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Befangenheit: Anspruch auf faires Prüfungsverfahren
Befangenheit eines Prüfers; Anspruch auf faires Prüfungsverfahren
Gerichtsentscheid:
Leitsatz
1. Zur Befangenheit eines Prüfers und zur Fairneß im Prüfungsverfahren.
Orientierungssatz
1. Der Verstoß eines Prüfers gegen die Gebote der Fairneß führt erst dann zur Verletzung der Rechte des Prüflings und zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung, wenn nicht auszuschließen ist, daß sich das Fehlverhalten als leistungsverfälschende psychische Belastung auf den Prüfling und seine Leistungen negativ ausgewirkt hat (So auch BVerwG, 1978-04-28, VII C 50.75, BVerwGE 55, 355 ).
Fundstellen
Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr 126 (red. Leitsatz 1 und Gründe)
Diese Entscheidung zitiert
So auch BVerwG 7. Senat, 28. April 1978, Az: VII C 50.75
Rechtsprechung:
Der Kläger, der die Zweite juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (7,08 Punkte) bestand, erstrebt die Verpflichtung des beklagten Landesjustizprüfungsamtes, seine Hausarbeit neu zu bewerten und die Gesamtnote der Prüfung neu festzusetzen. Seine vor dem Verwaltungsgericht erfolgreiche Klage hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen.
Die Beschwerde, mit der der Kläger die Zulassung der Revision begehrt, ist nicht begründet. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der Grundsätzlichkeit und des Verfahrensmangels ( § 132 Abs 2 Nr 1 und 3 VwGO ) sind nicht gegeben.
1. Die Beschwerde bemängelt, daß das Oberverwaltungsgericht Voreingenommenheit eines Prüfers als verfahrensrechtlich erheblichen Fehler der Prüfung nur gelten lassen wolle, wenn die Gefahr, daß die Prüfungsbeurteilung nicht allein durch sachliche Erwägungen bestimmt worden sei, mindestens durch Hinweise in der Endbeurteilung erhärtet werde. Damit sei die iS von § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO rechtsgrundsätzlich bedeutsame und vom Oberverwaltungsgericht zu Unrecht bejahte Frage aufgeworfen, ob Randbemerkungen zu schriftlichen Prüfungsarbeiten solange unsachlich sein dürfen, wie sie nicht in der Endbeurteilung zum Ausdruck kommen. Für die Besorgnis, ein Prüfer sei befangen, komme es weder darauf an, ob die sie begründenden Umstände vor oder erst bei Erlaß der Prüfungsentscheidung zutage träten, noch darauf, ob ein solcher Mangel isoliert oder nur zusammen mit der Prüfungsentscheidung anfechtbar sei. Hinreichende Gewißheit, daß für die Bewertung der Prüfungsleistung nur die in die Endbeurteilung eingegangenen fachlichen Gründe maßgeblich gewesen seien, könne sich das Gericht regelmäßig schon deswegen nicht verschaffen, weil es hierfür einer fachlichen Überprüfung bedürfe, die dem Gericht verwehrt sei, und Prüfungsentscheidungen außerdem auch ohne Begründung ergehen könnten.
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, deren Beantwortung der Rechtseinheitlichkeit und Rechtsfortbildung dienlich wäre, wird damit nicht aufgeworfen. Soweit die Beschwerde die Frage der Prüferbefangenheit anspricht, versteht es sich von selbst und bedarf deshalb keiner revisionsgerichtlichen Klärung, daß Umstände, die die Befangenheit eines Prüfers begründen, zu einem Verfahrensmangel unabhängig vom jeweiligen Stadium der Prüfung führen, daß es also keine Rolle spielen kann, ob sie sich anläßlich einer vorläufigen oder einer endgültigen Prüfungsbewertung ergeben haben. Darüber hinaus käme es in einem Revisionsverfahren auf mögliche "Erscheinungsformen" einer Prüferbefangenheit nicht einmal an. Und zwar aus dem folgenden Grunde: Das Berufungsgericht hat die von ihm als "einseitig" und "vorschnell" charakterisierten, in der Tat in einer juristischen Leistungsbewertung unangebrachten Randbemerkungen des Erstprüfers ersichtlich nicht als Indizien einer Befangenheit iS einer parteiischen, dem Kläger gegenüber anderen Prüflingen zurücksetzenden Einstellung gewertet. In dieser Richtung bieten die beanstandeten Prüferglossen auch keinerlei Anhalt. Es hat vielmehr das in den Randnotizen des Erstprüfers zum Ausdruck kommende Prüferverhalten darauf untersucht, ob es den Kläger in seinem in Art 3 Abs 1 GG und Art 20 Abs 3 GG begründeten Recht auf ein faires Prüfungsverfahren verletzt, und dies in einer Gesamtbetrachtung der Prüferäußerungen zur Hausarbeit des Klägers unter Betonung des Gewichts der Endbeurteilung durch den Erstprüfer verneint. Ob eine solche Würdigung - wie die Beschwerde meint - rechtlich unhaltbar ist, wäre in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden, da der angefochtenen Prüfungsentscheidung unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf ein faires Prüfungsverfahren ohnehin kein rechtlicher Mangel anhaften kann. Das Gebaren eines die Gebote der Fairneß mißachtenden Prüfers führt nämlich erst dann zur Verletzung der Rechte des Prüflings und begründet erst dann die Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung, wenn nicht auszuschließen ist, daß sich ein solches Fehlverhalten als "leistungsverfälschende psychische Belastung" ( BVerwGE 55, 355 (362)) auf den Prüfling und seine Leistungen negativ ausgewirkt hat. Dazu kann es aber bei "unfairen" Randbemerkungen an einer schriftlichen Prüfungsarbeit, in die der Prüfling bei juristischen Staatsprüfungen vor Abschluß der Prüfung keine Einsicht erhält, nicht kommen.
2. Zu Unrecht rügt die Beschwerde als Aufklärungsmangel, daß das Oberverwaltungsgericht nicht näher der Frage nachgegangen sei, ob dem Erstprüfer bei der Korrektur der Hausarbeit im Zusammenhang mit den dortigen Ausführungen über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Preisstoppverordnung ein Lesefehler unterlaufen sei. Das Oberverwaltungsgericht hat in Würdigung des Zusammenhangs der einschlägigen Prüferbemerkungen mit den Erörterungen der Hausarbeit einen solchen Lesefehler verneint. Die Beschwerde meint hingegen, daß sich dieser Schluß, insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des Erstprüfers im Widerspruchsverfahren, als unzutreffend erweise. Damit stellen sich die Ausführungen der Beschwerde in Wirklichkeit nicht als Angriff gegen die Sachverhaltsfeststellung, sondern als Angriff gegen die Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts dar. Die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz unterliegt indessen nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Ein Verstoß gegen die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 108 Abs 1 VwGO , wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, liegt dann vor, wenn die Beweiswürdigung auf der Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder von allgemeinen Erfahrungssätzen beruht. Dies hat die Beschwerde nicht gerügt und ist im übrigen auch nicht ersichtlich.
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