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SpeyerSchule47

IG Metall geht in die allgemeinbildenden Schulen

Schwarmbildung oder die Macht des Kollektivs

11.05.2015 Ι Die Jugendlichen in den Abschlussklassen der allgemeinbildenden Schulen verbinden mit den Gewerkschaften nicht viel. Sie wissen schlicht und einfach nicht, warum es sie gibt. Warum sind sie für mich wichtig, beim Start in den Beruf? Fehlanzeige. Mit dieser Leere im Kopf und Bauch wollte sich der IG Metall Bezirk Mitte nicht länger abfinden. Mit seinem Projekt Beruf.Bildung.Zukunft setzt erstmal eine Einzelgewerkschaft auf die konkrete Ansprache von Schülern. Bildung Aktuell Reporter Klaus Heimann war dabei als die Schulglocke in der Siedlungsschule Realschule Plus Speyer um acht Uhr zum Projekttag zur Berufsorientierung läutete. Hier seine Eindrücke.

Schockstarre bei den 21 Schülern der Klasse 9b an der Siedlungs-Realschule in Speyer im Birkenweg 10. Grade noch hatten sie ihre Erwartungen und Wünsche an ihren zukünftigen Ausbildungsbetrieb fein säuberlich auf einen weißen Bogen aufgetragen. Nette Kollegen, gute Bezahlung, Fairness am Arbeitsplatz, war da zu lesen. Eben all das, was sie sich an diesem Schulprojekttag zur Berufsorientierung der IG Metall erarbeitet hatten. Doch anstatt das alles nett auszuwerten, zerreißt das Gewerkschafts-Team Jan, Anna und Christina die Zukunftslandkarte in viele kleine Papier-Schnitzel. Die Wünsche der 9b zerknüllt und verworfen, wild verteilt auf dem Boden des Klassenraums. Reif für den Papierkorb. Lena, Fabrice, Timo, Mike, Susanne und alle anderen sind sauer.


Das Moderatoren-Team erklärt seine miese Attacke: Individuell seine Wünsche an den Betriebe zu haben, dass sei schon richtig. Aber: Haben sie eine Umsetzungs-Chance im betrieblichen Alltag? Sind sie gegenüber dem Ausbildungsmeister oder dem Chef durchzusetzen? Im ersten Anlauf mussten die Schüler etwas bedröppelt erkennen, dass ihre Ideen sich diesmal in Papierschnitzel verwandelten. Und dann die Frage: Was könnt Ihr als Schüler denn tun, um Eure Ziele wirksam zu vertreten?


Die Teamer müssen den Raum verlassen. Die Gruppe hat knapp fünf Minuten, um sich eine Strategie auszuknobeln. Hektische Diskussionen, Vorschläge schwirren durch den Klassenraum. Den Betriebsrat einschalten, die JAV ins Rennen schicken - gute Ideen, aber alles in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar. Und was ist, wenn der Betrieb gar keine Interessenvertretung hat? Schließlich die zündende Idee: Wir besetzen den Betrieb. Wer aus unseren Ideen Papierschnitzel machen will, der muss uns wegtragen.


Die Schüler legen sich auf ihre ,Zukunftslandkarte Betrieb', gleich gestapelt und übereinander. Sie wollen zusammenhalten, nicht weichen oder gar tatenlos zusehen, wenn die drei Team-Chefs erneut versuchen, ihre Zukunftsträume zerreißen. Diesmal wollen sie sich nicht so plump überrumpeln lassen. Und wirklich, es funktioniert: Unter den Eindruck der ,Betriebsbesetzung' bleibt den Chefs nichts anderes übrig, als die Situation zu entschärfen und Gespräche anzubieten. Ein Erfolg auf der ganzen Linie. Die Schüler sind zufrieden.


Schwarmbildung oder die Macht des Kollektivs ist eine Dauerbaustelle des Projekttags: Was sind Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände? Gibt es unterschiedliche Interessen im Betrieb? Wer vertritt die Belange der Beschäftigten? Warum sind Betriebe mit Tarifverträgen empfehlenswerter als solche ohne? Orientierung zum Berufseinstieg, das bietet das Projekt Beruf. Bildung. Zukunft des IG Metall Bezirks Mitte. Über 2.348 Schüler und Schülerinnen, meistens im Alter von 15-16 Jahren, hatten bislang Lust darauf mehr zu erfahren, wie es in der Arbeitswelt so zugeht.

