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Teilzeitstudium

02.12.2019 Ι Welche Gründe gibt's, mit reduzierter Stundenzahl zu studieren? Welchen Herausforderungen sehen sich Teilzeitstudierende gegenübergestellt? Welche Hilfen können sie in Anspruch nehmen?

Tim Tielebörger entschied sich nach dem Abitur für ein duales Studium: Neben seinem Bachelor in Präzisionsmaschinenbau absolvierte er eine Ausbildung zum Industriemechaniker. Nicole Schelter wollte nach ihrer Ausbildung zur Technischen Zeichnerin Informatik studieren, musste aber nebenbei arbeiten, denn ihre Eltern weigerten sich, sie finanziell zu unterstützen und sie scheute die gerichtliche Auseinandersetzung mit ihnen. Herbert Hoffmann begann sein Mathe- und Informatikstudium während seiner Promotion - weil ihn der Stoff interessierte und er sich noch etwas fachlichen Input für seine Datenauswertung wünschte. Für alle drei war klar, dass sie niemals vierzig Stunden pro Woche für ihr Studium aufbringen können. Also entschieden sie sich für ein Teilzeitstudium.

(Quelle: IGM | hib)

Zwei Jahre lang verbrachte Tim einige Tage pro Woche in der Hochschule und einige Tage im Betrieb - manchmal musste er auch vor oder nach den Lehrveranstaltungen noch zur Arbeit fahren. Anschließend studierte er in Vollzeit. Insgesamt verlängerte sich die Studienzeit seines Bachelors so von den üblichen drei auf vier Jahre. Nicole und Herbert entschieden sich für ein Studium an der Fernuniversität: Sie bekamen die Studienunterlagen zugeschickt und konnten selbst entscheiden, wann sie sie durcharbeiten wollten. Nicole nutzte dafür vor allem die Bahnfahrt zur Arbeit. Herbert war meist mehr als vierzig Stunden pro Woche an der Uni beschäftigt, so dass er sich die Studienunterlagen meist nach Feierabend vornahm und bis spät in die Nacht daran arbeitete. Oft nutzte er auch den Samstag fürs Studium, den Sonntag versuchte er, sich freizuhalten.

 

Jede Woche etwas weniger Zeit fürs Studium investieren und dafür insgesamt etwas länger brauchen - das ist die Idee des Teilzeitstudiums. Rund 13,5 Prozent der Studiengänge sind laut dem Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz in Teilzeit studierbar. Bei einigen davon handelt es sich sogar explizit um Teilzeitstudiengänge. Der Anteil der Teilzeitstudierenden ist an Bildungseinrichtungen wie der FernUniversität Hagen und einigen privaten Hochschulen sehr hoch, bei den meisten öffentlichen Hochschulen dagegen verschwindend gering. Das liegt auch daran, dass sich die Gesetzeslage von Bundesland zu Bundesland stark unterscheidet.

 

Einen Anspruch auf BAföG haben Teilzeitstudierende in der Regel nicht. Somit ist das Modell vor allem für Studierende interessant, die nebenbei arbeiten und ihr Studium selbst finanzieren - was aber auch nur möglich ist, wenn die Vorlesungs- bzw. Prüfungszeiten sich mit den Arbeitszeiten vereinbaren lassen. Informieren sollten sich Interessierte unbedingt darüber, ob sie als Teilzeitstudierende in die studentische Krankenversicherung aufgenommen werden, Kindergeld bekommen und von anderen Vorteilen des Studierendenstatus profitieren: Dürfen sie im Studentenwohnheim wohnen? Steht ihren Kindern die Uni-Kita offen? Bekommen sie einen Studienkredit? Können sie das Semesterticket und Studentenrabatte nutzen? Wichtig ist auch, welche Fristen für die Beantragung bzw. die Einschreibung in das Teilzeitstudium zu beachten sind und welche Unterlagen dafür eingereicht werden müssen.

