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Interview mit Klaus Fahle

Brückenbauer in der europäischen Bildungszusammenarbeit: 15 Jahre Nationale Agentur Bildung für Europa beim BIBB

07.05.2015 Ι Die Nationale Agentur Bildung für Europa beim BIBB (NA) kann in diesem Jahr auf 15 Jahre Arbeit im Auftrag und mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zurückblicken. Sie ist eine von vier NAs, daneben gibt es die Nationale Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit, die für EU-Programme im Schulbereich und die für Jugend in Aktion. Die NA beim BIBB versteht sich als Brücke in der europäischen Bildungszusammenarbeit und betreut in Deutschland das europäische Programm Erasmus+. Zuvor war sie für das Programm für lebenslanges Lernen zuständig. Unser Bonner WAP-Korrespondent Ulrich Degen sprach mit dem Chef der Nationalen Agentur Klaus Fahle über die Arbeit und Perspektiven der NA.

Was waren die Hauptaktivitäten bisher und bei welchem aktuellen Programm ist die NA jetzt gelandet?

 

Die NA hat sich immer als Brücke zwischen europäischer Bildungszusammenarbeit und Bildung in Deutschland verstanden. Die EU verändert Deutschland und ist für uns gleichzeitig ein Raum des gemeinsamen Arbeitens und Lebens geworden. Bildung und Berufsbildung spielen dabei eine besondere Rolle. Als Brückenbauer muss man beide Ufer, die man verbinden will, gut kennen. Und als Brückenbauer muss man unterschiedliche Materialien und Techniken einsetzen. Übersetzt heißt dies, wir informieren und beraten, aber wir fördern und unterstützen auch. Aktuell erfolgt Förderung im Rahmen des EU-Bildungsprogramms Erasmus+, das in unserem Bereich Lernaufenthalte in der Berufsbildung und Erwachsenenbildung für Jugendliche und das Bildungspersonal sowie transnationale Projekte fördert. Hierfür stehen uns in diesem Jahr 50 Mio. € Fördermittel zur Verfügung. Informieren und beraten umfasst z.B. die Nutzung des Europass als Instrument, um Qualifikationen und Kompetenzen sichtbar zu machen, oder die Umsetzung von ECVET, d.h. Lernprozesse von den Lernergebnissen zu denken.

 

 

Die NA ist eine von vier Agenturen die in Deutschland das Programm ERASMUS+ umsetzen. Was haben Sie sich gemeinsam zum Ziel gesetzt und was sind die Schwerpunkte der Agenturen?

 

Die vier deutschen Nationalen Agenturen arbeiten dort besonders eng zusammen, wo das Potenzial der sektorübergreifenden Zusammenarbeit erschlossen werden kann. Dabei muss man Bedenken, dass nationale Rahmenbedingungen (föderale Zuständigkeiten etc.) bei der Vergabe von EU-Fördermitteln keine ausschlaggebende Rolle spielen. Eine Einrichtung der Allgemeinbildung, eine Kammer und eine Hochschule können also z.B. in dem gleichen Projekt gefördert werden, was aus nationalen Mitteln kaum möglich wäre. Gemeinsame Informationsveranstaltungen dienen besonders dazu, über den Tellerrand hinauszuschauen und neuartige Projekte anzustoßen. Mit der gemeinsamen Website (www.erasmusplus.de) stellen die NAs eine konsistente Information sicher, in internen Arbeitsgruppen erfolgt ein intensiver Erfahrungsaustausch. Dabei ist uns besonders wichtig, eine gemeinsame administrative Umsetzung des Programms zu gewährleisten. Natürlich betreut jede Agentur einen Bildungsbereich/Sektor und ist dort mit den Strukturen und Anforderungen besonders gut vertraut.

 

 

Wie muss man sich die EU-Bildungszusammenarbeit konkret vorstellen?

