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Multikulturelle Sprach- und Leseförderung

Apps sind cool - selber lesen und schreiben ist cooler

10.12.2015 Ι "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte", aber ohne die Worte zu lesen und zu verstehen, haben wir alle Schwierigkeiten, den Alltag zu bewältigen. Schon Kurt Tucholsky hat gestöhnt "von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare". Wir unterschreiben Arbeits-, Miet- und Kaufverträge, wir lesen Arbeitsanweisungen, Bedienungsanleitungen, Hinweise im öffentlichen Raum, dienstliche E-Mails und private SMS, Fachzeitschriften und Bücher. Betriebsräte, Jugendvertreter/innen, Vertrauensleute, Mitglieder und hauptamtlich Beschäftigte haben viele Möglichkeiten, sich vor Ort für eine kontinuierliche multikulturelle Sprach- und Leseförderung einzusetzen. WAP macht Vorschläge, wie das gelingen kann.

Die weite Welt der Bücher, ob als Printmedium oder elektronisch, bereichert unser Leben. Noch immer lesen wir den Kindern beim Einschlafen vor, begeistern sich Jugendliche für ihre Helden und Heldinnen aus Fantasy und Mangas, klingen Wörter beim Poetry Slam und sieht man Menschen jeden Alters beim Lesen im öffentlichen Nahverkehr - dienstlich und privat.

 

Sprache ist ein ausgesprochen wichtiger Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe, zum Leben der Menschen miteinander, zum sich Behaupten in einer zunehmend komplexer werdenden (Arbeits-)Welt. Als Gewerkschaften haben wir uns schon beim DGB-Projekt "Mento" für die Alphabetisierung der 7,5 Millionen Menschen eingesetzt, die in Deutschland als funktionale Analphabeten gelten.


Vor dem Hintergrund unserer vielfältigen Gesellschaft ist die Frage der Sprach- und Leseförderung zunehmend auf der Tagesordnung. Sie betrifft nicht nur Flüchtlinge, sondern auch alle, die in unserem Schulsystem keinen Zugang zur Faszination von Sprache fanden. Sie betrifft die Menschen, die vor vielen Jahren aus anderen Ländern nach Deutschland kamen und weiterhin kommen und sie betrifft uns, die wir einfach Lust auf einen mal wieder anderen Umgang mit Sprache haben. Die Stichworte Globalisierung, Europa, Migration, Bildung, Inklusion, Kommunikation und Verständigung verdeutlichen den großen Rahmen, in dem wir uns dabei bewegen.

 

 

Was können wir tun?

 

Betriebsräte, Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung, Ortsjugendausschüsse, Vertrauensleute, Mitglieder innerhalb und außerhalb von Betrieben und hauptamtlich Beschäftigte der IGM haben viele Möglichkeiten, sich vor Ort für eine kontinuierliche multikulturelle Sprach- und Leseförderung einzusetzen. Diese möglichen Aktivitäten sind als Ergänzung zu dem gedacht, was in den Kindergärten, Schulen und Integrationskursen von dafür ausgebildeten Personen vermittelt wird.


Die folgenden Punkte sind als Vorschläge gedacht. Sie können so gestaltet werden, wie es die jeweiligen personellen, räumlichen und finanziellen Möglichkeiten erlauben. Nach Möglichkeit sollten die Aktivitäten so umgesetzt werden, dass die Förderung der Sprach- und Lesekompetenzen auch interkulturelle Kontakte ermöglicht.


Nicht alle Aktivitäten müssen neu erfunden werden. Oft ist es sinnvoll, sich mit Akteuren vor Ort zu vernetzen.


Manche Ideen lassen sich relativ schnell und ohne größeren Aufwand umsetzen, andere erfordern ein eher längerfristiges Engagement.

 

 

  1. Überlegt Euch die mögliche Zielgruppe, die ihr erreichen wollt, z. B. Kinder, Jugendliche im Ausbildungsalter, Studierende, Erwachsene. Eltern erreicht ihr z. B. auch über die Kinder in Kitas, Grundschulen? und weiterführenden Schulen.
    Aus welchen Ländern kommen die Menschen? Welche Sprachen sprechen sie? Sind multikulturelle Gruppen möglich?

