IG Metall
„WAP” das Berufsbildungsportal
WAP - Springe direkt:
Inhalt
     
__www.akkreditierungsrat.de-Bild

Beruflichkeit und Fachlichkeit im Studium

Akkreditierungsrat will Beruflichkeit und Fachlichkeit im Studium stärker verankern

25.06.2015 Ι Auf seiner 83. Sitzung am 18.06.2015 in Berlin hat der Akkreditierungsrat den Bericht der Arbeitsgruppe "Fachlichkeit und Beruflichkeit" entgegengenommen und einstimmig beschlossen, die darin empfohlenen Maßnahmen in den gleichzeitig begonnenen Prozess zur Überarbeitung der Akkreditierungskriterien aufzunehmen. In dem Bericht werden Maßnahmen vorgeschlagen, um berufliche und fachliche Standards in die Verfahren zur Akkreditierung von Studiengängen einzubinden, wenn dies von Seiten der Hochschulen gewünscht wird.

Was für Außenstehende als sehr undurchsichtig und bürokratisch klingt, hat eine nicht zu unterschätzende Bedeutung sowohl für die Weiterentwicklung der externen Qualitätssicherung wie für die Qualität von Studium und Lehre. Um diese Bedeutung zu verstehen, muss man sich die kontroverse Diskussion um die Weiterentwicklung der Akkreditierung und der externen Qualitätssicherung vergegenwärtigen. Die Hochschulrektorenkonferenz hat in verschiedenen Papieren deutlich gemacht, dass sie von der Programmakkreditierung wenig und von der Systemakkreditierung nur dann etwas hält, wenn ihre Verfahren noch weiter geöffnet werden. Dazu passt, dass der Wissenschaftsrat dem Akkreditierungsrat die Einsetzung einer Experimentierklausel empfohlen hat, die dieser auch beschlossen hat. Nicht wenige HochschulvertreterInnen sehen dies als weiteren Schritt weg von der Akkreditierung, zumindest in den bestehenden Strukturen.

 

Die Akkreditierung ist nun sicher nicht der Weisheit letzter Schritt. Aber es gewährt in der Mischform von gesetzlich verankertem und an die Strukturvorgaben der Kultusminister gebundenem Akkreditierungsrat und privaten Agenturen die Möglichkeit einer öffentlich verfassten, externen Qualitätssicherung, die zu dem Studierenden und Berufspraxis auf allen Ebenen, also im Akkreditierungsrat, in den Kommissionen der Agenturen und in den Gutachtergruppen Beteiligungsrechte gewährt. 

 

In zwei - insbesondere in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern und der Wirtschaft umstrittenen - Beschlüssen hatte der Akkreditierungsrat zu dem Umgang mit Beruflichkeit und Fachlichkeit Stellung genommen. Erstens hat er in dem sog. Siegelbeschluss eine eindeutige Trennung der Verfahren zwischen der Vergabe des Siegels des Akkreditierungsrates und der sog. Fachsiegel, die von den zwei "Fachagenturen" ASIIN und FIBAA vergeben werden, verlangt. Zweitens hat der Akkreditierungsrat im Zusammenhang mit der letzten Re-Akkreditierung von ASIIN darauf gedrängt, dass diese Agentur auf die "ergänzenden fachspezifischen Hinweise" verzichtet, welche die sog. Fachkommissionen von ASIIN in Bezug auf die einzelnen ingenieur- und naturwissenschaftlichen Disziplinen entwickelt hatten. Die Begründung hierfür war, dass diese Hinweise zum Teil auch einen normativen Charakter hatten und damit die Profilbildung zwischen Hochschulen und Fachbereichen negativ beeinflussen würden.

