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BIBB-Studie Studienabbrecher/innen

Studienabbrecher und -abbrecherinnen als Azubis willkommen

16.08.2016 Ι Beratungs- und Unterstützungsangebote für Studienabbrecher und -abbrecherin­nen mehren sich. Dabei spielt auch ein möglicher Wechsel in eine duale Berufsausbildung eine Rolle. Eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Berufs­bildung (BIBB) ist der Frage nachgegangen, welche Sicht Betriebe sowie Studienabbrechern und -abbrecherinnen auf eine Ausbildung haben. "Jungen Menschen - Studienabbrechern und -abbrecherinnen wie auch alle anderen Bewerber - geht es bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz nicht alleine um den Beruf als solchem, sondern auch um die Rahmenbedingungen im Betrieb. Dazu gehören die Vielseitigkeit der Ausbildung, Möglichkeiten, eigene Ideen einzubringen, die Chance, nach der Ausbildung übernommen zu werden, und die Aussicht auf berufliche Entwicklungs- und Karrierewege," sagt die BIBB-Forscherin Margit Ebbinghaus im Interview mit unseren Bonner WAP-Korrespondent Uli Degen.

Um sich eine Vorstellung von Studienabbrechern und -abbrecherinnen ma­chen zu können: Könnten Sie zunächst etwas zu dieser Gruppe sagen und dabei auch auf die Gründe für einen Studienabbruch eingehen?

 

Margit Ebbinghaus: Die Aufmerksamkeit der beruflichen Bildung gegenüber Studienabbrechern und -abbrecherinnen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Mit Studi­enabbrechern und -abbrecherinnen sind dabei in der Regel Personen gemeint, die die Hochschule verlassen, ohne einen akademischen Abschluss erlangt zu haben. Nach Be­rechnungen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung trifft das derzeit auf rund jeden vierten Bachelorstudierenden zu, wobei es zwischen den einzelnen Studiengängen deutliche Unterschiede gibt. Es handelt sich also um eine recht große Gruppe, die zudem recht heterogen ist. Das geht auch aus unterschiedlichen Studien zu den Gründen von Studienabbrüchen hervor. So können finanzielle, familiäre oder gesundheitliche Gründe zur Entscheidung beitragen, das Studium vorzeitig zu beenden, aber auch Motivations- und Leistungsprobleme spielen oft eine Rolle. Nicht zuletzt sind unerfüllte Erwartungen über die Studieninhalte oder die Studienbedingungen abbruchrele­vante Faktoren.

 

Sie sind auf zwei Voraussetzungen für die Integration von Studienabbrechern und -abbrecherinnen in die duale Berufsausbildung eingegangen: Zum einen müssen die Abbrecher und Abbrecherinnen selbst eine duale Ausbildung als attraktive Anschlussoption wahrneh­men. Zum andern müssen aber auch die Betriebe bereit und interessiert sein, diese als Auszubildende einzustellen. Gibt es möglicherweise noch weitere Voraussetzungen für einen gelingenden Übergang in eine duale Berufsausbildung?

 

Das bei Betrieben und Studienabbrechern und -abbrecherinnen bestehende Interesse kann als Grundvoraussetzung dafür angesehen werden, Studienabbrecher und -abbrecherinnen in die duale Berufsausbildung zu integrieren. Das alleine reicht aber nicht aus, damit beide Seiten dann aber auch tatsächlich zueinanderfinden. Eine wichtige Rolle da­bei spielt der Ausbildungsberuf. Die Betriebsbefragung hat ja gezeigt, dass es sich bei den Berufen, in denen die Betriebe Studienabbrecher und -abbrecherinnen bereits ausbilden oder ausgebildet haben, eher um stark nachgefragte Berufe handelt, wie beispielsweise Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement. Hingegen sind unter den Berufen, für die es den Betrieben bislang nicht gelungen ist, Ausbildungsverträge mit Studienabbrecher und -ab­brecherinnen abzuschließen, viele mit einer deutlich geringeren Nachfrage, wie Bäcker/Bäckerin, Fleischer/Fleischerin, aber auch Berufe aus dem Gastronomiebereich.

 

Das verweist darauf, dass Studienabbrecher und -abbrecherinnen, die sich für eine duale Berufsausbildung interessieren, ihre Berufswahl wie andere Bewerber auch von der wahrgenommenen Attraktivität des Berufs abhängig machen dürften. Hier spielen Faktoren wie Arbeitsbedingungen, Verdienst und Aufstiegsperspektiven eine große Rolle. Wichtig ist aber auch das soziale Ansehen eines Berufs. Der Gastronomiebereich und einzelne Handwerksberufe schneiden hier in der Wahrnehmung der Jugendlichen oft ungünstiger ab als kaufmännische Berufe.

