IG Metall
„WAP” das Berufsbildungsportal
WAP - Springe direkt:
Inhalt
     
(C) Arne Trautmann / Panthermedia.net

BVG-Urteil zur Akkreditierung

Bundesverfassungsgericht fordert gesetzliche Grundlage für Akkreditierung

19.03.2016 Ι Freitag Mittag war es soweit. In einem von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkten Verfahren hat das Bundesverfassunggericht ein weitreichendes Urteil zur Akkreditierung von Studiengängen gefasst. Im Kern läuft das Urteil darauf hinaus, eine gesetzliche Grundlage für die externe Qualitätssicherung zu schaffen. Der Gesetzgeber hat jetzt Zeit bis Ende 2017. Wie weit das Urteil auf das nationale und vielleicht auch europäische System der externen Qualitätssicherung Einfluss haben wird und evtl. auch in den Bologna-Prozess eingreifen wird, muss in den nächsten Wochen auf der Basis des Urteils geprüft werden.

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt fand in den letzten Jahren eine grundsätzliche rechtspolitische Auseinandersetzung um Akkreditierung statt. Ausgangspunkt war eine Klage einer privaten Hochschule gegen die Akkreditierungsentscheidung einer Agentur. Das zuständige Gericht in Arnsberg gab das Verfahren an das Bundesverfassungsgericht, dessen Erster Senat am Freitag dazu ein weitreichendes Urteil gefällt hat. In der Pressemitteilung des BVG wird dazu ausgeführt:

 

Die Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach Studiengänge durch Agenturen "nach den geltenden Regelungen" akkreditiert werden müssen, sind mit dem Grundgesetz (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar. Dies hat der Erste Senat mit heute veröffentlichtem Beschluss in einem Verfahren der konkreten Normenkontrolle auf Vorlage des Verwaltungsgerichts Arnsberg entschieden. Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit steht zwar Vorgaben zur Qualitätssicherung von Studienangeboten grundsätzlich nicht entgegen. Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen darf der Gesetzgeber jedoch nicht anderen Akteuren überlassen. Der Landesgesetzgeber hat verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens vom 1. Januar 2018 an zu treffen.

 

Ausgangspunkt der Beurteilung seitens des Bundesverfassungsgerichts ist die Wissenschaftsfreiheit. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht bereits in der Vergangenheit weitreichende Urteile gefällt. Der hohe Wert der Wissenschaftsfreiheit ist auch die Grundlage dieses Urteils. Demnach kann der Gesetzgeber elementare Regelungen zum Inhalt von Studium und Lehre und der Regelungen der Studienbedingungen, soweit sie die Wissenschaftsfreiheit berühren, nicht ohne weiteres an Dritte abgeben. Politisch werden hierbei die Rechtkonstruktion des Akkredierungsrats, der rechtlich an das Stiftungsgesetz NRW gebunden ist, und Formulierungen des (zur Zeit der Klage geltenden) Hochschulfreiheitsgesetzes NRW infrage gestellt. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, hierzu eine ausreichende gesetzliche Grundlage zu schaffen und elementare Anforderungen an die Qualität von Studium und Lehre selbst vorzunehmen. Die externe Qualitätssicherung an sich stellt das BVG nicht in Frage. In der Pressemitteilung heißt es dazu:

Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber insoweit frei, der Hochschullehre eine externe Qualitätssicherung vorzugeben. Diese Qualitätssicherung der wissenschaftlichen Lehre muss auch nicht auf wissenschaftlich-fachliche Kriterien beschränkt sein, sondern kann die Studienorganisation, die Studienanforderungen und den Studienerfolg bewerten. Ein Hochschulabschluss kann den Berufszugang nur ermöglichen, wenn das Studium bestimmte Qualifikationen vermittelt, potentielle Arbeitgeber dessen Qualität anerkennen und der Abschluss auf einem Arbeitsmarkt mit anderen Abschlüssen verglichen werden kann. Insoweit dient die Qualitätssicherung des Hochschulstudiums der Förderung der in Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit. Aus der Verfassung ergibt sich zudem kein Verbot, neben der Rechtsaufsicht externe Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Lehre vorzusehen.

 

Eine rechts- und bildungspolitische Bewertung des Urteils wird in den nächsten Tagen erfolgen. Aber auf der Basis der vorliegenden Informationen lässt sich feststellen, dass die von vielen als "Demokratiedefizit" beklagte mangelhafte Verankerung des Akkreditierungswesens durch den Gesetzgeber durch das Urteil bestätigt wurde. Die IG Metall hat sich gemeinsam mit dem DGB immer für eine externe Qualitätssicherung in öffentlicher Verantwortung ausgesprochen. Im konkreten Rechtsfall geht es dem BVG um eine Bewertung der Regelungen nach dem zum Zeitpunkt des Rechtsstreits geltenden Hochschulgesetz in NRW, dem damals so genannten Hochschulfreiheitsgesetz. Tatsächlich geht die Wirkung weit darüber hinaus. Der Mangel in der rechtlichen Verankerung ist auf Defizite des Föderalismus zurückzuführen. Daher scheint auch die gewerkschaftliche Forderung nach einem Bundeshochschulgesetz bestätigt. EIne weitere Frage wird sein, ob der Bundesverfassungsgericht neue Formulierungen zur Wissenschaftsfreiheit gefunden hat. Augenscheinlich akzeptiert das Urteil auch die Bedeutung von Art. 12 GG, das die Hochschulen verpflichtet, Studiengänge so zu gestalten, dass AbsolventInnen auch reale Chancen auf gute berufliche Beschäftigungsperspektiven zu erhalten. Wissenschaftsfreiheit gilt also immer im Kontext mit Artikel 12 GG und begründet auch Ansprüche an externe Qualitätssicherung. EIn politische Bewertung des Urteils steht noch aus.

Zur Pressemitteilung des BVG: http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/bvg16-015.html

 

Zum Urteil: http://www.bverfg.de/e/ls20160217_1bvl000810.html

Angemeldete Benutzer können hier ein Kommentar hinterlassen
Links und Zusatzinformationen
Servicebereich