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Berichtsheft: Fristlose Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses
Führt ein Auszubildender trotz wiederholter Abmahnungen vorgeschriebene Berichthefte nicht oder nicht ordnungsgemäß, kann dies die außerordentlicheKündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses rechtfertigen.
Fundstellen
Bibliothek BAG (Gründe)RzK IV 3a Nr 40 (red. Leitsatz 1 und Gründe)
EzB-VjA BBiG § 15 Abs 2 Nr 1 Nr 87a (red. Leitsatz 1 und Gründe)
weitere Fundstellen
EzB-VjA BBiG § 6 Abs 1 Nr 4 Nr 13 (red. Leitsatz)EzB-VjA BBiG § 9 Nr 59 (red. Leitsatz)
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Elmshorn, 12. Dezember 2001, Az: 4 Ca 962 b/01, Urteil
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 12.12.01 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.457,18 EUR.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Ausbildungsverhältnis durch die fristlose
Kündigung der Beklagten gemäß Schreiben vom 12.04.01 beendet worden ist. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 12.12.2001 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat das Feststellungsbegehren des Klägers mit der Begründung abgewiesen, dass die Nichterstellung der Berichte einen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses darstelle. Die Beklagte habe den Kläger wiederholt ermahnt sowie mündlich und schriftlich abgemahnt. Das Verhalten des Klägers habe der Beklagte nicht hinzunehmen brauchen, auch wenn der Kläger in der Schule gute Leistungen aufgewiesen habe.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet.
Er trägt vor:
Dem Kläger werde einzig und allein vorgeworfen, seiner Verpflichtung, die Berichtshefte ordnungsgemäß zu führen und regelmäßig vorzulegen, nicht nachgekommen zu sein. Im Kündigungszeitpunkt sei überhaupt nicht absehbar gewesen, dass der Kläger tatsächlich wegen fehlender Berichte nicht zur Prüfung zugelassen worden wäre. Schließlich hätte er bis zur Prüfung die fehlenden Berichte noch nachschreiben können. Dass der Kläger zur Prüfung nicht angemeldet bzw. möglicherweise wegen eines nicht vollständigen Berichtshefts nicht zugelassen werde, sei kein Kündigungsgrund. In diesem Fall würde das Ausbildungsverhältnis durch Zeitablauf, wie im Ausbildungsvertrag vorgesehen, enden. Darüber hinaus treffe es nicht zu, dass der Kläger hinsichtlich der Berichtshefte beharrlich gegen Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis verstoßen habe. Im Übrigen sei das Urteil auch hinsichtlich der Interessenabwägung zu beanstanden. Hierbei sei dem besonderen Charakter des Berufsausbildungsverhältnisses entsprechend stets die im Zeitpunkt der Kündigung bereits zurückgelegte Ausbildungszeit im Verhältnis zur Gesamtdauer der Ausbildung zu berücksichtigen. Der Kläger habe sich bereits im vierten Ausbildungsjahr befunden, gute Leistungen in der Berufsschule erbracht und keine unentschuldigten Fehlzeiten gehabt. All dies habe das Arbeitsgericht weniger schwer wiegen lassen als die Befürchtung der Beklagten, der Kläger werde nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen und das Ausbildungsverhältnis verlängere sich dadurch um ein Jahr.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 12.12.2001 - 4 Ca 962 b/01 - abzuändern und festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.04.2001 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie trägt vor, nach § 15 BBiG könne ein Ausbildungsverhältnis bei schwerem Fehlverhalten gekündigt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszuge wird auf den Inhalt der vorbereitend gewechselten Schriftsätze verwiesen. Das Berufungsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 15.03.2002 Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft der Handwerkskammer Lübeck. Auf den Inhalt des Beweisbeschlusses sowie die schriftliche Auskunft der Handwerkskammer Lübeck vom 18.03.2002 wird verwiesen. Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Mit dem angefochtenen Urteil ist die Berufungskammer der Auffassung, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten gemäß Schreiben vom 12.04.2001 beendet worden ist. Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren sind nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Die rechtlichen Voraussetzungen des wichtigen Grundes nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG entsprechen denen des § 626 Abs. 1 BGB ; allerdings wird der Inhalt des Ausbildungsverhältnisses im Sinne des BBiG auch und gerade durch die in den §§ 6 und 9 BBiG für beide Vertragspartner ausdrücklich gesetzlich festgelegten Pflichten bestimmt. Der Ausbildende hat den Auszubildenden u. a. "zum Führen von Berichtsheften anzuhalten, soweit solche im Rahmen der Berufsausbildung verlangt werden, und diese durchzusehen" - § 6 Abs. 1 Nr. 4 BBiG -. In dem Ausbildungsvertrag der Parteien ist in § 4 Ziff. 7 bestimmt, dass der Auszubildende "ein vorgeschriebenes Berichtsheft ordnungsgemäß zu führen und regelmäßig vorzulegen" hat. Unter diesen Voraussetzungen hat der Kläger, der sein Berichtsheft, wie dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils zu entnehmen ist, nicht ordnungsgemäß geführt hat, gegen seine Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis verstoßen. Nach den zur Akte gereichten Unterlagen hat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 10.01.2000 aufgefordert, das "Berichtsheft (aktueller Stand)" vorzulegen. Mit Schreiben vom 05.12.2000 hat sie den Kläger wegen Nichtvorlage der Berichte abgemahnt und aufgefordert, diesen Missstand bis zum 15.12.2000 zu beseitigen. Mit Schreiben vom 2. März 2001 hat sie den Kläger erneut abgemahnt und aufgefordert, die kompletten Berichte bis zum 31.03.2001 vorzulegen. Nachdem der Kläger in der 10. Kalenderwoche 2001 sein Berichtsheft abgegeben hatte, hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.03.2001 die für das erste, zweite und dritte Ausbildungsjahr festgestellten Mängel aufgelistet. Mit Schreiben vom 04.04.2001 hat sie dem Kläger mitgeteilt, dass sie seine Berichte bis zum 09.04.2001 erwarte. Diese Frist hat der Kläger nicht eingehalten.
