opel Bochum und der Gemeinsamen Arbeitsstelle bestehen seit über 30 Jahren enge Kooperationsbeziehungen. Bereits in den 1980er Jahren - als noch 22.000 Menschen an den drei Bochumer Opel-Standorten beschäftigt waren - hat sich die Arbeitsstelle an Studien der technologischen, organisatorischen und tarifpolitischen Restrukturierung beteiligt. Spätestens seit den ersten ernsthaften Schließungsandrohungen im Jahr 2004 hat sich die Zusammenarbeit noch einmal intensiviert. Es wurden vom Lehrstuhl Mitbestimmung von Ludger Pries Automobilkongresse und zahlreiche Workshops mit den Betriebsräten, lokalen Managementvertretern und Wissenschaftlern der RUB organisiert. In der sich zuspitzenden Krise des General Motors Konzern ab dem Jahr 2009 haben wir dann ein Begleitforschungsprojekt bei der HBS und OBS zu den Chancen der Standortentwicklung in Bochum beantragt. Als Projektmitarbeiterin konnten wir die Kollegin Antje Blöcker vom WZB in Berlin gewinnen, die viele Jahre mit Ulrich Jürgens Automobilprojekte durchgeführt hatte. Das wohl wichtigste Ergebnis des Projektes ist, dass die Betriebsräte in Kooperation mit den regionalen Wissenschaftseinrichtungen und Partnerunternehmen, der Wirtschaftsförderung, der IHK und der IG Metall ein Netzwerk aufgebaut haben, um Standortalternativen weiter zu entwickeln. Da s sind wahrlich von Betriebsräten vorangetriebene soziale Innovationen. Die nun angekündigte Standortschließung 2014/2016 ist vor allem der Strukturkrise des Konzerns in Europa geschuldet und durch soziale Innovationen vor Ort allein nicht zu verhindern.
Wie würdest du die Bedeutung der Ruhr-Universität in Bezug auf Regionalentwicklung und Beschäftigungssicherung beschreiben? Wo bestehen Ansätze? Wo muss sich das Bewusstsein für die regionale Verflechtung noch entwickeln?
Nicht nur die Ruhr-Universität Bochum, sondern auch die TU Dortmund und die Uni Duisburg / Essen spielen für die Gestaltung des Strukturwandels und die Schaffung zukunftsfester, industrieller Arbeitsplätze im Ruhrgebiet eine herausragende Rolle. Das muss man sich mal vorstellen: In den Zeiten der Universitätsgründungen in den 1960er Jahren gab es noch über 480.000 Bergleute in der Region, heute nur noch ca. 18.000. Auch die Eisen- und Stahlindustrie ist auf die Standorte in Duisburg und Bochum reduziert. Dafür gibt es heute über 250.000 Studierende im Ruhrgebiet, Tendenz steigend. Um den Industriestandort Ruhrgebiet dauerhaft zu festigen, bedarf es jedoch neben den Forschungs- und Ausbildungskompetenzen auch industrielle Arbeitsplätze, um den Nachwuchs dauerhaft in der Region. Es reicht ja nicht aus, gut auszubilden; dann kommen Headhunter aus Süddeutschland und werben uns die guten Leute ab. Beispiele - und nicht nur aus dem Fußball - gibt es genug.
Ihr stellt den Erhalt von Automobilarbeitsplätzen in Bochum und die Perspektiven der Ingenieurwissenschaft Verhältnis zum gegenseitigen Nutzen dar? Wie könnten beide voneinander profitieren?
Allein an den sechs Bochumer Hochschulen haben wir über 5000 Studierende aus den Ingenieurswissenschaften, die TU Dortmund und die Uni Duisburg/Essen noch nicht mitgezählt. Die Ingenieurswissenschaften bieten ein enormes Potenzial für die Ausgründungen aus den Hochschulen im Bereich der Produktionswirtschaft. Die Erwartungen hinsichtlich der Schaffung industrieller Arbeitsplätze liegen im Ruhrgebiet mit seiner vergleichsweise alten Bevölkerung vor allem im Bereich der Gesundheitswirtschaft mit dem Schwerpunkt Medizintechnik.
Die "Maschinenbauer" an der RUB haben mit eurer Unterstützung erfolgreich an der Ruhr-Universität die "Lernfabrik" installiert. Dieses Konzept spielt auch in euren Vorschlägen zur Beschäftigungssicherung eine maßgebliche Rolle. Kannst du das Konzept kurz erläutern?
Das Konzept der Lernfabrik wurde am Lehrstuhl für Produktionssysteme an der RUB entwickelt. Wir nutzen die Fabrik in gemeinsamen Veranstaltungen für die Ingenieursausbildung mit dem Titel: "MAO für Ingenieure". Mit dem Themen Management - Arbeit - Organisation lernen die angehenden Ingenieure, dass betriebliche Veränderungsprozesse eingebunden sind in gesetzliche, tarif- und betriebspolitische Rahmenbedingungen. Sie lernen frühzeitig den Umgang mit Betriebsräten. Wir haben mit dieser 2-semestrigen Veranstaltung sehr großen Erfolg. Die Expertisen der Master-Studenten nutzen vor allem auch Betriebsräten bei der Bewältigung ihrer komplexen Aufgaben. Die Lernfabrik soll nun im Rahmen der ARIBERA-Ausbildung der IG Metall im Bereich Material- und Ressourceneffizienz ausgebaut werden. Sie stellt zukünftig den Kern eines Clusters Produktionswirtschaft dar. Mit einer attraktiven Ausbildungs- und Weiterbildungseinrichtung wollen wir produzierende Unternehmen an den aufgelassenen Standort von Opel Bochum locken.
Als Kooperationsstelle arbeitet ihr an der Schnittstelle zwischen Gewerkschaft und Wissenschaft. Welche Aufgaben kann die Gemeinsame Arbeitsstelle wahrnehmen, um Wahrnehmung regionaler Fragestellungen in der Universität die Hochschule zu verbessern?
Wir haben eine klare Aufgabenteilung innerhalb der Universität. Während die Lehrstühle in der Regel Grundlagenforschung betreiben, sind wir als Gemeinsame Arbeitsstelle an der RUB eine Grenzinstitution zwischen Wissenschaft und Arbeit und konzentrieren uns auf eine transformatorische Wissenschaft. D. h. unser Ziel ist es immer, die in Projekten erforschten Ergebnisse auch in die soziale Praxis umzusetzen. Bei den Ergebnissen des Opel-Projektes ist uns das vergleichsweise gut gelungen. Wir sind aktuell in mehreren regionalen Arbeitskreisen vertreten, um die Konzepte Cluster Produktionswirtschaft und Lernfabrik zu realisieren. Hier brauchen wir jedoch zukünftig mehr die Unterstützung des IG Metall Vorstandes und der NRW-Bezirksleitung, um diese erarbeiteten Konzepte in der Landespolitik besser zu verankern, die uns auch den Zugang zu Fördermöglichkeiten eröffnen.
Vielen Dank!
zur Studie: Blöcker, Antje / Palomo, Mark Esteban / Wannöffel, Manfred, Chancen und Grenzen nachhaltiger Standorte- und Beschäftigungssicherung; Das Beispiel der Opel-Standorte in Bochum. Arbeitspapier, Arbeit und Soziales, Bd. 279. Düsseldorf 2013, siehe: http://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_279.pdf
b. Homepage der Gemeinsamen Arbeitsstelle: http://rubigm.ruhr-uni-bochum.de/