BIBB-Untersuchung zum Neuordnungsbedarf bei den IT-Berufen
Digitalisierung verstärkt Modernisierungsdruck auch auf IT-Berufe
Degen: Die Notwendigkeit der Modernisierung der vier dualen IT-Berufe Fachinformatiker/-in, IT-System-Elektroniker/-in, IT-System-Kaufmann/-frau sowie Informatikkaufmann/-frau ist nicht alleine der Digitalisierung geschuldet. Oder sehe ich das falsch? Welche Rolle spielt quantitative Bedeutung dieser vier IT-Berufe im Vergleich zu anderen IT-Berufen, die es ja auch noch gibt?
Schwarz: Der Bereich der (dualen) IT-Berufe wird nicht alleine von den hier genannten Berufen ausgefüllt. Das Feld der aktuellen IT-Berufe umfasst daneben weitere Berufe wie Informationselektroniker/in (Handwerk), Mathematisch-technische/r Softwareentwickler/-in (MATSE), Elektroniker/-in für Informations- und Systemtechnik oder Mikrotechnologe/ Mikrotechnologin. Die zuletzt genannten Berufe sind zum Teil eher gering besetzt und/oder jüngeren Datums. Die Zahl der insgesamt in diesen Berufen jährlich neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge lag in den letzten Jahren bei ca. 1.000 (gegenüber 15.000 in den vier genannten Berufen). Sie gehörten jedoch nicht zum Kern unseres Untersuchungsauftrages. Gleichwohl sind sie gegebenenfalls tangiert, wenn sich Tätigkeiten der ausgebildeten Fachkräfte überschneiden. Beispielsweise gibt es Überschneidungen zwischen den Einsatzbereichen des MATSE und dem Fachinformatikern der Fachrichtung Anwendungsentwicklung.
Treiber für die Modernisierung - auch die Aufhebung, Zusammenfassung oder Trennung - von Berufen sind technologische Entwicklungen und/oder die Nachfrage nach bestimmten Dienstleistungen und Produkten. Wie die Digitalisierung auf den Grad der Arbeitsteilung einwirkt oder einwirken kann/soll, ist eine interessante Frage. Mein Eindruck ist, dass wir derzeit sowohl die Integration und Vernetzung zuvor getrennter Tätigkeitsbereiche mit der Folge der Herausbildung neuer und anspruchsvollerer Anforderungen als auch die weitere Automatisierung einfacher Tätigkeiten mit der Folge der Reduzierung von Tätigkeitsanforderungen erleben. Die IT-Berufe sind gleichermaßen Subjekt und Objekt der Digitalisierung und damit schon per se mit der Frage ihrer permanenten Modernisierung konfrontiert. Ob ihre Profile den derzeitigen und absehbaren künftigen Anforderungen genügen bzw. weiter entwickelt werden müssen gehört daher zum Kern unserer Untersuchung, zumal die Berufe seit 20 Jahren unverändert bestehen.
In den vier IT-Berufen kann seit 1997 ausgebildet werden und Sie verweisen auf den großen Erfolg und die gute Annahme dieser damals neuen Ausbildungsberufe. Es wurden bereits mehr als 250.000 Fachkräfte ausgebildet. Die Zahl der Jugendlichen, die eine Ausbildung als Fachinformatiker/-in machen hat im Vergleich zu den anderen Berufen zugenommen. Worin sehen Sie die Gründe für die rückläufigen Zahlen bei den anderen Berufen?
Systemintegration und -administration, Installation und Instandhaltung, IT-Service und Support gehören zu den drei am häufigsten genannten Tätigkeitsbereichen der von uns befragten IT-Fachkräfte. Das sind Anforderungen, die dem Profil des Fachinformatikers / der Fachinformatikerin der Fachrichtung Systemintegration sehr gut entsprechen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass dieser Beruf auch die größte Absolventenzahl stellt. An vierter Position der nachgefragten Tätigkeitsbereiche von IT-Fachkräften steht die Softwareentwicklung, die dem Profil der Fachrichtung Anwendungsentwicklung im Ausbildungsberuf Fachinformatiker/-in entspricht. Der Fachinformatiker ist damit der eigentliche IT-Kernberuf. Da sich seine Tätigkeitsanforderungen zum Teil mit den drei anderen Berufen überschneiden, ist es gut möglich, dass darin auch einer der Gründe für den Rückgang der Absolventenzahlen in den anderen Berufen liegt. Bei der Nachfrage nach Berufen spielen neben den rein fachlichen Anforderungen immer auch andere Gründe eine Rolle. Bei eher gering besetzten Ausbildungsberufen spielt z. B. die Beschulungssituation eine Rolle oder auch organisatorische Gründe, sich etwa auf bestimmte Ausbildungsberufe zu konzentrieren.
