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Empfehlung des Landesausschuss für Berufsbildung Thüringen

Inklusion in der Berufsbildung: Betriebe brauchen mehr Informationen

07.04.2015 Ι Thomas Steinhäuser, in Amtsunion erster und zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Suhl-Sonneberg und Eisenach, ist aus der Berufsbildungspolitik in Thüringen nicht wegzudenken. Im Landesausschuss für Berufsbildung engagierte er sich für die Inklusion von Jugendlichen mit Behinderung in die betriebliche Ausbildung. Die in einem dreijährigen Diskussionsprozess erarbeitete Empfehlung Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderung belegt, welch großen Sachverstand und Gestaltungskompetenz das Gremium hat. Alle im Landesausschuss wollen möglichst viele behinderte Jugendliche mit einem betrieblichen Ausbildungsvertrag ausstatten. Die veränderten Bedingungen auf dem Ausbildungsmarkt könnten dabei helfen.

Die Veränderungen auf dem Ausbildungsmarkt in Thüringen sind dramatisch: Es mangelt an Bewerbern. Entsteht draus eine wachsende Chance für eine betriebliche Ausbildung von behinderten Jugendlichen?

 

Ja, auf jeden Fall. Wir haben bei den Azubis einen Rückgang um zwei Drittel. Gerade gesundheitlich eingeschränkte Jugendliche können von dieser veränderten Lage auf dem Ausbildungsmarkt profitieren. Natürlich müssen sich die Ausbildungsbetriebe auf diese Jugendlichen einstellen. Aber das können sie, wenn sie es denn wollen. Es kann auch sein, dass der Aufwand für die Ausbildung wächst. Das sollte uns aber das Ziel der Inklusion Wert sein.

 

Verbessern sich dann auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt?

 

Mit einer betrieblich absolvierten Ausbildung ist der Berufseinstieg auf jeden Fall leichter. Die Nähe zum Betrieb zahlt sich in diesen Fällen aus. Die Werkstätten für behinderte Menschen machen eine gute Arbeit, aber dennoch hat eine Ausbildung in diesen Einrichtungen nicht das Image wie eine betriebliche Ausbildung.

 

Wie haben die Betriebe reagiert?

 

Die Kammern haben intensiv bei ihren Mitgliedern nachgefragt, wie sie zur Ausbildung gesundheitlich eingeschränkter Menschen stehen. Es gab keine grundsätzliche Ablehnung. Fast alle haben aber gesagt, sie wüssten weder wie es geht, noch auf was sie sich dabei einlassen und es bestanden Ängste, die aufkommenden Fragen nicht gelöst zu bekommen.

 

Warum habt ihr das Thema in den Landesausschuss für Berufsbildung getragen?

 

Wir wollten uns einen genauen Überblick verschaffen. Es ist doch erklärungsbedürftig, warum es in Thüringen - und übrigens auch in den anderen neuen Ländern - vergleichsweise viele Jugendliche gibt, die in Berufen für Menschen mit Behinderungen ausgebildet werden. Zusammen mit der Agentur für Arbeit und den zuständigen Stellen haben wir z.B. festgestellt, dass viele dieser Auszubildenden gute Schulabschlüsse haben. So können zwei von drei Azubis einen Hauptschul- oder Realschulabschluss vorweisen.

 

Und woran liegt es?

 

Der Ausbildungsmarkt in den ersten Jahren nach der deutschen Einheit gestaltete sich ausgesprochen schwierig. Viele Jugendliche bekamen damals keine Ausbildung. Jugendliche erhielten schnell den Stempel Lernbehindert. Ihre Ausbildung konnte dann gefördert werden. Ein Ausbildungsplatz in einer Werkstatt für behinderte Menschen war damals wie ein Lottogewinn.

 

Solche Entwicklungen rückgängig zu machen ist doch schwierig?

 

Ja, das ist so. Wir hatten in den sechs Thüringer Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern rund 35 verschiedene Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderungen. Das ist inzwischen überprüft und vereinheitlicht. Natürlich arbeiten wir in Thüringen auch mit den Bundesregelungen, die es ja inzwischen gibt. Ich denke, wir sind jetzt mit unseren Ordnungen in Thüringen gut unterwegs.

 

Die Bildungseinrichtungen, aber auch die Agenturen für Arbeit, neigen dazu, möglichst für jeden Einzelfall eine Regelung zu bekommen. Gelingt es diese Entwicklung zu stoppen?

 

Wir achten darauf, dass auf der Basis von § 66 Berufsbildungsgesetz und § 42 m der Handwerksordnung ein ausreichendes Angebot besteht, ohne dass wir für jeden Jugendlichen eine Regelung neu schaffen. Die Berufsschulen haben Schwierigkeiten den Unterricht zu gewährleisten, wenn es zu viele Spezialregelungen gibt.

 

Passten denn die angebotenen Berufe zum Arbeitsmarkt?

 

Das wurde überprüft. Es werden grundsätzlich nur neue Regelungen im Berufsbildungsausschuss erlassen, wenn auch ein entsprechender Bedarf vorliegt und nachgewiesen ist.

 

Gab es auch Empfehlungen für die Landesregierung?

 

Die Landesregierung haben wir ermuntert, weitere Hilfestellungen für Unternehmen zu entwickeln. Es gibt eine Vielzahl von Förderungen für Betriebe, die Angebote machen. Das ist aber zu wenig bekannt. Wer weiß schon, dass die Bundesagentur für Arbeit, das Land, Integrationsämter, die Rentenversicherung und die Unfallversicherung die Teilhabe am Arbeitsleben unterstützen können. Information und Aufklärung ist ein ganz wichtiger Punkt.

 

Hat die Entwicklung des Beschlusses viel Zeit in Anspruch genommen?

 

Das kann man wohl sagen: Wir haben insgesamt drei Jahre diskutiert und beraten. Dennoch hat sich der Aufwand gelohnt. Am Ende waren alle mit im Boot beim Entrümpeln, Verschlanken, Vereinfachen und Vereinheitlichen. Das gilt auch für den Ansatz, die Betriebe stärker mit in die Ausbildung von gesundheitlich beeinträchtigten Jugendlichen einzubinden.

 

Helfen gute Beispiele?

 

Natürlich. Die Ausbildung von Jawid Gasimov, der einen schweren Hörschaden hat, ist so ein gelungenes Beispiel. Er hat bei Opel in Eisenach den Beruf des Fertigungsmechanikers erlernt. Das strahlt aus und überzeugt. Unsicherheit und Ängste bei Betrieben verschwinden, wenn sie sehen, das funktioniert im Betrieb und in der Berufsschule. Das ist eine klassische Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

 

Inklusion in der Berufsbildung ist also machbar?

 

Unsere Botschaft ist einfach und gut: Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen sind nicht weniger leistungsfähig als andere. Sie sind an der ein oder anderen Stelle anders unterwegs, darauf muss man sich einstellen. Tun wir das, dann ist Inklusion eine Erfolgsstory.

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