HBS geförderte Studie für 27 EU-Länder
Mit Arbeitnehmervertretung läuft Weiterbildung deutlich systematischer
Für geringe Weiterbildungsquoten seien mitunter auch Informationsprobleme verantwortlich, erklärt Wiß. Gerade Geringqualifizierte seien sich oft über ihre Rechte nicht im Klaren oder unterschätzten die Bedeutung von Weiterbildung. Viele Arbeitgeber wiederum hätten wenig Interesse, Geringqualifizierte oder befristet Beschäftigte zu schulen, weil das für sie weniger lukrativ erscheint als Investitionen in Hochqualifizierte und Stammpersonal. Gruppen mit ohnehin eher geringen Arbeitsmarktchancen würden so zusätzlich benachteiligt. Daher sei es wichtig, dass Arbeitnehmervertreter insbesondere die weniger privilegierten Beschäftigten über Ansprüche informieren und sich für deren Interessen einsetzen. Das dürfte ihnen leichter fallen, wenn starke Gewerkschaften per Tarif entsprechende Vorgaben machen und wenn weitgehende Mitbestimmungsrechte gesetzlich verankert sind.
Um seine These empirisch zu überprüfen, hat der Forscher Daten der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen aus dem Jahr 2009 ausgewertet, die auf Angaben von 24.600 Personalmanagern und über 6.200 Arbeitnehmervertretern von Betrieben in 27 EU-Ländern beruhen. Der Analyse zufolge erhöhen Interessenvertretungen wie Betriebsräte oder gewerkschaftliche Vertrauensleute die Wahrscheinlichkeit, dass Firmen systematisch den Weiterbildungsbedarf ihrer Beschäftigten ermitteln und Freistellungen gewähren. Das gilt auch dann, wenn man Faktoren wie die Betriebsgröße, den Frauenanteil, die wirtschaftliche Situation oder die Branche herausrechnet. Tarifbindung, ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad und gesetzliche Rechte, die über Information und Konsultation hinausgehen, verstärken den Effekt im Hinblick auf Geringqualifizierte und befristet Beschäftigte. Arbeitnehmervertreter seien also tatsächlich in der Lage, den Zugang zu Weiterbildung zu erleichtern und innerbetrieblichen Ungleichheiten entgegenzuwirken - insbesondere dann, wenn die gesetzlichen und tarifpolitischen Rahmenbedingungen günstig sind.
Studie: Tobias Wiß: Employee representatives' influence on continuing vocational training: The impact of institutional context, European Journal of Industrial R