Beim Ausbildungsberuf IT-System-Elektroniker/-in, der außerdem starke Überschneidungen mit dem Fachinformatiker / der Fachinformatikerin der Fachrichtung Systemintegration aufweist, ist der Rückgang der Ausbildungszahlen sicherlich auch technologisch bedingt. Bei seiner Einführung war er sehr stark an den Anforderungen der Telekom orientiert. Mit der Umstellung auf IP-Telefonie hat sich die gesamte Vermittlungstechnik mittlerweile geändert, und auch die relativ starke Hardwareorientierung dieses Profils wird nicht mehr in dem Maße nachgefragt.
Bevor wir zu anderen Detailfragen kommen, können Sie vielleicht kurz etwas dazu sagen, wie es diesem Forschungsprojekt kam und was die Rahmenbedingungen bzw. ggf. Vorgaben dafür waren.
Das Projekt resultiert aus einem längeren Diskussionsprozess, in dem immer wieder einmal von verschiedenen Akteuren die Frage der Neuordnung der IT-Berufe angestoßen worden war. Dass es Anhaltspunkte für eine Überarbeitung gibt, wissen wir schon aus der ersten Evaluation der IT-Berufe Anfang der 2000er Jahre, die vom BIBB in Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik (BIAT) der Universität Flensburg durchgeführt worden war. Schon damals war erkennbar, dass es große Überschneidungen zwischen den beiden kaufmännisch orientierten Berufen IT-Systemkaufmann/-frau und Informatikkaufmann/-frau gab, die eine Zusammenlegung nahelegten. Darüber hinaus wurde auch damals schon ein Entwicklungsbedarf im Bereich der schulischen Ausbildung hervorgehoben. Insgesamt wurde aber in dieser ersten Evaluation kein "aktueller Handlungsbedarf hinsichtlich der Novellierung der IT-Berufe oder zur Schaffung neuer IT-Berufe" gesehen. Die gestaltungsoffene Struktur der IT-Berufe hat dann 20 Jahre lang dafür gesorgt, dass die Berufe weiterhin gut angenommen wurden. Die IT-Berufe sind allerdings Querschnittsberufe, d. h. sie sind nicht nur auf der Seite der IKT-Hersteller zu finden sondern in allen Branchen und Unternehmen auf der IKT-Anwenderseite. Hier liegt die Vermutung nahe, dass bei einem so breiten Einsatzspektrum, und zusätzlich herausgefordert durch eine beschleunigte Digitalisierung, die beruflichen Standards und Anforderungen mit der Zeit auseinanderdriften. Das hat schließlich dazu geführt, dass der Verordnungsgeber, das Bundeswirtschaftsministerium, in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium seit 2014 einen Dialogprozess mit allen beteiligten Akteuren begonnen hat, um die Frage der Neuordnung zu erörtern. Da in diesem Prozess kein einheitliches Meinungsbild erzielt werden konnte, wurde schließlich das BIBB im März 2015 gebeten, eine Voruntersuchung zur Klärung des Neuordnungsbedarfs durchzuführen. Das war der Ausgangspunkt für die dann bis Ende 2016 durchgeführte Evaluation.
Und wenn wir schon dabei sind, wäre es für die Leser der später noch zu diskutierenden und von Ihnen abgeleiteten Empfehlungen sicher interessant zu wissen, welche Zielgruppen sie - qualitativ - interviewt haben und an wen sich die daran anschließende - quantitative - Online-Befragung mit welchen Themenbereichen in welchen Wirtschaftszweigen richtete.