 

So folgerichtig sich beide Beschlüsse aus dem Regelwerk des Akkreditierungsrates ableiten lassen, so sehr stießen sie insbesondere in den Fachkulturen auf Widerspruch, die sich um eine Verständigung auf die zu vermittelnden Kompetenzen bemühen und die eine starke Orientierung auf professionelle Arbeitsmärkte haben. Dazu gehören u.a. die Soziale Arbeit", die Gesundheitsberufe, die Ingenieur- und Naturwissenschaften u.a.m. Auch die Sozialpartner, die im Akkreditierungsrat auf der Basis der Verfahrensregelungen den genannten Beschlüssen zustimmen mussten, sehen es als außerordentlich kritisch an, dass berufliche und fachliche Aspekte in den Akkreditierungsverfahren auf diese Weise an Bedeutung verlieren. Das Gutachternetzwerk hat hierzu Positions- und Diskussionspapiere veröffentlicht. Diese sind auf www.gutachternetzwerk.de einzusehen. Der Beschluss hatte die unbeabsichtigte Folge, dass die Regelwerke außerhalb der Akkreditierung, namentlich die internationalen Fachsiegel in den Ingenieur- und Naturwissenschaften an Bedeutung gewannen. ASIIN bildet hier einen Vorreiter, da diese Agentur das von den europäischen Ingenieurverbänden stammende EUR-ACE-Siegel vorantreibt. Die Stärkung der Fachsiegel führt umgekehrt zu einer weiteren Schwächung des Siegels des Akkreditierungsrates. Daher haben sich die IG Metall und die IG BCE, die beide in der Mitgliedergruppe der Wirtschafts- und Sozialpartner Mitglied bei ASIIN sind, in der Mitgliederversammlung von ASIIN unabhängig der Fachsiegelentwicklung für die Integration der beruflich-fachlichen Aspekte in das Akkreditierungssystem ausgesprochen.

 

Die Arbeitsgruppe Beruflichkeit und Fachlichkeit geht auf eine gemeinsame Initiative von Gewerkschaften, Arbeitgebervertretern und Studierenden zurück. Die Leitung hatte als ehemaliges Mitglied des Akkreditierungsrates das ehemalige Vorstandsmitglied der IG Metall, Regina Görner, übernommen. Das Arbeitsprogramm ist ausführlich in dem Bericht der Arbeitsgruppe dargestellt. Zu den zentralen Punkten gehörten ein von IG Metall und BDA unterstützter Workshop, der sich mit den verschiedenen Referenzsystemen zur Sicherung von Beruflichkeit und Fachlichkeit befasste, namentlich mit den Fachsiegeln und dem britischen System der Subject Benchmarks und eine umfassende Befragung der Akteure im Hochschulsystem und in der Wirtschaft durchgeführt. Eine Synopse der Landeshochschulgesetze verdeutlichte den Stellenwert von beruflicher Qualifizierung als Studienziel insbesondere der Bachelorstudiengänge.

 

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe werden zu Beginn des Berichts in Eckunkten zusammengefasst.

 

Die entscheidende Neuerung könnte im Eckpunkt 8 liegen, der besagt, dass "lernzielorientierte Referenzsysteme (...) im Akkreditierungsverfahren genutzt
werden können (sollten), wenn die zuständigen Fachbereiche oder Fakultäten an den Hochschulen dies verlangen. Wenn eine Hochschule solche Anforderungskataloge
anwenden will, sollten die auf jene Kataloge bezogenen Entscheidungen Bestandteil des Akkreditierungsverfahrens sein und transparent dokumentiert werden."

 

Was aus dieser Empfehlung in den nächsten Monaten wird, kann man derzeit noch nicht absehen. Sie gibt aber dem Akkreditierungsrat die Chance, Beruflichkeit und Fachlichkeit auf eine Weise in den Verfahren zu verankern, die das Siegel des Akkreditierungsrates nicht nur in der Konkurrenz zu den privaten Fachsiegeln stärken könnte, sondern auch in der anstehenden Debatte der Funktion von Akkreditierung im Kontext von gutem Studium berufliche und fachliche Aspekte stärker in den Vordergrund rücken könnte.

