Der Betriebliche Auftrag
Mehrwert für Betrieb und Ausbildung
Bodo Polifka ist Ausbilder im Bereich Mechatronik bei Thyssenkrupp-Rasselstein und ehrenamtlicher Prüfer bei der IHK Koblenz. Darüber hinaus ist er für die IG Metall seit Jahren in bundesweiten bildungspolitischen Ausschüssen tätig.
Ist es nicht paradox, dass Du bundeseinheitlichen Prüfungen mitgestaltest und im eigenen Unternehmen den Betrieblichen Auftrag präferierst?
Ich sehe hier keinen Interessenkonflikt. Betrachtet man die Entstehung der bundeseinheitlichen, praktischen Prüfungsaufgaben, so sind sie als Ersatz für Unternehmen, Betriebe und Werkstätten gedacht, die sich nicht im Stande sehen den Betrieblichen Auftrag umzusetzen.
Mein persönliches Interesse liegt in einer bestmöglichen Situation für die Unternehmen, die Prüflinge und das duale System. Für unser Unternehmen sehe ich den Betrieblichen Auftrag als Erfolgsmodell. Er erlaubt die Wertschöpfung noch innerhalb der Prüfung zu steigern, erzeugt keine direkten Materialkosten für die Prüfung und erlaubt den Prüflingen Ihr betriebliches Knowhow weiterzuentwickeln und sich zu engagieren und orientieren. Ein weiterer Vorteil ist die betriebliche Verzahnung der Ausbildung mit den betrieblichen Einheiten.
Die IG Metall präferiert seit seiner Einführung den Betrieblichen Auftrag. In der Praxis ist er dennoch noch nicht 100%ig angekommen. Ein Grund, den wir immer wieder hören ist, es sei nicht möglich Betriebliche Aufträge im eigenen Betrieb umzusetzen. Wie ist es Euch gelungen die Prüfungsvariante zu verankern?
Voraussetzung für unseren Erfolg sind folgende Punkte:
- Die Werksleitung musste über die Möglichkeiten und Vorteile von Betrieblichen Aufträgen informiert werden.
- Über die Werksleitung selbst wurden die Möglichkeiten und Zielsetzungen zum Betrieblichen Auftrag heruntergebrochen. D.h., es findet eine Ansprache der Teamleiter bis hin zur Technikerebene kontinuierlich statt.
- Nachdem die operativ Verantwortlichen von der neuen Win-Win Situation überzeugt waren, war der Grundstein des Erfolgs gelegt. In einem ersten Schritt wurden direkt Aufträge, insbesondere Verbesserungsvorschläge, kleinere Werkaufträge, die schon lange in der Schublade lagen, abgearbeitet. prüfen aktuell Infodienst für Prüferinnen und Prüfer Nº 14 Der Betriebliche Auftrag 3
- Die Prüflinge - also die potenziell neuen Mitarbeiter - können sich über die Projektzeit profilieren bzw. teamintegrativ zeigen. Dies ist für beide Seiten (Prüfling und Personalverantwortliche/r) ein riesiger Vorteil.
- Inzwischen werden die Mitarbeiter ganzjährig über Änderungen, Anpassungen und Ergebnisse informiert, so dass es zu einem kontinuierlichen Informationsfluss gekommen ist und neue Aufträge direkt über die Teams kommuniziert werden.
Kannst Du Dich noch erinnern, wer und wie Ihr damals auf die Verantwortlichen zugegangen seid?
Zunächst muss man sagen, dass unser damaliger Vorstand vom Beruf Mechatroniker und der neuen Prüfungsform überzeugt war. Wir haben dann im ersten Schritt versucht die Teamleiter (d.h. den operativen Bereich), in Info-Veranstaltungen, von dem Nutzen zu überzeugen. Ich denke die Ehrlichkeit und auch das Aufzeigen des zu leistenden Eigenanteils (die Betreuung ist ja auch Arbeit) hat die Betroffenen überzeugt.
Wie gestaltet sich bei Euch der Ablauf im Detail?
Am besten schildere ich dies am Beispiel der zukünftigen Winterprüfung 2015 stichpunktartig:
Zeitraum
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Umsetzungspunkt
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Januar
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Die Werksleitung fragt die Bedarfe der Abteilungen an Betrieblichen Aufträgen ab.
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Die Werksleitung informiert die Teamleiter, wie viele Aufträge in den entsprechenden Abteilungen gebraucht werden.
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Die Teamleiter informieren die "Sachbearbeiter" (Meister / Techniker). Diese haben bereits Erfahrung und müssen nicht komplett neu instruiert werden.
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In der Ausbildung werden in diesem Zeitraum die Azubis über die geltenden Regularien und die Bearbeitungsmatritzen aufgeklärt.
Sie erhalten auch bereits im Betriebsdurchlauf in den Abteilungen die Aufgabe, geeignete Aufträge zu erfragen uns sich zu orientieren.
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März
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Der aktuelle Stand wird in den Abteilungen abgefragt
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Mai
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Liegen zu wenig Aufträge vor, werden die einzelnen Abteilungen persönlich von den Ausbildern aufgesucht
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Juni
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Die potenziellen Aufträge werden vor Ort von den Ausbildern und Technikern gesichtet und im Anschluss an die Azubis vergeben.
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Juli
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Die Azubis werden gemäß ihres Auftrages in die zuständigen Abteilungen versetzt. Hier verbleibt er/sie bis zum Ausbildungsende.
ð Der große Vorteil für die Abteilung . sie hat einen zusätzlichen Mitarbeiter.
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September
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Beginn des Antragsverfahren in den zuständigen Stellen
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Während der Durchführung des Auftrages werden die Azubis von den Ausbildern in den Abteilungen besucht und der Umsetzungsstand dokumentiert.
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Dezember
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Abgabe der Dokumentation
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Kannst Du für unsere Kolleginnen und Kollegen ein persönliches Fazit ziehen?
Aufträge finden sich in der Regel nicht von alleine, nur der stetige Kontakt zu den Abteilungen und deren Leitung zahlt sich aus. In unserem Unternehmen läuft der Auftrag bereits seit 14 Jahren (ca. 300). Wunsch ist es, dies auch weiterhin beizubehalten, um eine betriebliche Vernetzung zwischen Ausbildung und Betrieb zu verstärken.
Denn eines sollte jedem Ausbilder klar sein - er eröffnet mit dem Betrieblichen Auftrag nicht nur dem Azubi und dem Betrieb neue Möglichkeiten. Für ihn selbst ist er ein großartiges Instrument um sich zu vernetzen, neue Verfahren und Prozesse mit zu verfolgen und die Leistung der Ausbildung für die Wertschöpfung ersichtlich zu machen.