Bei der Konstruktion des Forschungsdesigns wurde zum einen berücksichtigt, dass genügend Daten bei allen relevanten Zielgruppen erhoben werden, um einzelne Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten zu können - Triangulation der Daten. Zum anderen sollten Fragestellungen in unterschiedlicher Tiefe und Breite bearbeitet werden, was die Kombination von qualitativen und quantitativen Daten - Triangulation der Methoden - nahelegte. Darüber hinaus sollte eine sukzessive Instrumentenentwicklung erfolgen, bei der die einzelnen Untersuchungsphasen zeitlich so gestaltet sind, dass die Ergebnisse der ersten Phase in die Entwicklung der Erhebungsinstrumente der folgenden Phasen einfließen. Neben einer explorativen Phase umfasst die Studie eine qualitative Datenerhebung in Form von Interviews sowie eine quantitative Onlinebefragung.
In der Interviewphase haben wir in ausgewählten Betrieben alle relevanten Zielgruppen in die leidfaden gestützten Interviews einbezogen. Dazu gehörten ausgebildete IT-Fachkräfte, Auszubildende, Personal- und Ausbildungsverantwortliche, Arbeitnehmervertreter und Jugend-und Auszubildendenvertreter sowie Führungskräfte. Flankiert wurde diese betriebliche Perspektive durch Experteninterviews mit Kammer- und Branchenvertretern sowie Lehrkräften aus beruflichen Schulen. Insgesamt haben wir 54 Interviews durchgeführt und das aufgezeichnete Material, transkribiert, codiert und textanalytisch ausgewertet. Die Auswahl der Unternehmen, aus denen die Interviewpartner rekrutiert wurden, erfolgte anhand eines Stichprobenplanes, der u. a. Merkmale wie Branche, Größe, Region und Alter des Betriebes berücksichtigte. Die Phase der qualitativen Interviews diente als Grundlage für eine nachgeschaltete Online-Befragung. Die insgesamt 6.101 auswertbaren Fälle dieser Befragung verteilen sich auf dieselben Zielgruppen wie in den Interviews. Im Mittelpunt der Datenerhebung standen die folgenden Themenbereiche:
- Tätigkeiten und Abgrenzungen in den IT-Berufen,
- Ausbildung in den IT-Berufen,
- Betriebliche und schulische Ausbildung,
- Prüfungen im Rahmen der Ausbildung,
- Berufliche Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten,
- Rahmendaten zur Person,
- Rahmendaten zum Betrieb,
- Rahmendaten zur Berufsschule.
Sie haben sich auch der Frage der Differenzierungen zwischen beruflich und akademisch qualifizierten IT-Fachkräften gewidmet. Was bei Ihrer Untersuchung hier doch erstaunt, dass sie in den meisten Fällen einen Akademikeranteil an der Belegschaft von 70, manchmal bis 80 Prozent festmachen konnten und nur in Einzelfällen feststellen konnten, dass das beruflich qualifizierte Personal die Mehrheit stellt. Dieser Befund erstaunt; ist dies ein Spezifikum der Unternehmen, die in den vier Berufen ausbilden?
In den IT-Berufen wird in allen Wirtschaftszweigen ausgebildet. Dabei verteilen sich die IT-Fachkräfte etwa zu einem Drittel auf Unternehmen in der IT-Branche und zu zwei Dritteln auf Unternehmen aller anderen Branchen wie z. B. das verarbeitende Gewerbe (9,4 %) oder die öffentliche Verwaltung und Sozialversicherung (7,6 %). Der Akademikeranteil unter den IT-Fachkräften liegt über dem Durchschnitt der Bevölkerung. Auch in den Unternehmen der IT-Branche überwiegt der Anteil der Fachkräfte mit einem akademischen Abschluss. Die befragten Personalverantwortlichen und Führungskräfte gehen davon aus, dass dieser Anteil in den nächsten Jahren noch zunehmen wird.
