Hans-Jürgen Urban zur Allianz für Aus- und Weiterbildung
"Schritte in die richtige Richtung, aber noch viel zu tun!"
Hans-Jürgen, hat es sich gelohnt, dass die IG Metall bei der Allianz für Aus- und Weiterbildung dabei ist?
Hans-Jürgen Urban: Eindeutig ja. Die Allianz hat eine Anzahl von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die die Chancen junger Menschen auf eine gute Ausbildung deutlich verbessern. Das sind erste Schritte in die richtige Richtung. Aber um es gleich vorweg zu sagen: Es gibt noch viel zu tun, bis man wirklich von einer Ausbildungsgarantie für alle Jugendlichen sprechen kann.
Was ist positiv?
Zu nennen wäre etwa die Assistierte Ausbildung: Jugendliche mit Problemen in der Schule oder im privaten Umfeld werden gefördert. Betriebe, die Jugendliche mit Förderbedarf ausbilden, erhalten kompetente Unterstützung. Damit wollen wir Betriebe ermuntern auch Jugendlichen eine Ausbildungschance zu geben, die sie bisher nicht im Blick hatten. Insgesamt ist die Anzahl der betrieblichen Ausbildungsverträge erstmals seit Jahren wieder angestiegen. Das zeigt, wir sind auf einen guten Weg. Aber es gibt noch viel zu tun!
Und wo liegen die Probleme?
Erneut haben 20 000 Jugendliche im Jahr 2015 keinen Ausbildungsplatz gefunden. Weitere 60 000 Jugendliche mündeten in alternative Maßnahmen ein, suchten aber weiterhin einen Ausbildungsplatz. Die IG Metall fordert jedoch, dass jeder Jugendliche der die Schule verlässt, eine Ausbildung erhält, die zu einen berufsqualifizierenden Abschluss führt.
Wo hängt es noch, um wirklich allen Jugendlichen ihren Ausbildungsplatz zu bieten?
Es gibt noch einiges zu tun beim Übergang von der Schule in den Betrieb, beim Thema regionale Passungsprobleme, wo Bewerber und Ausbildungsplätze einfach nicht zusammenpassen sowie bei der Förderung der Mobilität von Azubis. Und vor allem müssen die Betriebe mehr ausbilden.
Es gibt ja auch 40 000 unbesetzte Ausbildungsstellen. Rechnerisch müssten also genügend Stellen für Azubis da sein. Warum klappt das nicht, dass alle einen Platz bekommen? Liegt das nur an den Passungsproblemen, wie die Wirtschaft oft sagt?
Zwar gibt es die regionalen Passungsprobleme, die dazu führen, dass Betriebe Ausbildungsplätze nicht besetzen können. Das ist aber nur ein Teil der Realität. Die Berufe mit den meisten unbesetzten Ausbildungsplätzen haben ein negatives Image bei jungen Menschen. Die Jugendlichen wissen sehr genau, wie die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sind. Auch über die Bezahlung sind sie gut informiert. Wenn Berufe attraktiver werden sollen, müssen sich die Bedingungen verändern.
Was muss die Wirtschaft tun? Was erwartet die IG Metall konkret?
Die Betriebe müssen mehr ausbilden! Nur noch rund 20 Prozent der Betriebe bilden überhaupt noch aus. Das ist ein historischer Tiefstand. Wir müssen Instrumente entwickeln, dass die Betriebe sich mehr an Ausbildung beteiligen. Unser Konzept als Gewerkschaften ist die Umlagefinanzierung: Betriebe, die nicht ausbilden, sollen in einen Fonds zahlen, der dann Betrieben, die ausbilden, zugutekommt. Wenn Politik und Wirtschaft die Umlagefinanzierung ablehnen, dann müssen sie Alternativen vorschlagen.
Aber auch die Betriebe, die bereits ausbilden, können mehr tun. Die Ausbildungsquoten in den Industriebetrieben haben noch deutlich Luft nach oben. Die höchste Ausbildungsquote hat bei uns der Maschinenbau. 6,6 Prozent der Belegschaft sind dort Auszubildende. Wenn sich die anderen Branchen im Wirtschaftsbereich der IG Metall daran orientieren würden, entstünden 60 000 zusätzliche Ausbildungsplätze. Die Automobilindustrie hat beispielsweise eine Ausbildungsquote von 4,1 Prozent, allein hier wären über 22 000 zusätzliche Ausbildungsplätze möglich. Gerade diese Betriebe sind auch attraktiv für die Jugendlichen und bieten eine sehr gute Ausbildung. Davon brauchen wir mehr.
Betriebe klagen zunehmend sie hätten kaum geeignete Bewerber für Ausbildungsstellen. Sind die Ansprüche zu hoch?
Statt über die angeblich mangelnde Eignung der Jugendlichen zu lamentieren, brauchen wir eine Offensive für Ausbildungspersonal. Wir haben es in der betrieblichen Ausbildung schon immer mit sehr unterschiedlichen jungen Menschen zu tun, vom Abiturienten bis zum Hauptschüler. Wenn wir die Herausforderungen vermeidlich schwächer Jugendliche sowie Geflüchtete in Ausbildung zu integrieren erfolgreich meistern wollen, brauchen wir dafür qualifiziertes Ausbildungspersonal.
Die Betriebe sind also gefordert. Was kann oder muss die Politik tun?
Zum einen kann sie den Übergang Schule-Beruf besser organisieren. So wie in Hamburg mit dem sogenannten Hamburger Modell. Dort haben alle Jugendlichen eine Anlaufstelle bei Jugendberufsagenturen. Jugendliche die nicht direkt eine betriebliche Ausbildungsstelle finden müssen gefördert und begleitet werden, mit dem Ziel in eine betriebliche Ausbildung zu münden. Die übrigen Bundesländer sollten diesem Prinzip folgen.
Zum anderen muss die Politik noch mehr bei der Weiterbildung tun. Zwar wurde das Meister-Bafög verbessert, aber auch hier ist noch viel mehr möglich. Beim Allianz-Gipfeltreffen haben wir auf Anregung von Bundeswirtschaftsminister Gabriel das Thema Finanzierung von Fortbildungsabschlüssen auf die Agenda für die weitere Arbeit genommen.