 

Dass ein Programm wie Erasmus+ nicht zentral von einer Stelle für ganz Europa umgesetzt werden kann, liegt in der Vielfalt und Eigenständigkeit vor allem der Bildungssysteme begründet. Die Nationalen Agenturen versuchen gemeinsam mit der Europäischen Kommission eine gute Balance zwischen einem gemeinsamen Programm mit gemeinsamen Regeln und der Berücksichtigung von unterschiedlichen Ausgangssituationen und Bedürfnissen hinzubekommen. Hierzu dienen vor allem formelle und informelle Meetings, aber auch eine kontinuierliche Kommunikation per Mail etc. Daneben können NAs auch viel voneinander lernen. So hat die niederländische NA Instrumente entwickelt, die Einrichtungen bei der Internationalisierung unterstützen. Da schreiben NAs - im besten Sinne - voneinander ab und passen solche Hilfsmittel für ihr Land an.

 

 

Sie für die Sektoren Berufsbildung und Erwachsenenbildung zuständig. Außerdem ist die NA beim BIBB ja zusätzlich Nationales Europass Center, Nationale Koordinierungsstelle ECVET sowie Nationale Koordinierungsstelle Europäische Agenda für Erwachsenenbildung. Was sind hier die besonderen strategischen Herausforderungen?

 

Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der europäische Bildungsraum und damit verbunden die Steigerung der Leistungsfähigkeit des Bildungssystems. Europa ist eben nicht nur Ausland, sondern ein gemeinsamer Raum des Arbeitens, Lernens und Lebens. Damit dies gelingt, müssen die Menschen mit dem erforderlichen Rüstzeug hierfür ausgestattet werden. Nur so kann Mobilität gelingen.

 

Die unterschiedlichen Programme, Initiativen und Instrumente haben teilweise gemeinsame Zielsetzung, allerdings mit unterschiedlichen Ansätzen. Erasmus+ fördert viele Initiativen und Projekte, der Europass trägt zur Transparenz von Qualifikationen bei und die neue Plattform EPALE ist ein europäisches Instrument der Vernetzung und des Wissensmanagements. Dabei entstehen viele Synergien, da sich die Programme und Initiativen ergänzen.

 

 

Die beantragten und durchgeführten Projekte zur Berufsbildung im Programm Eras­mus+ wie auch schon beim Vorgängerprogramm Leonardo da Vinci haben im Kern ja im­mer zum Ziel, Vorschläge zur Verbesserung der nationalen Berufsbildung, Aus- und Weiterbildung zu machen und möglichst nachhaltig Initiativen über die Partnerschaften anzustoßen. Das erinnert stark an die Zielsetzungen der in Deutschland seit vielen Jahrzehnten praktizierten und ebenfalls vom BMBF mitfinanzierten Modellversuche zur beruflichen Bildung. Gibt es hier Parallelen und vielleicht sogar eine fachlich-inhaltliche Zusammenarbeit?

 

Als ich meine Arbeit bei der NA begann habe ich die Pilotprojekte im damaligen Programm Leonardo da Vinci als europäische Modellversuche bezeichnet. Das war auch richtig so, damit man überhaupt eine Vorstellung von der Art der Projekte bekommen hat. Mittlerweile sprechen wir von Strategischen Partnerschaften. Diese Art des Projektes hat sich dabei deutlich flexibilisiert und ist nur noch in Teilen mit Modellversuchen vergleichbar. Das Spektrum reicht von kleinen, auf Erfahrungsaustausch ausgerichteten Partnerschaften über Transferprojekte bis zu Innovationsprojekten. Die größte Herausforderung - und hierin besteht eine große Schnittmenge mit den Modellversuchen, besteht in der Sicherung der Nachhaltigkeit und der dauerhaften Umsetzung. Gerade in diesem Punkt pflegen wir Austausch und Vernetzung, teilweise erfolgt dieser aber bei thematisch ähnlich gelagerten Projekten.

 

 

Die NA residiert im BIBB und arbeitet fachlich insbesondere mit dem BIBB zusammen. Damit profitiert sie sicher von der Berufsbildungsexpertise des BIBB. Wie muss man sich das konkret vorstellen und wo sehen Sie die wichtigsten Synergieeffekte?