Für die IT-Berufe benötigt man wie bei allen dualen Ausbildungsberufen keinen bestimmten schulischen Abschluss. Allerdings führen das Anforderungsniveau sowie das Angebot und die Nachfrage auf dem Ausbildungsstellenmarkt dazu, dass der Anteil der Auszubildenden mit Hochschulzugangsberechtigung - mit Abstufungen zwischen den einzelnen IT-Berufen - überwiegt. Unsere Zahlen aus der Untersuchung entsprechen in etwa der Bundesstatistik, d. h. mit Ausnahmen des IT-System-Elektronikers / der IT-System-Elektronikerin liegt der Anteil der Azubis mit Hochschulzugangsberechtigung bei annähernd 60%. Im Ausbildungsberuf IT-System-Elektroniker überwiegt mit ca. 54 % der Anteil der Azubis mit einem mittleren Schulabschluss (Hauptschüler: ca. 8 %).
Wenn man die Tätigkeitsprofile von IT-Fachkräften betrachtet, so wird schnell klar - und das haben Sie ja auch so analysiert - , dass die Bereiche Systemintegration und -administration, die Installation und Instandhaltung von IT-Systemen, IT- und TK-Servicedienstleistungen sowie der Bereich der Softwareentwicklung die mit Abstand am häufigsten besetzten Tätigkeitsfelder von IT-Fachkräften sind. Allerdings unterscheiden sich die Tätigkeitsfelder von IT-Fachkräften sehr stark zwischen den einzelnen IT-Berufen. Könnten Sie uns bitte erläutern, wo hier die Hauptunterschiede liegen und was die Gründe dafür sind.
Hier muss man zunächst unterscheiden zwischen den tatsächlichen Tätigkeitsbereichen der in den IT-Berufen ausgebildeten IT-Fachkräfte und den Anforderungsprofilen der einzelnen Ausbildungsberufe. Da die IT-Berufe zur Hälfte über gemeinsame Kernqualifikationen miteinander verbunden sind, ist auch das Einsatzspektrum der ausgebildeten Fachkräfte sehr groß. Insbesondere in der Systemintegration und -administration finden wir Fachkräfte aus allen IT-Berufen. Die Passgenauigkeit von Ausbildungsprofilen und tatsächlichen Tätigkeitsbereichen nach der Ausbildung hängt sicherlich auch von der Größe der jeweiligen IT-Abteilung in den Unternehmen und dem Grad der Spezialisierung in den IT-Abteilungen ab. Allerdings bildet insbesondere der Bereich Softwareentwicklung ein deutliches Alleinstellungsmerkmal für Fachinformatiker/-innen der Fachrichtung Anwendungsentwicklung. In den Bereichen Marketing und Vertrieb von IT-Lösungen sind vor allem IT-Systemkaufleute tätig.
Bei der Einschätzung der Bedeutung einzelner Fachkompetenzen in der alltäglichen Arbeit von IT-Kräften durch IT-Fachkräfte, Ausbildungs-, Personalverantwortliche sowie Lehrkräfte wurden Kompetenzen im Bereich IT-Sicherheit - Verfügbarkeit, Datenschutz und -sicherheit - als relevantestes Thema identifiziert. Allerdings unterscheiden sich diese Einschätzungen zwischen den Gruppen z.T. erheblich voneinander. Wie erklärt sich das und wo liegen die Knackpunkte bei den einzelnen Berufen?
Über alle Berufe hinweg lassen sich zwei Beobachtungen festhalten: Kompetenzen im Bereich IT-Sicherheit - Verfügbarkeit, Datenschutz, Datensicherheit - ist ein herausragendes Thema über alle Berufe und Befragtengruppen hinweg. Jeweils mehr als 90 % der Befragten halten entsprechende Kompetenzen in diesem Bereich für wichtig oder eher wichtig. Auf die einzelnen Berufe und einzelne Fachkompetenzen bezogen, weichen die Einschätzungen zwischen der Gruppe der IT-Fachkräfte und den beiden Gruppen Lehrkräfte und Ausbildungsverantwortliche zum Teil deutlich voneinander ab. Dabei scheinen die Ausbildungsverantwortlichen und Lehrkräfte in der Einschätzung der wichtigen Fachkompetenzen eher dem in der jeweiligen Ausbildungsordnung beschriebenen Profil nahezukommen, während die IT-Fachkräfte des jeweiligen Berufs ihre Einschätzung wahrscheinlich eher vor dem Hintergrund ihrer tatsächlichen Aufgaben vornehmen. Dazu ein Beispiel für den Ausbildungsberuf IT-System-Elektroniker: Während 89 % der Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen Fachkompetenzen im Bereich Elektrotechnik / Elektronik in diesem Beruf für wichtig oder sehr wichtig halten, wird diese Einschätzung nur von 38 % der in diesem Ausbildungsberuf ausgebildeten IT-Fachkräfte geteilt. Hier liegt die Vermutung nahe, dass Anforderungen in den Ordnungsmitteln wie Ausbildungsordnung und Rahmenlehrplan und/oder der Schwerpunktsetzung in der Ausbildung stark abweichen von den tatsächlichen Anforderungen an ausgebildete Fachkräfte in diesem Beruf.