     
  2. Wer ist in dem Umfeld bereits aktiv? Da bieten sich je nach Lage vor Ort u.a. Kontakte zu DGB und GEW, zu Arbeit und Leben, dem Berufsfortbildungswerk (bfw), Bibliotheken und Schulen, zur Arbeiterwohlfahrt und zu Einrichtungen der Erstaufnahme von Flüchtlingen an. Erkundigt Euch, wer bei Euch in der Region schon Sprach- und Leseförderung anbietet und was ihr zur Unterstützung tun könnt.
     
  3. Wollt ihr selbst ein Deutschangebot machen, dann prüft, ob ihr freie Kapazitäten habt und bietet Eure Räume in der Geschäftsstelle/im DGB-Haus/im Betrieb an und organisiert z. B. über den DGB, die GEW, über Arbeit und Leben/die Volkshochschule?, die Schulen und/oder regionale Anbieter entsprechende Lehrkräfte. Fragt in Eurem Bereich, ob Kolleginnen und Kollegen ehrenamtlich diese Lehrkräfte unterstützen können, z.B. mit Vorlese- und Gesprächsangeboten.
    ?Im Vorfeld sollten Einführungen und Schulungen für diese Ehrenamtlichen angeboten und organisiert werden. Dabei kann Euch z.B. das bfw mit seinem entsprechenden Bildungsangebot helfen.

    Informationen zu Deutschkursen und Anbietern findet ihr u.a. auf den Seiten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (
    www.bamf.de), des Deutschen Bildungsservers (www.bildungsserver.de), den das Deutsche Institut für Pädagogische Forschung (www.dipf.de) betreut, und des Bundesinstituts für Berufsbildung (www.bibb.de).? Für Selbstlernende wie für Kursteilnehmende bietet der Deutsche Volkshochschul-Verband (www.dvv-vhs.de) ein kostenfreies Lernportal "Ich will Deutsch lernen" (www.iwdl.de) an. Es ist für Anfänger wie für? Fortgeschrittene geeignet. Für ehrenamtliche Lernbegleiter wird zudem eine ca. 3stündige Schulung für den Umgang mit diesem Portal angeboten. Nähere Informationen dazu in verschiedenen Sprachen gibt es unter www.grundbildung.de und zu Projekten der internationalen Erwachsenenbildung und globalem Lernen unter www.dvv-international.de.

    Angebote zu arbeitsplatzbezogener Deutschförderung und zu interkultureller Bildung sowie eine Medienausleihe bietet u.a. das DGB Bildungswerk unter
    www.migration-online.de.

    Die Verständigung mit Menschen, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht so gut lesen oder Deutsch können, erleichtert der Ratgeber "Leichte Sprache" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (
    http://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/a752-leichte-sprache-ratgeber.html).

    Schulungen für Ehrenamtliche, z.B. für (Vor)-Lesepaten und Sprachcoachs, bietet u.a. die Arbeiterwohlfahrt (www.awo.de) zusammen mit der Stiftung Lesen (www.stiftunglesen.de) an: "Geschichten öffnen Türen - Vorlesen und Erzählen mit Kindern aus aller Welt". Angebote machen außerhalb des gewerkschaftlichen Bereichs auch Kirchengemeinden und Vereine wie z. B. der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. (www.binationaler.de).
     
  4. Auch ohne Sprachkursangebot könnt ihr z. B. eine kleine Sammlung geeigneter Materialien in Eurem Bereich auslegen. Oder spendet entsprechende Bücher/Hörbücher/Spiele/Materialien.