 

Für die IG Metall hat dieses Ergebnis zweifelsohne auch einen direkten Link zum Leitbild der erweiterten modernen Beruflichkeit. Setzt sich doch die IG Metall im Rahmen ihrer Hochschulpolitik dafür ein, Prinzipien von Beruflichkeit in die hochschulische Bildung zu integrieren.

 

Der Bericht der Arbeitsgruppe ist der Öffentlichkeit zugänglich. Er ist auf der Homepage des Akkreditierungsrates abgelegt: http://www.akkreditierungsrat.de/

 

________________________________________________________________________________________________________________________________________

 

Die vom Akkreditierungsrat beschlossenen Eckpunkte lauten:

 

Die Arbeitsgruppe ist nach intensiven Beratungen und Diskussionen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Stellenwert der Themen Fachlichkeit und Beruflichkeit in der Akkreditierung einer Aufwertung bedarf. Die AG hat sich auf folgende Eckpunkte verständigt, die gleichermaßen für Verfahren der Programm- und der Systemakkreditierung Geltung haben sollen:

 

1. Die Berücksichtigung von Fachlichkeit und Beruflichkeit in der Akkreditierungspraxis ist insbesondere auch im internationalen Kontext zu thematisieren.

 

2. Die Gestaltung der Studiengänge liegt in der Verantwortung der Hochschulen/ Fakultäten. Akkreditierung soll feststellen, ob und inwieweit den gesetzlichen Vorgaben bei der Gestaltung der Studiengänge Rechnung getragen wird. Fachlichkeit und Beruflichkeit im Zusammenhang mit der Persönlichkeitsbildung sind aufgrund der Gesetzeslage und der Akkreditierungsregeln bei jedem Studiengang zu gewährleisten und müssen folglich auch in der Akkreditierung Niederschlag finden.

Dies soll im Rahmen der Akkreditierung nicht zuletzt durch die Peers erreicht werden. Ihre Rolle wird allgemein anerkannt, doch gibt es - vor allem aus Fächerkulturen, die sich weitgehend auf gemeinsame berufliche und fachliche Standards geeinigt haben, - die Sorge, dass das Verfahren das Vorherrschen wissenschaftlicher Einzelmeinungen bei der Interpretation der Kriterien fördern könnte.

 

3. Einigkeit besteht darüber, dass die Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland unter der Aufsicht des Akkreditierungsrates und unter Berücksichtigung seiner Kriterien durchzuführen ist. Fachlichkeit und Beruflichkeit müssen innerhalb dieses Systems sichergestellt werden. Externe Angebote ersetzen das Siegel des Akkreditierungsrates nicht.

 

4. In den verschiedenen Fächerkulturen unterscheiden sich die Anforderungen hinsichtlich der Ausgestaltung von Fachlichkeit und/oder Beruflichkeit zum Teil erheblich. Einheitslösungen in der Akkreditierungspraxis verbieten sich auf diesem Hintergrund.

 

5. In der Akkreditierungspraxis gibt es Klagen über ein Übergewicht formaler Prüfvorgänge: Fachlichkeit und Beruflichkeit müssen in den Verfahren eine angemessene Rolle spielen.

 

6. Vor allem Hochschulen haben mit Blick auf die angewandten Kriterien und das Verfahren zur Auswahl der Gutachterinnen und Gutachter ein Bedürfnis nach Vereinfachung und größerer Transparenz der Verfahren selbst.

 

7. Ein für alle verbindliches Verständnis existiert weder für Fachlichkeit noch für Beruflichkeit. Es gibt eine große Differenzierung zwischen den Fächern. Die Arbeitsgruppe hat sich daher entschieden, die Themen Fachlichkeit und Beruflichkeit getrennt zu behandeln. Innerhalb des jeweiligen Akkreditierungsverfahrens ist zu klären, auf welche Weise die Verantwortlichen (Hochschule/Fakultät) die Anforderungen an Fachlichkeit und Beruflichkeit im Studiengang sicherstellen wollen. Das Ergebnis dieser Vergewisserung ist im Verfahren zu dokumentieren und seine Umsetzung bei der Reakkreditierung zu überprüfen.