Durch die rasante Entwicklung des Internets der Dinge hat sich eine hohe Dynamik entfaltet. Allerdings könnte die weitere Digitalisierung durch Fachkräftemangel abgebremst werden. Der Fachkräftebedarf wird nach Meinung der Fachleute künftig in diesem Sektor eher noch zunehmen. Könnte er ggf. auch durch eine Ausweitung der Teilnahme am IT-Weiterbildungssystem befriedigt werden?
Ausbildung ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der Unternehmen, um Fachkräfte zu rekrutieren und zu binden. Die IT-Berufe werden seit Jahren konstant nachgefragt, die Zahl der jährlich neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den IT-Berufen lag im Durchschnitt der letzten Jahre bei ca. 15.000, im letzten Jahr steigend auf ca. 16.000. Mit zuletzt über 12.000 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen und seit Jahren steigender Tendenz bildet der Ausbildungsberuf Fachinformatiker/-in die Kernmarke unter den IT-Berufen. Demgegenüber sind die Zahlen in den drei anderen Berufen seit Jahren rückläufig.
Bei den Fachinformatikern und IT-Fachkräften mit akademischem oder dualem Studienabschluss sehen die befragten Personal- und Ausbildungsverantwortlichen sowie Lehrkräfte auch künftig den stärksten Fachkräftebedarf: Knapp 45 % gehen davon aus, dass der Bedarf an akademisch qualifizierten IT-Fachkräften steigen wird. Jeweils mehr als jede/-r Dritte vermutet zudem, dass künftig mehr Fachinformatiker/-innen für Anwendungsentwicklung (39,9 %), Fachinformatiker/-innen für Systemintegration (36,7 %) sowie Fachkräfte mit dualem Studium (38,6 %) benötigt werden.
Für die Abschlüsse im IT-Weiterbildungssystem wird vor allem von den Befragten im Wirtschaftszweig Verteidigung ein steigender Bedarf attestiert. Die Werte liegen hier zwischen 48,5 % (IT-Spezialist), 44,1 % (operativer IT-Professional) und 35,3 % (strategischer IT-Professional).
Bezogen auf die absoluten Zahlen hat das IT-Weiterbildungssystem allerdings nur eine geringe Bedeutung. Wie der DIHK in seiner Statistik ausweist, lag die Zahl der Absolventen bei den operativen Professionals im Jahre 2015 bei 768.
Die marginale Bedeutung des IT-Weiterbildungssystems zeigt sich auch im Weiterbildungsverhalten der befragten IT-Fachkräfte. Bezogen auf die Frage, "Haben Sie sich in den letzten fünf Jahren beruflich fortgebildet?" geben 39 % der befragten IT-Fachkräfte an, ein oder mehrere Zertifikate - vor allem Herstellerzertifikate im Bereich Systemadministration - erworben zu haben, gefolgt von 18 % der Fachkräfte, die ein Studium aufgenommen oder beendet haben. Deutlich zurück liegen die Zahlen für die Abschlüsse IT-Spezialist (4,1 %) und operativer IT-Professional (3,7 %).