    Empfehlungslisten findet ihr u.a. bei der GEW (
    www.gew.de) und ihrer Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien (www.ajum.de), beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (www.bamf.de) und dem Goetheinstitut (www.goethe.de), beim Deutschen Bildungsserver (www.bildungsserver.de), der Stiftung Lesen (www.stiftunglesen.de) und bei den Bibliotheks- und Buchhandelsportalen. Die Bibliotheksportale verweisen auch auf kostenlos zu nutzende Materialien und stellen besondere Angebote für Flüchtlinge vor (www.bibliotheksportal.de, www.bib-info.de, www.bibliotheksverband.de, www.oebib.de u.a.). Einschlägige (Sprach) Lehrbuch- und Reise-Verlage bieten teilweise auch kostenlose Lehrmaterialien in verschiedenen Sprachen an.? Die kostenlosen Angebote und Buchspenden sind allerdings nicht immer ganz uneigennützig. Näheres zum Einfluss der Wirtschaftslobby auf die Schulen siehe u.a. unter www.igmetall.de/Wirtschaft-und-Schule.
     
  5. Für die multikulturelle Sprach- und Leseförderung eignen sich besonders zwei- und mehrsprachige Bücher. Ihr könnt - nicht nur für kleine Kinder - Bilderbücher mit und ohne Sprache nutzen sowie multilinguale (Bild-)Wörterbücher, (bebilderte) Atlanten u.a.m. Achtet auf die Inhalte - unsere Bildungsziele, nach denen wir z.B. die in Schulen verwendeten Unterrichtsmaterialien prüfen, gelten selbstverständlich auch bei solchen Aktivitäten zur Sprachförderung.

    Beispielhaft seien hier für ein mehrsprachiges Bilderbuch "Otto, die kleine Spinne" (Bilder mit Text in Deutsch und daneben in neun weiteren Sprachen), ein deutschsprachiges multikulturelles Bilderbuch "Alle Kinder dieser Welt" und als multilinguales Bild-Wörterbuch das "Brockhaus-Bildwörterbuch international" genannt. Zweisprachige Bildwörterbücher gibt es von mehreren Verlagen und für viele Sprachen. Zwei Beispiele: als zweisprachiges Wörterbuch "Pons Bildwörterbuch Arabisch - Deutsch: für Alltag, Beruf und unterwegs" sowie das "Bildwörterbuch Deutsch, die 1000 wichtigsten Wörter in Bildern erklärt".

    Ein besonders geeignetes Märchen, zumal es auch das Thema Alter und Beschäftigung thematisiert, ist das Märchen "Die Bremer Stadtmusikanten" der Gebrüder Grimm. Im Rahmen der Städtepartnerschaft von Bremen und Izmir hat das Märchen zudem eine moderne Fortschreibung in Deutsch und Türkisch erhalten, die die Thematik andere Länder - andere Sprachen - interkultureller Dialog aufgreift: "Wie die Bremer Stadtmusikanten nach Izmir kamen".

    Klassiker der (Kinder)-Literatur sind in viele Sprachen übersetzt, wie z. B. "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry, "Momo" von Michael Ende, das "Tagebuch der Anne Frank", zu dem es die Internet-Plattform www.annefrankguide.net gibt, sowie Bücher von Janosch, Astrid Lindgren und Tomi Ungerer, um nur einige zu nennen.
    Auch Atlanten, Liederbücher und Kochbücher können gut verwendet werden.

     
  6. Sprache lernen ist wichtig, doch selbstverständlich gehören viele andere Aktivitäten zu einem positiven Miteinander von Menschen:  Spiele wie Backgammon, Sport - Fußball ist auch hier der Favorit - und Musik, gemeinsames Kochen und Essen  erleichtern das Sprachen lernen und den Dialog zwischen den Kulturen und den Generationen.
     
