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Die Schnittstelle | Wintersemester 2020/21

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16.12.2020 Ι Zu Hause studieren: Das spart Wege und schont das Klima. Werden wir uns beim Lernen deshalb auch in Zukunft auf Zoom & Co. verlassen?

Rosana Klostermann war gerade umgezogen und hatte noch kein Internet. Dann kam Corona und sie sollte plötzlich im Homeoffice lernen. Zum Glück konnte die Darmstädter Soziologie-Studentin das WLAN der Nachbarin mitnutzen, aber die Signale waren schwach und es kam immer wieder zu Störungen. Einige ihrer Dozierenden zeichnen die Vorlesungen jetzt auf und laden sie als Videos hoch, damit die Studierenden sie sich alleine ansehen und später per Telefon oder Online-Konferenz Fragen stellen können. Andere halten sie live online ab, teilen die Folien zum Beispiel über Zoom und sprechen dazu. Seminare finden ebenso in virtuellen Klassenzimmern statt, Sprachkurse auch, aber jetzt in kleineren Gruppen. "Man fällt sich hier oft gegenseitig ins Wort, weil unklar ist, wer als nächstes sprechen möchte", erzählt die 24-Jährige. Schade finde sie außerdem, dass die Dozierenden zurzeit statt Referaten oder Inputs mehr schriftliche Nachweise wie Thesenpapiere und Hausarbeiten fordern: "Im Beruf werden Präsentationsfähigkeiten von uns erwartet, trainieren können wir die an der Uni jetzt aber weniger."


Der Austausch mit anderen Studierenden findet aktuell nur in privaten Kleingruppen statt, weil Rosana von den meisten keine Kontaktdaten hat. Einige Lehrangebote fallen krisenbedingt komplett aus. Trotz all der Schwierigkeiten ist Rosana dankbar für die Unterstützung, die sie erhält: "Wir haben sehr viel Glück mit unseren Dozierenden. Sie versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, bieten nach wie vor eine qualitativ hochwertige Lehre und sind auch sehr einfühlsam und hilfsbereit, wenn jemand zum Beispiel technische Probleme hat."

(Quelle: Die Schnittstelle | Wintersemester 2020/21, S. 3)

Zahlreiche Studierenden in Deutschland können von ähnlichen Erfahrungen wie Rosana berichten. "Viele Dozierende haben wirklich viel Zeit investiert, um dieses Semester digitale Lehre anbieten zu können", betont etwa Jacob Bühler vom freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs). Dennoch bringe die Situation aus Studierendensicht Probleme und Herausforderungen mit sich: "Kleine WGZimmer und schlechtes Internet erschweren vielen Studierenden den Zugang zu digitaler Bildung. Dazu kommt das oftmals umfangreichere Arbeitspensum. Die wöchentliche Abgabe von Essays oder Textzusammenfassungen bedeutet zum Beispiel einen großen Mehraufwand für Studierende, den Dozierende wohl oft nicht richtig abschätzen können." 

 

Bis vor Kurzem bedeutete digitale Bildung hauptsächlich die Nutzung von Lernplattformen und Lernmanagementsysteme wie Moodle oder Ilias, um digitale Skripte herunterzuladen oder mit Dozierenden wie Kommiliton*innen zu kommunizieren. Doch seit der coronabedingten Schließung der Präsenzbetriebe stehen an den deutschen Hochschulen Online-Seminare und Video-Vorlesungen plötzlich auf der Tagesordnung. Nicht nur Studierende wie Rosana und Jacob, sondern auch Expert*innen sind überrascht von der Dynamik dieser Entwicklung. "Die Dozierenden an den Hochschulen haben von jetzt auf gleich eine Vielzahl unterschiedlicher Konferenztools sowie mit Bild und Ton digitalisierte Vorlesungen eingesetzt", sagt etwa Guido Brombach. Er arbeitet als Mediendidaktiker im IG Metall-Bildungszentrum Sprockhövel und ist zuständig für das Digitale in der Bildung. In den vergangenen Jahrzehnten hatte er an verschiedenen Universitäten Lehraufträge im Bereich der Mediendidaktik.

 

Durch die Corona-Krise sind neue Formen der Online-Lehre in den deutschen Hochschulalltag eingekehrt. Ob dadurch eine Revolution der digitalen Bildung angestoßen wird, ist allerdings fraglich. Zwar gab es schon lange vor Corona Hochschulen und Dozierende, die auf Virtual-Reality-Lehrplattform, Serious Games oder Roboter im Hörsaal setzten und die Resultate ihrer kreativen Arbeit womöglich sogar öffentlich zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung stellten. Und an zentralen E-Learning-Einrichtungen wie studiumdigitale der Goethe-Universität Frankfurt am Main arbeiten Informatiker*innen gemeinsam mit Pädagog*innen, Mediendidaktiker*innen und Techniker*innen schon seit Jahren daran, Informationen über erfolgreiche Lernprozesse zu gewinnen, von denen die Studierenden langfristig profitieren sollen - inzwischen auch mithilfe von künstlicher Intelligenz.


