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Gewerkschaftstag 2015: Zukunftsreferat des Vorsitzenden der IG Metall

IG Metall will akademische Bildung mitgestalten

21.10.2015 Ι In seinem Zukunftsreferat "Sicher - gerecht - selbstbestimmt" hob der neu gewählte erste Vorsitzende der IG Metall Jörg Hofmann die Bedeutung des Bildungssystems für die Gestaltung der digitalen Arbeitswelt hervor. "Eine breite, fachlich fundierte Berufsausbildung ist auch zukünftig notwendig. Sie ist die Ausgangsbasis für eine erfolgreiche berufliche Entwicklung," sagte Hofmann. Daneben gewinne die Hochschule als Ort beruflicher Erstausbildung an Bedeutung. Letztes Jahr begannen erstmals mehr junge Menschen ihre Erstausbildung an einer Hochschule als in der dualen Berufsausbildung. "Wir sollten unseren Blick deshalb gleichermaßen auf die akademische Ausbildung als Ausbildungsort richten. Auch diese sollten wir mitgestalten," forderte der neue Vorsitzende der IG Metall.

Auszug Bildungspolitik im Zukunftsreferat des ersten Vorsitzenden der IG Metall, Jörg Hofmann:

 

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ob wir die Chancen der Digitalisierung nutzen können, entscheidet sich auch daran, ob unser Bildungssystem mit der Dynamik der technologischen Veränderung Schritt hält.

 

In der Vergangenheit war es so: Große technologische Umbrüche fanden ihren Weg in die Fabrik über den Generationenwechsel. Der ältere Facharbeiter musste sich zwar mit der CNC-Technologie anfreunden. Aber richtig Einzug hielt CNC erst, als die Azubis übernommen wurden, die den Umgang mit dieser Technologie seit dem ersten Ausbildungstag gelernt hatten.

 

Diese Zeitspannen werden uns nicht mehr zur Verfügung stehen.

 

Dies bedeutet zweierlei:

 

Erstens:

Eine breite, fachlich fundierte Berufsausbildung ist auch zukünftig notwendig. Sie ist die Ausgangsbasis für eine erfolgreiche berufliche Entwicklung. Das Duale System ist ein Erfolgsmodell und seine Entwicklung ist bei uns in guten Händen.

 

Daneben gewinnt die Hochschule als Ort beruflicher Erstausbildung an Bedeutung. Letztes Jahr begannen erstmals mehr junge Menschen ihre Erstausbildung an einer Hochschule als in der dualen Berufsausbildung. Eine Entwicklung, die wir nicht umkehren werden.

 

Wir sollten unseren Blick deshalb gleichermaßen auf die akademische Ausbildung als Ausbildungsort richten. Auch diese sollten wir mitgestalten. Dort gibt es viel zu tun.

 

Mir ist besonders die vielgepriesene Vielfalt ein echter Dorn im Auge: Wir haben in Deutschland mehr als 850 unterschiedliche technische Hochschulabschlüsse, teilweise extrem spezialisiert. Diese Unübersichtlichkeit verwirrt Studieninteressierte und Arbeitgeber gleichermaßen. Der erfolgreiche Grundgedanke einer verlässlichen und nachhaltigen Basisbildung, der die Berufsausbildung so stark macht, taucht hier fast nicht mehr auf.

 

Stattdessen leistet sich jeder größere Unternehmer seinen eigenen Studiengang in der naheliegenden Hochschule: Eng abgestimmt auf seine aktuellen Bedürfnisse.

Die Folge: Ausbildung gehorcht den kurzfristigen betrieblichen Anforderungen von heute, und eben nicht dem gesellschaftlichen Bedarf von morgen.

 

Die Hochschule ist längst nicht mehr Reproduktionsanstalt des Bildungsbürgertums - sie soll aber auch kein Arbeitgeber-Protektorat werden.

 

Die Hochschule ist gesellschaftlicher Ausbildungsort.

 

Und deshalb sollten wir uns für die gleichberechtigte Mitwirkung von Gewerkschaften und Arbeitgebern bei der Entwicklung bundesweit einheitlicher akademischer Berufsbilder und Ausbildungsinhalte einsetzen.

 

Kolleginnen und Kollegen,

die zweite Schwachstelle der beruflichen Bildung ist offensichtlich die berufliche Fortbildung. Hier treten wir seit Jahrzehnten auf der Stelle oder kriechen im Krebsgang.

 

Die berufliche Fortbildung ist ausschließlich reaktiv ausgerichtet: Fortgebildet wird dann, wenn neue Technik und Abläufe es erzwingen. Höchst selektiv. Wer gut qualifiziert ist, wird gefördert, der Rest schaut ins Ofenrohr.

 

Ich kann den Spruch vom lebenslangen Lernen nicht mehr hören - das ist und bleibt eine hohle Phrase, solange der Anspruch nicht mit Arbeitsorganisation und Personalentwicklung verknüpft ist. Nur dann ist fachliche und berufliche Entwicklung tatsächlich möglich.

 

Berufliche Entwicklung als grundlegendes Arbeitnehmerrecht - von dem Ziel sind wir noch weit entfernt.

 

Deshalb ist die Bildungsteilzeit so wichtig. Sie öffnet die Tür zur Fortbildung einen Spalt weiter.

 

Nächstes Etappenziel ist es, die Sphären von Arbeit und Lernen stärker miteinander zu verzahnen.

 

Aus Arbeitsplätzen müssen Lernplätze werden. Das ist die Devise, wenn wir den umfangreichen Wandel von Anforderungen nachvollziehen wollen: Jeder Arbeitsplatz soll zum Lernort umgebaut werden. Erst dann können wir wirklich von guter Arbeit reden."

 

 

 

 

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