 

Gut ein Drittel der Be­triebe bevorzugen Studienabbrecher und -abbrecherinnen deren abgebrochener Studiengang Schnittstellen zum späteren Ausbildungsberuf aufweist. Wie lässt sich dieser Befund einord­nen?

 

Auch das ist ein Aspekt, der für eine gelingende Integration von Studienabbrechern und -abbrecherinnen eine Rolle spielt. So wie junge Menschen ihre Berufswahl an der wahrgenommenen Attraktivität des Berufes orientieren, orientieren sich Betriebe bei der Auswahl von Auszubildenden an der vermuteten Passung der Bewerber und Bewerberinnen. Pas­sung hat dabei viele Facetten, wie Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit, aber eben auch Interesse am Beruf. Ein zuvor belegter berufsähnlicher Studiengang signalisiert, dass ein solches Interesse gegeben ist - ähnlich wie bei anderen Bewerbern etwa ein­schlägige Praktika. Zugleich bringen Studienabbrecher und -abbrecherinnen, die einen Studiengang mit Schnittstellen zum Ausbildungsberuf abgebrochen haben, oftmals Erfah­rungen und Wissen mit, an das die Betriebe in der Ausbildung gut anknüpfen können. Aber auch für Studienabbrecher und -abbrechinnen kann der Übergang in einen ähnlichen Aus­bildungsberuf von Vorteil sein: ihr bereits erworbenes Wissen geht nicht verloren.

 

Um daran gleich anzuknüpfen: Ist das nicht auch ein Risiko für Betriebe, genau solche Studienabbrecher und -abbrecherinnen einzustellen, die einen dem Ausbildungsberuf ähnlichen Studiengang abge­brochen haben? Besteht in diesem Fall nicht durchaus die Gefahr, dass sich die Person insgesamt für die falsche Berufsrichtung entschieden hat und dann auch die Ausbildung nicht zu Ende führt?

 

Auszuschließen ist das natürlich nicht. Die Studienabbruchforschung legt aber eher nahe, dass Studienabbrecher und -abbrecherinnen, die in einem studiengangähnlichen Ausbildungsberuf eine Anschlussoption sehen, nicht aus inhaltlichem Desinteresse das Studium aufgegeben haben. Eher ist an finanzielle Problemlage zu denken, aber auch, dass den Betreffenden der Praxisbezug in der akademischen Ausbildung zu gering war.

 

Sie weisen darauf hin, dass sich die Erschließung von Studienabbrechern und -abbrecherin­nen für die duale Berufsausbildung als Reaktion darauf verstehen lässt, dass sich gerade leistungsstärkere Schulabsolventen und -absolventinnen zunehmend gegen eine duale Berufsausbildung entscheiden. Können Sie uns das erläutern?

 

Der Anteil an Jugendlichen, die die allgemeinbildende Schule mit der Hochschulreife verlassen, steigt und der Wunsch, die damit bestehenden Bildungsmöglichkeiten auch zu nut­zen, hat zur Folge, dass sich diese Jugendlichen stärker als früher um Studienplätze als um Ausbildungsplätze bemühen. Dadurch gehen der dualen Berufsausbildung leistungsstarke Jugendliche verloren. Mit der Akquise von Studienabbrechern und -abbrecherinnen als Auszubildende besteht nun eine Chance, einen Teil dieser jungen Menschen sozusagen für die duale Berufsausbildung zurückzugewinnen. Denn auch wenn leistungsbezogene Gründe zu den wichtigsten Gründen für einen Studienabbruch gehören, gibt es - wie eingangs erwähnt - noch viele andere Faktoren, die einen Studienabbruch bedingen können. Und selbst wenn das Studium hauptsächlich wegen Leistungsschwierigkeiten aufgegeben wurde, bleibt zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an Hochschulen nicht mit denen in der Berufsausbildung gleichgesetzt werden können. Das betrifft mitunter gar nicht so sehr das Niveau, sondern vor allem das Verhältnis von Theorie und Praxis.

 

Ihre Studie hat weiter ergeben, dass unter den Betrieben, die noch keine Studienabbrecher und -abbrecherinnen ausgebildet haben, dies aber gern würden, der Anteil von Klein- und Mittelbetrieben recht hoch ist. Gibt es hier Indizien dafür, dass aktuelle Probleme am Ausbildungsmarkt hinter diesem Interesse stehen?