Laut der Studierendenbefragung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung im Rahmen des Hochschulforums Digitalisierung zum Lernen mit digitalen Medien aus dem Jahr 2015 nutzte jedoch nur etwa ein Fünftel der Studierenden und etwa ein Drittel der Informatikstudierenden in Deutschland für das Studium die gesamte Vielfalt digitaler Medien - von digitalen Prüfungen über soziale  Kommunikationstools wie Blogs bis hin zu neuartigen Formaten wie beispielsweise Lernspielen. Und zwischen den Hochschulen waren große Unterschiede zu verzeichnen. Guido Brombach überrascht das nicht: "Nur sehr wenige Lehrende konzipieren mit Leidenschaft neue Formen der digitalen Hochschullehre. Diejenigen, die lieber im Labor stehen oder sich mit ihrer Forschung befassen, werden auch durch Corona keine Freude an solchen innovativen Lehrkonzepten entwickeln." 

 

Nachrichten wie die über den Computerangriff, der die ITInfrastruktur der Ruhr-Universität Bochum in der Corona-Krise zu großen Teilen lahmlegte, zeigen, welche Bedeutung die Datensicherheit für Studierende hat. Andere Fragen rund um die digitale Lehre während und nach den coronabedingten Schließungen sind derzeit noch offen: Wie groß ist etwa der Anteil derjenigen Studierenden, die wie Rosana zumindest kurzzeitig nicht über eine verlässliche Internetverbindung, das notwendige technische Equipment oder einen ruhigen Raum zum Lernen verfügen und somit in Krisenzeiten vom Zugang zur digitalen Bildung abgeschnitten sind? Wie funktioniert der Abgleich von Online- und Präsenzlernen so, dass die Leistungserwartungen für Prüfungen erfüllt werden? Und inwieweit kann auch die berufliche Fort- und Weiterbildung an universitäre Online-Lernkonzepte anknüpfen?


Klar ist aus gewerkschaftlicher Sicht, dass digitale Bildung soziale Ungleichheiten von vornherein erkennen und beseitigen sollte: "Die Hochschulen sollten zum Beispiel Laptops für diejenigen Studierenden zur Verfügung stellen, die sich kein eigenes Gerät kaufen können", betont Guido Brombach. "Und wenn digitale Werkzeuge zum Einsatz kommen, muss es immer auch begleitende Angebote zur Schulung der für die Nutzung notwendigen Kompetenzen geben." Die Hochschulen sollten zudem sicherstellen, dass die in der digitalen Lehre erhobenen Daten nicht zu Ungunsten der Studierenden genutzt werden. Außerdem müssen Studierende die Möglichkeit bekommen, bei der Gestaltung der digitalen Lehre aktiv mitzuwirken. Das sehen auch die zahlreichen Studierendenvertretungen so, die sich gemeinsam mit dem fzs im bundesweiten Bündnis "Solidarsemester 2020" zusammengeschlossen haben. Jacob Bühler sagt: "Studierende und Dozierende müssen gemeinsam an der Weiterentwicklung von digitalen Formaten arbeiten - statt der Freude über die tolle Technik sollte dabei die Verbesserung der Lehre im Mittelpunkt stehen."

  • https://solidarsemester.de
  • Lerngruppen und Arbeitskreise unter erschwerten Bedingungen. Das Studium verlangt von uns gerade eine viel höhere Selbstständigkeit. Aber wie kann man auch zu Hause die "Aufschieberitis" besiegen und erfolgreich lernen? Hier sind acht Tipps, die Dir dabei helfen sollen:

     

    1. Lernroutinen: Entwickle Routinen, die Dich beim Lernen unterstützen können. Lerne zum Beispiel immer am selben Ort oder stimme Dich mit einem Ritual aufs Lernen ein.
    2. Ziele setzten: Setzte Dir kleine und realistische Tagesziele. Das motiviert und strukturiert Deine Lernphase.
    3. Kontrolle: Überprüfe Deinen Lernprozess, nicht nur das Ergebnis. Bist Du zufrieden? Was hättest Du besser machen können? Entwickle Dein Lernen aktiv weiter.
    4. Struktur: Mache Dir einen Lernplan. Was muss bis wann fertig sein? Wieviel Zeit brauchst Du für die Vorbereitung? Ein guter Plan wird Dir helfen, den Berg an Aufgaben zu überblicken und zu bewältigen.
    5. Priorisiere: Lass Dich nicht von Deinen Aufgaben treiben, sondern setzte Prioritäten und sortiere unnötige Aufgaben aus.
    6. Organisation: Organisiere Dir einen festen Lernzeitraum. Beachte dabei Deinen persönlichen Tagesrhythmus. Wann bist Du produktiv? Wann kannst Du Dich gut konzentrieren? Nutze diese Zeiträume aktiv zum Lernen.
    7. Pausen: Mach regelmäßige und richtige Pausen. Es tut gut, in regelmäßigen Abständen den Kopf frei zu machen. Steh auf und beweg Dich oder gönn Dir einen Snack. Danach geht das Lernen wieder leichter.
    8. Ruhe: Schalte Dein Smartphone aus und sag Deinen Mitbewohner*innen Bescheid. Schaffe Dir eine störungsfreie Atmosphäre, denn bei jeder Störung geht Deine Konzentration weg und Du musst sie erst wieder mühsam aufbauen.

     

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