Fragt man die Die Personalverantwortlichen und die IT-Fachkräfte nach den Gründen für den Erwerb von Herstellerzertifikaten, so wird am häufigsten argumentiert, dass diese Zertifikate die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen: Gut 80 % der Befragten stimmen dieser Aussage eher oder voll und ganz zu. Knapp die Hälfte der Befragten geben an, dass die Herstellerzertifikate von Kunden gefordert werden (49,5 %). Der Aussage, dass der Arbeitgeber die Herstellerzertifikate als zwingend erforderliche Weiterbildungsmaßnahme einstuft, stimmen etwas mehr als 40 % der Befragten zu. Am seltensten werden Zertifikate erworben, weil sie für die Tätigkeit notwendig sind. Nur 38,3 % der Befragten geben diese Begründung an. Zertifikate werden also weniger wegen der Inhalte, als wegen des Marketings der eigenen Person bzw. der Firma erworben.
Auch die Ausbildung in den IT-Berufen endet mit der Prüfung. Sie haben die Experten, die z.T. selbst als Prüfer oder als Ersteller von Prüfungsaufgaben tätig sind nach der Eignung der Prüfungsinstrumente 'Fachgespräch' und 'betriebliche Projektarbeit' befragt. Offenbar halten die Experten beide Prüfungsinstrumente ganz überwiegend für gut geeignet. Womit begründen Sie dies und gibt es hier Aktualisierungs- oder Überarbeitungsbedarf?
Etwa ein Viertel der Befragten der Online-Befragung waren oder sind Mitglied in einem IHK-Prüfungsausschuss für die IT-Berufe oder andere IT-bezogene Kammerabschlüsse (24,9 %). Insbesondere die betriebliche Projektarbeit als Teil der Abschlussprüfung wird in den Interviews als sehr praxisnah beschrieben. In der Online-Befragung halten 60 % aller Befragten die betriebliche Projektarbeit in Verbindung mit dem Fachgespräch für sehr geeignet und noch einmal 30 % der Befragten für geeignet. Lediglich die für die Durchführung der Projektarbeit veranschlagte Zeit (35 h bzw. 70 h) sei zu knapp bemessen. Gefragt wurde auch nach der Eignung der gestreckten Abschlussprüfung (GAP) als zukünftige Prüfungsform. Bei ihr erfolgt unter Wegfall der klassischen Zwischenprüfung die Abschlussprüfung in zwei zeitlich getrennten Teilen, die beide in die Bewertung einfließen. Festzuhalten ist, dass 62 % der Befragten das Konzept der GAP nicht bekannt war. Mehr als die Hälfte der Befragten, die das Konzept der GAP kennen, empfinden eine solche Prüfung als zumindest eher positiv (55,5 %), weitere 22,7 % konnten zumindest positive Elemente erkennen. Vorteile der GAP sind nach Meinung der Befragten die Verlagerung der Prüfung auf mehrere Prüfungszeitpunkte. Es wird empfohlen, bei der GAP mehr Flexibilität bei den Gewichtungen von Teil 1 und 2 zu erlauben. Als nachteilig wird ein möglicherweise erhöhter Personalaufwand bei der GAP genannt.
Sie weisen zu Recht darauf hin, dass sich Abgrenzungen bzw. Ergänzungen der IT-Berufe auch daraus ableiten lassen, welche Berufe zusammen in einem Betrieb ausgebildet werden. Dabei stellen Sie fest, dass die allermeisten Befragten mit der aktuellen Ordnung der IT-Berufe gut bis sehr gut zurechtkommen. Dass Sie in diesem Zusammenhang zu dem Schluss kommen, dass die Unterschiede zwischen allen IT-Berufen aus berufspraktischer Sicht eher theoretisch bleiben, überrascht denn aber doch. Dann könnte man ja einige IT-Berufe einfach zusammenlegen? Damit wären wir ja praktisch bei der Frage der Empfehlungen, die Sie aus Ihrer Analyse ableiten.
Generell lässt sich sagen, dass die Zufriedenheit mit der betrieblichen Ausbildung in den IT-Berufen sehr hoch ist. Das trifft allerdings nicht in gleicher Weise auf die schulische Ausbildung zu. Die berufsschulische Ausbildung in den IT-Berufen sollte noch einmal näher beleuchtet werden, da die Ergebnisse dazu deutliche Hinweise geben. Im Fokus sollten dabei der Lehrstoff und die fachliche und methodische Ausbildung der Lehrkräfte stehen. Wichtig wäre auch, die Abstimmung zwischen den Lernorten zu verbessern.