 

Der hohe Anteil an Klein- und Mittelbetrieben geht zunächst einmal darauf zurück, dass diese Betriebe insgesamt den Großteil an Ausbildungsbetrieben bilden. Zugleich sind es aber auch Klein- und Mittelbetriebe, die in besonderem Maße mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, angebotene Ausbildungsplätze besetzen zu können und - darauf deuten zumindest die Befragungsergebnisse hin - auch bei der Akquise von Studienabbrechern und -abbrecherinnen als Auszubildende nicht ganz so erfolgreich sind wie größere Betriebe. Dahinter stehen ähnliche Mechanismen wie bei der Berufswahl, über die wir zuvor ge­sprochen haben. Jungen Menschen - Studienabbrechern und -abbrecherinnen wie auch alle anderen Bewerber - geht es bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz nicht alleine um den Beruf als solchem, sondern auch um die Rahmenbedingungen im Betrieb. Dazu gehören die Vielseitigkeit der Ausbildung, Möglichkeiten, eigene Ideen einzubringen, die Chance, nach der Ausbildung übernommen zu werden, und die Aussicht auf berufliche Entwicklungs- und Karrierewege. Studien haben gezeigt, dass junge Menschen erwarten, diese Rahmenbedingungen in größeren eher als in kleineren Betrieben vorzufinden. Diese Annahme lenkt das Bewerbungsverhalten oft an kleineren Betrieben vorbei, insbesondere dann, wenn die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt - wie derzeit - für Jugendliche ver­gleichsweise gut sind.

 

Sie konstatieren weiterhin, dass die Akquise von Studienabbrechern und -abbrecherinnen als Auszubildende Betrieben Schwierigkeiten bereitet. Worin bestehen diese besonderen Akquiseschwierigkeiten der Betriebe?

 

Den Auskünften der befragten Betriebe zufolge besteht die Hauptschwierigkeit darin, überhaupt mit Studienabbrechern und -abbrecherinnen in Kontakt zu kommen. Das betrifft zum einen, die Ausbildungsangebote so zu platzieren, dass sie auch Studienabbrecher und abbrecherinnen erreichen, und zum anderen, sie so zu gestalten, dass sie das Interesse der Ziel­gruppe wecken. Letzteres ist insofern von besonderer Bedeutung, als viele junge Men­schen, die ihr Studium abgebrochen haben oder dies in Erwägung ziehen, kaum etwas über die Vielfalt der Berufe, die das duale System umfasst, und die Möglichkeiten, die man mit einem dualen Berufsabschluss hat, wissen. Deswegen nimmt die Vermittlung von Hin­tergrundwissen über die duale Berufsausbildung auch großen Raum bei den von Ihnen ganz zu Beginn unseres Gespräches angesprochenen Beratungs- und Unterstützungspro­grammen ein.

 

Ihre Analyse konnte zeigen, dass die in der Ausbildung von Studienab­brechern und -abbrecherinnen erfahrenen Betriebe die Gestaltung des Ausbildungsge­schehens und die Zusammenarbeit zwischen Studienabbrechern und abbrecherinnen und Ausbilderin­nen und Ausbildern überwiegend als unkompliziert einschätzen. Sollte das nicht auch für andere Betriebe ein Anreiz sein, sich verstärkt dieser Gruppe zuzuwenden?

 

Die hohe Aufgeschlossenheit der Betriebe gegenüber Studienabbrechern und -abbrecherinnen spricht meines Erachtens dafür, dass den Betrieben diese Vorzüge sehr wohl be­wusst sind und scheinen deswegen ja auch bereit zu sein, sich den Herausforderungen zu stellen, die die Erschließung dieser Zielgruppe mit sich bringt. Das betrifft neben der zuvor diskutierten Kontaktaufnahme auch die zu leistende Überzeugungsarbeit, dass eine duale Berufsausbildung auch und gerade für Studienabbrecher und -abbrecherinnen eine gute Option ist. Denn da viele beruflich noch nicht qualifiziert sind, eröffnet sich hier für sie die Chance auf einen qualifizierten Berufsabschluss. Also durchaus wie sie sagen: Für beide Seiten ein "gutes Geschäft".

 

 

 

...zum Weiterlesen:

 

Margit Ebbinghaus: Studienabbrecher/innen. Als Auszubildende in Betrieben willkommen - aber möglichst ohne Extrabehandlung. Ergebnisse einer Betriebsbefragung mit dem Referenz-Betriebs-System, in BIBB-REPORT. Forschungs- und Arbeitsergebnisse aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung, April, 2/2016.

https://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/publication/show/id/7977

 

 

Wer ist Margit Ebbinghaus?

 

Frau Dr. Margit Ebbinghaus ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesinstitut für Berufsbildung. (BIBB) tätig. Sie befasst sich mit Fragen der Qualität und Quantität des betrieblichen Ausbildungsplatzange­botes.

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