 

Für viele Studierenden lässt sich ein Teilzeitstudium in der Praxis häufig nicht realisieren, weil die Finanzierungsmöglichkeiten fehlen. Wer mit reduzierter Stundenzahl studieren möchte, weil er etwa gesundheitlich beeinträchtigt ist, Kinder zu versorgen oder Angehörige zu pflegen hat, muss also häufig eine andere Lösung finden. Das gleiche gilt für diejenigen, die nebenbei zum Beispiel besonders viel Zeit für ein ehrenamtliches Engagement aufbringen oder Leistungssport betreiben. Luisa Todisco kann davon ein Lied singen. Die Berlinerin hatte während ihres Studiums selbst zwei kleine Kinder und betreibt jetzt das Internetportal StudierenPlus.de: "Laut Berliner Hochschulgesetz hat zwar jeder mit Kind, Behinderung oder Job ein Anrecht auf einen Teilzeitstudienplatz. Allerdings bringt die Immatrikulation in Teilzeit auch einige Nachteile mit sich, weil damit der BAföG-Anspruch verloren geht und man in einigen Teilzeitstudiengängen auch nur eine bestimmte Anzahl an Modulen pro Semester belegen kann. Deshalb immatrikulieren sich die meisten in Vollzeit und belegen dann doch nur so viele Kurse, wie sie schaffen", sagt sie. Schwierig könnte das nur sein, wenn an der Hochschule oder im Studiengang unflexible Stundenpläne vorgegeben werden und Anwesenheitspflichten bestehen.

 

Auch die Studierendenstatistik des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2014 zeigt, dass nur 7,2 Prozent der Studierenden formell als Teilzeitstudierende eingeschrieben sind, während de facto nur vierzig Prozent der Studierenden den Studienabschluss in Regelstudienzeit erwerben. In der 2017 veröffentlichten Sozialerhebung gaben sogar 29 Prozent der Studierenden an, weniger als 25 Stunden in das Studium zu investieren, obwohl sie in einen Vollzeitstudiengang eingeschrieben sind. Somit studiert etwas ein Drittel aller Studierenden de facto in Teilzeit.

 

Ein wichtiger Grund dafür, dass sich hierzulande wenige Studierende für Teilzeitstudiengänge entscheiden, ist die fehlende Flexibilität der Studiengänge: Meist wird der Studieraufwand auf die Hälfe reduziert und im Gegenzug die Studiendauer verdoppelt. Viele Studierende wollen aber natürlich lieber immer genau so viel Zeit ins Studium investieren, wie sie gerade aufbringen können. An der FernUni Hagen zum Beispiel ist das möglich. "Die Studierenden können jedes Semester neu entscheiden, ob sie in Voll- oder Teilzeit studieren möchten. Unabhängig davon können sie so viele Kurse belegen wie sie möchten. "Nur in ganz wenigen Fällen hat es eine Auswirkung, ob jemand in Voll- oder Teilzeit studiert: Für die Bearbeitung der Abschlussarbeit steht Teilzeitstudierenden zum Beispiel doppelt so viel Zeit zur Verfügung wie Vollzeitstudierenden", sagt Iryna Petrenko, Fachstudienberaterin in der Fakultät für Mathematik und Informatik.

 

An vielen privaten Hochschulen können Interessierte sich bei Interesse für Teilzeitstudiengänge einschreiben - müssen dafür aber zahlen. Öffentliche Hochschulen fordern von ihren Studierenden in der Regel eine schriftliche Begründung, warum sie in Teilzeit studieren möchten - und entscheiden dann anhand festgelegter Kriterien, ob sie diesem Wunsch nachkommen oder nicht. Aus gewerkschaftlicher Sicht ist das problematisch - zumal die Kriterien recht willkürlich gewählt zu sein scheinen: So berechtigt die Betreuung eines Kindes an manchen Hochschulen nur bis zum 5. Lebensjahr zum Teilzeitstudium, an anderen bis zum 18. Und die Pflege von Angehörigen kann mal eine Begründung sein und mal nicht. Die Gewerkschaften fordern deshalb für alle Studierenden die Möglichkeit, ein Teilzeitstudium zu absolvieren sowie zwischen Voll- und Teilzeitstudium zu wechseln.

 

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