Insgesamt gibt es eine große Zustimmung zu den Inhalten der bestehenden Ausbildungsordnungen. Je nach Ausbildungsberuf sind zwischen 58,9 % und 53,6 %, also jeweils mehr als die Hälfte der Befragten der Ansicht, dass keine wichtigen Kompetenzen vermisst werden. Wenn auch der Anteil der Kritiker/-innen insgesamt eher gering ausfällt, so sind diese sich einig: IT-Sicherheit bzw. Cyber Security ist schon zum aktuellen Zeitpunkt ein Thema, das sich die Fachkräfte, unabhängig vom erlernten IT-Beruf, für ihre beruflichen Tätigkeiten selbst beibringen müssen, da es in den Berufsbildern nicht berücksichtigt wird. Auch Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse zu den Themen Mobile Computing bzw. Mobile Devices und Virtualisierung werden zukünftig in mehreren IT-Berufen verstärkt benötigt. Hinzu kommt das Thema der sozialen und personalen Kompetenzen, dass über alle Befragtengruppen hinweg als sehr wichtig erachtet wird.
Neben einem inhaltlichen Anpassungsbedarf zeigen die Ergebnisse der Untersuchung aber auch, dass es Überarbeitungsbedarf bei den Berufsprofilen gibt. Die Profile der beiden Fachrichtungen des Fachinformatikers / der Fachinformatikerin grenzen sich klar voneinander ab, was sich auch in der beruflichen Tätigkeit der ausgebildeten Fachkräfte widerspiegelt. Diese Profilierung könnte weiter unterstützt werden, indem beiden Fachrichtungen zu eigenständigen Berufen weiterentwickelt werden. Für die beiden kaufmännisch orientierten Berufe IT-System-Kaufmann/-frau und Informatikkaufmann/-frau ist das Gegenteil der Fall. Die - eigentlich - im Berufsprofil gegebene Differenzierung wird von der Praxis nicht angenommen, die Tätigkeitsbereiche sind weitgehend identisch. Entsprechend befürwortet zweidrittel der Befragten eine Zusammenlegung der beiden Berufe. Auch zwischen dem IT-System-Elektroniker / der IT-System-Elektronikerin und dem Fachinformatiker / der Fachinformatikerin der Fachrichtung Systemintegration gibt es große inhaltliche Überschneidungen. Außerdem sind die Ausbildungszahlen des IT-System-Elektronikers / der IT-System-Elektronikerin seit Jahren rückläufig. Die Frage eine Zusammenlegung muss hier aber differenzierter betrachtet werden, weil sich z. B. die Klientel beider Berufe im Hinblick auf die schulischen Abschlüsse deutlich unterscheidet. Wir haben in unseren Empfehlungen solche Fragen berücksichtigt und zwei mögliche Modelle für die Überarbeitung der IT-Berufe entwickelt, die derzeit von den bildungspolitischen Akteuren diskutiert werden.
...zum Weiterlesen: H. Schwarz/St. Conein/H. Tutschner/M. Isenmann/A. Schmickler in Zusammenarbeit mit J. Kröll und Tülin Engin-Stock: Voruntersuchung IT-Berufe - Abschlussbericht Teil A, Forschungsprojekt 4.3.497, Print, Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Bonn, Dezember 2016.
Der Abschlussbericht des BIBB zum Modernisierungsbedarf der IT-Berufe: https://www.bibb.de/de/59343.php
Wer ist Henrik Schwarz?
Dipl.-Soziologe Henrik Schwarz startete mit einer Ausbildung zum Maschinenschlosser ins Berufsleben und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich 4.4 Elektro-, IT- und naturwissenschaftliche Berufe des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) Bonn. Er hat in diesem und anderen Funktionsbereich an zahlreichen Novellierungen, Überarbeitungen und Neuschaffungen von Ausbildungsberufen bzw. -inhalten mitgewirkt und seine Expertise auch in Projekte der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit eingebracht.