Sachsen plant Einschnitte in die Ingenieurgesetzgebung
IG Metall spricht sich gegen den Referentenentwurf des sächsischen Innenministeriums aus
An sich ist die Sache ganz einfach. Wer erfolgreich ein einschlägiges Studium absolviert hat, darf sich nach den Ingenieurgesetzen der Länder "Ingenieur/in" nennen. An diesem recht plausiblen Zusammenhang wird zurzeit nicht nur in Sachsen kräftig gerüttelt. Aktuell sind auch in Hessen und Brandenburg ähnliche Gesetzesinitiativen mit nahezu wortgleichen Regelungsvorschlägen auf den Weg gebracht worden.
Initiatoren sind in der Regel die Innen- oder Wirtschaftsminister der Länder. Auslöser sind die Ingenieurkammern, die seit einigen Jahren versuchen, ihren Einfluss auszuweiten und die Zahl ihrer Mitglieder zu erhöhen. Ingenieurkammern sind bis heute im Kern für die sog. "beratenden Ingenieure" zuständig, die sich ähnlich wie die Architekten in Kammern organisieren. "Beratende Ingenieure" sind freiberuflich tätige Ingenieurinnen und Ingenieure, die ein eigenes Büro leiten oder die als Sachverständige arbeiten. Die übergroße Mehrheit arbeitet jedoch als abhängig Beschäftigte. So stehen sich z.B. in Sachsen 2.700 Mitglieder der Ingenieurkammer ca. 110.000 beschäftigte Ingenieurinnen und Ingenieure gegenüber.
Seit Jahren ist die Politik der Bundesingenieurkammer, mehr Einfluss zu bekommen, indem sie versucht, maßgebliche Zuständigkeiten für alle Ingenieure zu erlangen. Dazu gehört die Forderung nach der Einführung einer beruflichen Akkreditierung, die Forderung, den Kammern die Zuständigkeit zum Führen der Berufsbezeichnung des Ingenieurs zu geben bis hin zur Forderung nach Einführung eines verpflichtenden Ingenieurregisters.
Mit der genannten Gesetzesinitiative stellt sich Sachsen in diese Linie. Mit dem Brief an den Innenminister Markus Olbig kritisiert Hans-Jürgen Urban dieses Gesetzesvorhaben und stellt insbesondere vier kritische Punkte heraus:
- Auch wenn der Referentenentwurf die Kammerforderungen nicht wörtlich umsetzt, so ist doch zu kritisieren, das Tragen der Berufsbezeichnung von einer Prüfung des Studiums durch die Kammer abhängig zu machen. Die Qualitätssicherung ist in Deutschland aber gut bei der Akkreditierung aufgehoben. Nur wenn das Studium den Anforderungen der Kammer entspricht, darf der Absolvent sich auch Ingenieur nennen. Damit entsteht eine wenig sinnvolle Doppelstruktur, die zudem keine Beteiligung von nicht Kammer gebundenen Wissenschaftlern, Studierenden oder Sozialpartnern vorsieht.
- Dazu versucht der Referentenentwurf Mindestinhalte für das Ingenieurstudium zu definieren, eine Voraussetzung, um daraus Berechtigungen abzuleiten, indem die fachlichen Anteile des Studiums quantifiziert werden. Abgesehen davon, dass dies ein hilfloser und in den Ingenieurwissenschaften längst überholter Ansatz ist, der zudem in Bezug auf die Hochschulautonomie und die Beteiligungsprozesse in der Akkreditierung fragwürdig ist, soll über diese Hintertür auch der Titel "Diplomingenieur" wieder hoffähig gemacht werden.
- Ebenso ist abzulehnen, dass der Gesetzgeber und mit ihm die Kammern zukünftig das Berufsbild des Ingenieurs bestimmen sollen. Abgesehen davon, dass die Formulierungen nicht geeignet sind, die Aufgaben für Ingenieurinnen und Ingenieure abzubilden, die sich aus einer modernen Arbeitswelt ergeben, ist grundsätzlich festzustellen, dass Berufsbilder ohne die Mitwirkung der Sozialpartner nicht angemessen zu beschreiben sind.
- Auch die angedachte Zuständigkeit der Kammern für die Berufsausweise - im Entwurf noch als freiwillige Leistung der Kammern angedacht - wird abgelehnt. Die berufliche Akkreditierung nach angelsächsischem Vorbild - und dafür ist das ein erster Schritt - lehnt die IG Metall ab.
Für Hans-Jürgen Urban steht fest: "Es gibt aus Sicht der IG Metall kein überzeugendes Argument, derart einschneidend in die bestehenden Ingenieurgesetze einzugreifen und die Befugnisse der Ingenieurkammern auszuweiten."
Hans-Jürgen Urban fordert die sächsische Landesregierung auf, den Referentenentwurf in der vorliegenden Form zurückzuziehen.