 

8. Lernzielorientierte Referenzsysteme sollten im Akkreditierungsverfahren genutzt werden können, wenn die zuständigen Fachbereiche oder Fakultäten an den Hochschulen dies verlangen. Wenn eine Hochschule solche Anforderungskataloge anwenden will, sollten die auf jene Kataloge bezogenen Entscheidungen Bestandteil des Akkreditierungsverfahrens sein und transparent dokumentiert werden.

 

9. Während einige Studienfächer/-gänge bereits sehr stark an Anforderungen in der Berufs-/Arbeitswelt ausgerichtet sind, orientieren sich andere mehr oder weniger stark am Berufsfeld "universitäre Forschung". Die Frage nach der Berücksichtigung von Beruflichkeit im Akkreditierungsprozess muss dieser Verschiedenartigkeit Rechnung tragen. Es geht dabei um ein breit angelegtes Berufsverständnis, um eine Orientierung an Berufsfeldern, nicht dagegen an einzelnen Arbeitsplätzen. In jedem Fall sollte im Akkreditierungsverfahren deutlich werden, auf welche Weise der Studiengang und die ihn durchführende Hochschule/Fakultät die Berufsbefähigung der Studierenden sicherstellt. Dazu sind unterschiedliche Verfahren denkbar (z.B. Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, Praxisphasen während des Studiums, Auswertung von Studienergebnissen, Absolventen- und Abbrecherstudien, Kontakte zur Wirtschaft etc., Berufspraxis und Praktika der Lehrenden, Einbeziehung von Absolventinnen und Absolventen in die Lehre, interdisziplinäre Ansätze usw.). Ob die vorgesehenen Maßnahmen sachdienlich erscheinen, sollte mit den Gutachtern/ Agenturen erörtert, dokumentiert und bei der Reakkreditierung überprüft werden.

 

10. In der Gutachtervorbereitung ist der "state of art" der jeweiligen fachlichen und beruflichen Standards ebenso einzubeziehen wie die Auseinandersetzung mit guten Beispielen bei der Verbesserung der Beruflichkeit der Studiengänge. Denkbar ist die Bereitstellung von Handreichungen und Arbeitshilfen zu den Themen Fachlichkeit und Beruflichkeit mit exemplarischen Vorschlägen und Hinweisen auf Beispiele zur sinnvollen Verankerung von Beruflichkeit und Fachlichkeit im Studium.

 

11. Vorliegende Absolventenstudien sollten bei der Reakkreditierung von Studiengängen Berücksichtigung finden.

 

12. In allen Fällen sollen Hochschulen/Fakultäten darlegen, auf welche Weise sie die Kriterien des Akkreditierungsrates zur Erstellung von Studiengängen berücksichtigt haben (z.B. Einbeziehung von Studierenden/Sozialpartnern/anderweitigem externem Sachverstand.).

 

13. Der Akkreditierungsrat sollte sich eingehend mit dem Thema "fachbezogene Referenzsysteme in der Akkreditierung" befassen mit dem Ziel, Nutzen, Risiken und Grenzen der Anwendung solcher Systeme transparent zu machen und ggf. entsprechende Empfehlungen zu verabschieden.

 

14. in Verbindung mit den vorgenannten Empfehlungen sollte der Akkreditierungsrat eine offensive Kommunikationsstrategie entwickeln, um die interessierte Öffentlichkeit über die Bedeutung der Dimensionen Fachlichkeit und Beruflichkeit in der Akkreditierung zu informieren.

Angemeldete Benutzer können hier ein Kommentar hinterlassen

Hochschulpolitik

Links und Zusatzinformationen
Servicebereich