 

Wenn man von Beginn an beim BIBB angesiedelt ist, nimmt man die vielfältigen Synergien gar nicht mehr richtig wahr. Dazu gehören der Zugang zu vielen Informationen, die Begleitung politischer Prozesse und der Zugriff auf das große Fach-Knowhow in den Abteilungen des BIBB. Regelmäßig helfen uns die Kolleginnen und Kollegen des BIBB bei Fachveranstaltungen mit ihrer Expertise. Natürlich ist man hierdurch nah an den relevanten Prozessen, was uns wiederum in Europa sehr hilft. Ich muss Sie aber enttäuschen, wenn Sie auf der Suche nach einem Zauberstab der Zusammenarbeit sind. So etwas wächst über Jahre und führt zu einem hohen impliziten Orientierungswissen.

 

Was in der beruflichen Bildung das BIBB ist wird in der Erwachsenenbildung zusehends das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung, mit dem ja übrigens auch das BIBB eng Zusammenarbeit. Angesichts der thematischen Breite unserer Arbeit gibt es zu einer intensiven Vernetzung keine Alternative.

 

 

Die Schaffung eines Europäischen Bildungsraumes ist für die NA eine zentrale und bedeutende Zielsetzung, deren Realisierung nicht ganz einfach ist. Mit welchen Instrumenten und auf welchen Wegen streben sie einen solchen Bildungsraum an und was sind die erwarteten Effekte?

 

Zunächst einmal ist wichtig zu beschreiben, was einen europäischen Bildungsraum ausmacht. Nach unserem Verständnis soll jeder Bürger der EU über die Qualifikationen, Kompetenzen und Voraussetzungen verfügen, um an einer Aus- und Weiterbildung in einem anderen EU-Land teilzunehmen oder dort beruflich tätig zu sein. Dies setzt voraus, dass die Gesellschaft eine "Willkommenskultur" entwickelt, dass Bildungseinrichtungen und Unternehmen auf diese europäische Dimension vorbereitet sind und dass rechtliche Hindernisse beseitigt werden. Mobilität in Europa soll eine Gestaltungsoption für das eigene Leben sein und nicht nur Ergebnis äußerer Zwänge wie Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Wenn uns dies gelänge würde es den Menschen in Europa helfen und die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung unterstützen.

 

Wir selber können nur einen begrenzten Beitrag zu einem solchen Bildungsraum leisten. Hierzu zählen die Förderung der Mobilität mit Stipendien, Beratungsleistungen und die Unterstützung beim Einsatz von Transparenzinstrumenten, die erworbenen Qualifikationen verständlich darstellen. Von Bedeutung ist auch, Internationalität in Ausbildungsordnungen und Curricula noch stärker zu verankern und die Bildungseinrichtungen/Unternehmen bei der Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie zu unterstützen.

 

 

Bei den bei der NA eingereichten Projektanträgen und auch Schlussberichten zu innovativen Berufsbildungsprojekten setzen sie insbesondere auf die Mit­arbeit und Expertise von Fachgutachtern. Wie findet die Rekrutierung und Auswahl der externen Experten statt und welche Vorteile hat ein externes Expertentum?

 

Der Grundgedanke der Zusammenarbeit mit externen Experten beruht auf dem Ansatz des "Peer review". Unabhängige externe Experten bringen auch externes Knowhow ein und sorgen für eine formal unanfechtbare Projektauswahl. Ich erkläre dies neuen Kolleginnen und Kollegen in der NA immer so: wenn wir jemanden beraten und anschließend den Antrag auf den Tisch bekommen und bewerten kann es schnell - und unabsichtlich - passieren, dass man die Umsetzung der eigenen Beratungsvorschläge bewertet und nicht mehr das eigentliche Projekt. Deshalb ist gerade in Grenzfällen ein unvoreingenommener Blick wertvoll und hilfreich. Dies heißt aber nicht, dass ein solches Verfahren ohne Probleme abläuft. Nicht für jedes Thema findet man eine/n Fachmann/Fachfrau. Gleichzeitig gilt es, ein komplexes Regelwerk an die Experten zu vermitteln. Aus gutem Grund räumt die EU-Kommission den NAs daher ab diesem Jahr wieder ein, in begrenztem Maße selber Gutachten zu erstellen.