Unter diesen Umständen war die Beklagte berechtigt, das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 12.04. fristlos aufzukündigen - vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 03.11.1997, LAGE Nr. 12 zu § 15 BBiG -. Der Kläger hat gegen seine Pflicht, sein Berichtsheft ordnungsgemäß zu führen und vorzulegen, beharrlich verstoßen, wie das erstinstanzliche Urteil zutreffend feststellt. Unerheblich ist der Vortrag des Klägers, dass er während der gesamten Ausbildungszeit ständig bemüht gewesen sei, sein Berichtsheft ordnungsgemäß zu führen und dies auch regelmäßig vorzulegen; während es insoweit am Anfang der Ausbildung keine Probleme gegeben habe und der verantwortliche Herr P. die Berichte abgezeichnet und für gut befunden habe, sei es nach kurzer Zeit so gewesen, dass die Beklagte die Berichte ohne rechtfertigenden Grund nicht anerkannt und sich geweigert habe, diese zu unterschreiben; zu keiner Zeit sei dem Kläger im Betrieb erklärt und gezeigt worden, wie er das Berichtsheft nach den Vorstellungen der Beklagten zu führen habe; es sei bemängelt worden, dass der Kläger nicht das richtige Schriftbild nutzen würde, die Berichte hätten in der sogenannten Normschrift erstellt werden sollen; ferner sei bemängelt worden, dass der Kläger nicht den richtigen Schreibstift verwenden würde, weil dieser Stift durchdrücken würde; weiter sei beanstandet worden, dass der Kläger angeblich nicht die richtigen Ausdrücke verwende, wie z. B. den Begriff "Flex"; er sei angehalten worden, in seine Ausbildungsnachweise Tätigkeiten aufzunehmen, die er tatsächlich nicht durchgeführt habe; so habe der Kläger angeben sollen, dass er ein Fenster komplett montiert habe, obwohl er nur Vor- und Zuarbeiten zur Fenstermontage durchgeführt habe. Diese Einwände des Klägers gehen an den Vorhalten der Beklagten vorbei. In Ihren Abmahnungen vom 05.12.2000, 02.03. sowie 04.04.2001 beanstandet die Beklagte, dass Berichte fehlen und der Kläger kein vollständiges Berichtsheft eingereicht hat. In ihrem Schreiben vom 12.03.2001 hat die Beklagte für das erste, zweite und dritte Ausbildungsjahr die fehlenden Berichte und Ausbildungsnachweise aufgelistet. Nicht gefolgt werden kann dem Einwand des Klägers, dass es ihm aufgrund der von der Beklagten ständig verlangten Neufertigung der Ausbildungsberichte und der dadurch entstandenen Rückstände gar nicht möglich gewesen sei, die gesamten geforderten Berichte bis zum 31.03. bzw. 09.04.2001 in einer den Vorstellungen und Wünschen der Beklagten entsprechenden Weise neu zu erstellen und vorzulegen. Auszugehen ist vielmehr davon, dass der Kläger ausreichend Zeit gehabt hat, die Berichte zu erstellen. In ihrem Abmahnungsschreiben vom 05.12.2000 hält die Beklagte dem Kläger vor, dass er "schon mehrfach" mündlich abgemahnt worden sei, die fehlenden Berichte einzureichen. In dem Schreiben vom 04.04.2001 weist sie ihn auf "die Möglichkeit, die Berichte im Betrieb zu schreiben" hin, die der Kläger jedoch nicht wahrnehme.
Die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hatte zwar bei Ausspruch der Kündigung gemäß Schreiben vom 12.04.2001, das ihm am 17.04. zuging, die Ausbildungszeit, die am 01.08.1998 begonnen hatte, bereits überwiegend zurückgelegt, denn die Gesellenprüfung für den Kläger sollte am 24.01.02 stattfinden. Andererseits hat der Kläger beharrlich gegen seine im Ausbildungsvertrag geregelte Verpflichtung verstoßen, das Berichtsheft ordnungsgemäß zu führen und vorzulegen. Auszugehen ist davon, dass die Beklagte alles versucht hat, den Kläger dazu anzuhalten, diese vertragliche Pflicht zu erfüllen. Die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses war der Beklagten unabhängig davon unzumutbar, ob der Kläger, worauf das angefochtene Urteil hinweist, nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen werden würde. Auf diesen Umstand hat die Beklagte weder in ihrem Kündigungsschreiben vom 12.04.2001 hingewiesen noch in ihrer erstinstanzlichen Klagerwiderung vom 21.11.. Über die Zulassung zur Gesellenprüfung entscheidet, wie sich aus der Auskunft der Handwerkskammer Lübeck vom 18.03.2002 ergibt, gemäß § 36 Abs. 2 Handwerksordnung der Vorsitzende; hält dieser die Zulassungsvoraussetzungen für nicht gegeben, so entscheidet der gesamte Prüfungsausschuss. Dahingestellt bleiben kann daher der Vortrag des Klägers, dass sein jetziger Ausbildungsmeister die von ihm gefertigten Berichte für in Ordnung befunden habe.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 3 , 97 ZPO , 72 Abs. 1 ArbGG.