  7. Bücher, DVDs und andere Medien, die sich für die multikulturelle Sprach- und Leseförderung eignen, könnt ihr über den örtlichen Buchhandel, die Büchergilde Gutenberg oder die Buchshops der IGM-Servicegesellschaft (http://www.igmetall-buchshop.de/ und http://www.igmmitglieder-buchshop.de/ - beide gemeinsam auffindbar unter www.igmservice.de/shops) bestellen.
  8. Nicht alle Bücher und Materialien müssen gekauft werden. Das DGB Bildungswerk e.V., Bereich Migration & Gleichberechtigung, bietet Medien für Multiplikatoren zur kostenlosen Ausleihe an (www.migration-online.de).Wenn es Gruppen gibt, in denen kontinuierlich gearbeitet wird, können von den Stadtbibliotheken Bücher- und Medienkisten ausgeliehen werden. Bibliotheksnutzer und -nutzerinnen können zudem eBooks, eAudios, eVideos, ePaper, eMagazines und eMusic über die Onleihe ausleihen oder E-Learning-Plattformen nutzen. Fragt einfach dort nach.
  9. Ihr könnt auch eine Weihnachts-, Betriebs- oder sonstige Feier etwas kleiner gestalten und für das eingesparte Geld Bücher von den beispielhaften oder einer örtlich vorgeschlagenen Titelliste kaufen und zu den Flüchtlingsunterkünften bringen. Oder Ihr könnt bei Betriebsversammlungen, der Weihnachtsfeier oder anderen Veranstaltungen für den Kauf von Büchern Geld sammeln.
  10. Fragt beim Laden der Büchergilde Gutenberg oder die örtlichen Buchhändler/innen eures Vertrauens, ob sie eine Bücherkiste aufstellen. Die Idee: die Kunden, die in den Laden kommen, kaufen zusätzlich zu ihren Büchern ein Buch für die Kiste, lassen es im Laden und wenn die Kiste voll ist, wird sie an den vorher vereinbarten Ort gebracht. Es gibt so ein Konzept in Lebensmittelmärkten mit Lebensmitteln für die Tafeln. Bücher sind Nahrung für den Geist und die Seele.

    In diesem Sinne gibt es zur Sprach- und Leseförderung seit Kurzem einen Sonderbestand Kinder- und Jugendbibliothek (KiJuBi) bei der Zentralbibliothek der IG Metall. Die Buchauswahl hat Schenker/innen, Bibliothekar/innen und Buchhändler/innen viel Spaß gemacht und bereichert die Nutzerinnen und Nutzer.
     
  11. Wo es Betriebskindergärten gibt, können vielleicht zusätzliche Kinder aufgenommen und deren Sprachförderung und Integration unterstützt werden. In Fällen von Traumatisierungen ?bei unbegleiteten Minderjährigen empfiehlt sich ggf. eine Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Jugendhilfe. Der Bundesfachverband Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (http://www.b-umf.de/) setzt sich für die Belange dieser Jugendlichen ein und hat auch Literatur zu der Problematik zusammengestellt.
  12. Für Jugendliche und Erwachsene ist berufsbezogenes Deutsch sehr wichtig. Erkundigt Euch, wer solche Kurse in eurer Region anbietet. Vernetzt Euch vor Ort mit den DGB- Kolleginnen und Kollegen und z.B. dem Berufsfortbildungswerk. Es gibt Vereine, die berufsbezogene Deutschkurse im "Tandem-Prinzip" anbieten. Dabei werden die Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer von Praktikern aus den Berufen unterstützt. Wer, wenn nicht wir Gewerkschaften, kennt sich am besten in der betrieblichen Realität aus und könnte sich an solchen Modellen beteiligen? ?
     
  13. Best-Practice-Beispiele aus unserem Organisationsbereich finden sich u.a. in der "Metallzeitung", auf der Homepage www.igmetall.de und auf der Webseite des Hochschulinformationsbüros (hib) der IG Metall? (www.hochschulinformationsbuero.de).
     
  14. Wer Zugang zum Intranet hat, findet dort eine umfangreiche Materialsammlung des Ressorts Migration zu den politischen Hintergründen von Migration, zu Daten und Fakten. Sielassen sich hervorragend für unterschiedliche Aktivitäten nutzen.
    Zu den vielen Fragen um Aufenthalt von Flüchtlingen und Arbeitsmarktzugang erstellt das Ressort Sozialpolitik jeweils aktuelle Unterlagen, die ebenfalls im Intranet zu finden sind.

    Wir werden in Kürze eine entsprechende Materialbox für WAP erstellen, um denen einen Zugang zu ermöglichen, die nicht ins Intranet kommen können.

     

Weitere Ideen und Anregungen? Sie sind jederzeit herzlich willkommen.

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