 

Die Gewinnung der Experten erfolgt durch eine öffentliche Ausschreibung, sie ist für jede/n zugänglich. Dabei müssen die Experten die erforderlichen Grundkenntnisse mitbringen und dürfen sich nicht in einem Interessenkonflikt mit möglichen Antragstellern befinden.

 

 

Seit kurzem betreut die NA die Plattform EPALE (European Platform for Adult Learning in Europe), womit neue Möglichkeiten der Beteiligung und Vernetzung im Bereich der Berufsbildung geschaffen werden. Könnten Sie uns kurz die Funktion und Reichweite von EPALE erläutern.

 

EPALE richtet sich vor allem an Einrichtungen der Erwachsenenbildung und das Bildungspersonal. EPALE deckt die berufliche Weiterbildung und die allgemeine Erwachsenenbildung ab. Durch die Beteiligung fasst aller EU-Staaten wird die Plattform den umfangreichsten Wissensbestand zur Erwachsenenbildung in Europa bereitstellen und eine Möglichkeit darstellen, sich mit neuen und innovativen Entwicklungen in anderen EU-Ländern vertraut zu machen. Durch Blogs, aber auch eine Partnersuchfunktion wird EPALE weit über das Wissensmanagement hinausgehen und zur Entstehung von Netzwerken und Partnerschaften beitragen. Wir erhoffen uns, dass EPALE letztlich die Plattform einer aktiven, wissensdurstigen und europäischen Community der Erwachsenenbildung wird.

 

 

Ein besonderes Anliegen ist die Anerkennung von Leistungen durch non-formales und in-for­melles Lernen. Dabei haben sich die EU-Mitgliedstaaten und Sozialpartner das Ziel gesetzt, bis spätestens 2015 mit der Umsetzung erster Schritte bei der Anerkennung non-for­mal und informell erworbener Kompetenzen zu beginnen (Brügge-Kommuniqué). Wie ist hier der Stand der Entwicklung und was wurde erreicht?

 

Es gibt 2015 in Deutschland nach wie vor keinen gesetzlichen Rahmen und kein standardisiertes System für die Validierung non-formal und informell erworbener Lernergebnisse. Unterhalb der Systemebene existieren zahlreiche Projekte, Ansätze und Modelle verschiedener Akteure, die sich mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen im Bereich der Validierung beschäftigen. Auf politischer Ebene wurde und wird in einer vom BMBF einberufenen Expertenarbeitsgruppe u.a. beraten, welche Anforderungen an die Zuordnung von Ergebnissen nicht-formalen und informellen Lernens zum Deutschen Qualifikationsrahmen bestehen und welche Validierungsverfahren geeignet erscheinen. Endgültige Ergebnisse aus der Expertenarbeitsgruppe liegen derzeit noch nicht vor.

 

Einen kompakten Überblick über den Stand der Validierung non-formalen und informellen Lernens in Deutschland bietet der CEDFOP-Länderbericht 2014: https://cumulus.cedefop.europa.eu/files/vetelib/2014/87053_DE.pdf.

 

 

 

..zum Weiterlesen: Regelmäßige Informationen der NABIBB/Bildung für Europa in

www.na-bibb.de; www.erasmusplus.de

 

 

Wer ist Klaus Fahle?          Klaus Fahle, geboren 1961 in Warstein, leitet seit Februar 2000 die Nationale Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung. Er war zuvor in unterschiedlichen Funktion beim Europäischen Gewerkschaftsbund, im Europäischen Parlament, beim Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Carl Duisberg Gesellschaft tätig. Seit 1987 ist er mit Fragen der Europäischen Integration  und insbesondere der europäischen Bildungs-, Forschungs- und Jugendpolitik befasst und hat hierzu veröffentlicht. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte sind die Implementierung des Programms Erasmus+, die Förderung der Mobilität in der beruflichen Bildung, Die Unterstützung von Work Based Learning in Europa, die Anerkennung und Transparenz von Qualifikationen sowie die allgemeine Erwachsenenbildung im europäischen Kontext.



 

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