Die Defizite zur Arbeitswelt bei den Jugendlichen in der 9b sind groß. Mit Gewerkschaften können sie nichts anfangen. Erstmals hören sie an diesem Morgen, was man so an Geld verdienen kann, wie lang der Arbeitstag und Urlaub ist, wie krass die Unterschiede zwischen gesetzlichen Mindestansprüchen und den besseren Regelungen im Tarifvertrag sein können.


Jedenfalls ist es dann schon ganz gut, wenn die acht Mädchen und dreizehn Jungen mal aus erster Hand von der IG Metall Informationen bekommen. Es ist ein gelungenes Feuerwerk von Inhalten und Methoden, das da in sechs Unterrichtsstunden abgefeuert wird. Gut durchdacht, klar gegliedert und nicht vom Format: Frontalunterricht. Dass das Konzept ankommt, zeigt sich im Feedback der Schüler: "Ich fand alles richtig gut, einfach nur cool". "Ich fühle mich besser auf die Arbeitswelt vorbereitet", "der Projekttag hat mir Spaß gemacht".


Der Hit bei den Schülern ist das Bewerbungsgespräch. In zwei Runden, mit jeweils drei Kandidaten für den Beruf des Kfz-Mechatronikers bzw. Kfz-Mechatronikerin, fühlt der Firmenbesitzer die Azubis in spe mal so richtig auf den Zahn. Einmal führt Automobilhaus Chef Jauch das Gespräch allein und nutzt seine Position gnadenlos aus. Beim zweiten Mal ist eine Betriebsrätin dabei, da läuft es dann ganz anders. Die Schüler sollen die Unterschiede erkennen.


In der Beratung ohne Betriebsrat fragt der Chef ungestraft nach der Religionszugehörigkeit, mit welcher Partei sie sympathisieren, ob sie über einen Gewerkschaftseintritt nachdenken und die jungen Frauen müssen erklären, ob sie schwanger sind. Bei der Ausbildungsvergütung und Arbeitszeit ist Basar angesagt: Möglichst wenig Geld und Arbeitszeiten, die schier endlos lang sind. In der zweiten Bewerberrunde, interveniert die Betriebsrätin bei den Fragen zur Religion, Schwangerschaft, Gewerkschaftsmitgliedschaft und Partei-Präferenz. Arbeitszeit und Ausbildungsvergütung sind erst gar kein Thema, da alles im Tarifvertrag geregelt ist. Ziemlich krasse Unterschiede in den beiden Gesprächsverläufen.  Ganz plastisch hat die 9b in der Domstadt Speyer gelernt, wie es so laufen kann, mit oder ohne Interessenvertretung.

 

9b an der Siedlungs-Realschule in Speyer


"Mit dem Projekt-BBZ haben wir es geschafft, viele Jugendliche auf einem quantitativ und qualitativ hohem Niveau anzusprechen und auf den Einstieg in die Arbeitswelt vorzubereiten. Viele von ihnen haben zum ersten mal was über die Aufgaben der Gewerkschaften gehört", berichtet voller Stolz Jan Laging von der Bezirksleitung Mitte. Und in der Tat, bislang sollte diese schulische Vorfeldarbeit der DGB übernehmen. Das läuft aber an vielen Orten ausgesprochen schlecht. Bezirksleiter Armin Schild: "Wir stellen fest, dass der DGB in Schulen so gut wie nicht präsent ist", erklärt er im Interview mit bildung-aktuell (siehe Seite 3). Für Schild steht inzwischen fest: "Wir müssen den Einstieg von Jugendlichen in Ausbildung und Arbeit enger begleiten und gestalten."


Die Rückmeldungen aus den Schulen bestätigen die IG Metall Mitte in ihrem Engagement. Sie sind ausgesprochen positiv. Dazu noch einmal zurück zur Siedlungsschule in Speyer. Die schriftlich gestellte Frage: Kannst Du dir vorstellen in eine Gewerkschaft einzutreten? beantworten 90 Prozent der Schüler mit: Ja!


Wer Kontakt zum Projekt aufnehmen will, hier die Mail-Adresse:
bbz@igmetall.de

 

Bildung Aktuell 02/2015:

https://wap.igmetall.de/SID-2D0AED3B-3F5DD1D0/wap/2015_02_BildungAktuell_ed45f65e39046767ec734410e7081b865bd7fd19.pdf


 

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