Sonderauswertung des BIBB
In Elektro- und Versorgungsberufen droht Fachkräfteengpass
Gründe für diese Entwicklung sind lt. BIBB neben dem demografischen Wandel vor allem der anhaltende "Drang" der Jugendlichen an die Gymnasien und Hochschulen sowie die Tatsache, dass gerade technik-affine Abiturienten eher ein Hochschulstudium, zum Beispiel im Ingenieurwesen, bevorzugen, als dass sie eine Berufsausbildung plus Aufstiegsfortbildung in diesen Berufsfeldern anstreben. Diese Entwicklung könnte aus Sicht der IG Metall aufgehalten werden. "Gerade bei den Arbeitsbedingungen hat sich wenigstens in den Industriebetrieben viel zum positiven entwickelt. Arbeitsplätze sind attraktiver geworden, Tätigkeiten werden wegen der höheren Anforderungen immer komplexer und auch interessanter. Die jugendlichen Schulabgänger müssten stärker herangeführt werden an zukünftige Arbeitsplätze. Handwerkliches Tun macht durch die Praxis mehr Spaß als langweiliger Schulstoff, aber nur wenn die Arbeitsbedingungen und der Umgang in den Betrieben stimmen, betont Gerdes.
Gerade bei den Handwerksberufen wird es nach den Worten von BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser "zu massiven Engpässen und Verwerfungen" kommen. "Im langfristigen Vergleich können die Erwerbschancen im Handwerk in der sich verschärfenden Konkurrenz zu industriellen und akademischen Berufen nicht mithalten", warnt der BIBB-Präsident. "Was wir brauchen, ist eine deutliche Steigerung der Wertschätzung der dualen Berufsausbildung in der Gesellschaft und nicht ein zu starkes und einseitiges Setzen auf eine Erhöhung der Quote der Hochschulabsolventen. Dazu muss Erwerbsarbeit in Kleinbetrieben auch für Abiturienten eine attraktive Alternative zur Beschäftigung in Großunternehmen oder Einrichtungen des öffentlichen Dienstes sein."
IG Metall-Experten Gerdes sieht das Handwerk gefordert: "Das Handwerk hängt bezüglich der Attraktivität massiv hinterher. Außer groß angelegte Imagekampagnen scheint sich da in den Betrieben nichts zu bewegen. Bei den aktuellen Arbeitsbedingungen im Handwerk und der Bezahlung der ausgelernten Gesellen kann die IG Metall oft nur abraten hier einen Berufseinstieg zu wagen." Ausnahmen gibt es allerdings auch im Handwerk, Schüler sollten sich bei ihrer Gewerkschaft vor Ort informieren bei welchen Betrieben es sich lohnt und von welchen Betrieben sie die Finger lassen sollten. "Schade eigentlich, es gibt interessante Handwerksberufe, aber schon die Weigerung der Arbeitgeber mit uns Tarifverträge abzuschließen für eine faire Bezahlung spricht hier Bände", so Gerdes.
BIBB-Präsident Esser rät zur Attraktivitätssteigerung des Berufsbildungssystems ein ganzes Bündel von bildungspolitischen Maßnahmen zu ergreifen. Vor allem komme es jetzt darauf an, noch vorhandene Potenziale in viel stärkerem Ausmaß als bislang zu nutzen. "Dies gilt insbesondere für Jugendliche mit schlechteren schulischen Voraussetzungen oder mit Migrationshintergrund, für eine Verbesserung der Berufsorientierung, für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder die Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt."
Besonders dramatisch entwickelt sich laut BIBB-Sonderauswertung die Situation in den Versorgungsberufen als Teil des Berufsfeldes "Metall- und Anlagenbau, Blechkonstruktion, Installation und Montage". In den Jahren von 2012 bis 2030 scheiden rund 726.000 Erwerbspersonen aus diesem Berufsfeld aus. Hinzukommen werden aber laut BIBB-Berechnungen voraussichtlich nur knapp 270.000 Personen mit dieser spezifischen Qualifikation. Allein hier werden also bis 2030 knapp 460.000 qualifizierte Fachkräfte fehlen. Das bestätigt auch die IG Metall, die Betriebsräte aus diesen Bereichen berichten in den letzten Jahren vermehrt von nicht besetzten Ausbildungsstellen. Laut Gerdes sind dafür zwei extreme Entwicklungen verantwortlich. "Einerseits bewerben sich gerade in solchen Berufen vermehrt Schulabgänger mit schlechteren Zugangsvoraussetzungen, andererseits sind die Zeiten die die ausbildenden Gesellen für Ausbildungszwecke zur Verfügung haben in den letzten Jahren auf null geschrumpft. Diese Rechnung kann nicht aufgehen, schwächere Schulabgänger müssen herangeführt werden, gerade zu Beginn der Ausbildung, da wird mehr Zeit benötig."
Zu den Versorgungsberufen zählen im Einzelnen zum Beispiel Berufe der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, im Ofen- und Luftheizungsbau, in der Kältetechnik, in der Ver- und Entsorgung, in der Wasserversorgung und Abwassertechnik, im Rohrleitungsbau sowie in der Abfallwirtschaft.
Ähnlich - wenn auch nicht ganz so dramatisch - sieht die Entwicklung in den Elektroberufen aus. Bis zum Jahr 2030 werden aus diesem Berufsfeld rund 648.000 Erwerbspersonen ausscheiden. Nach den Berechnungen des BIBB kommen aber voraussichtlich nur 350.000 Erwerbspersonen neu hinzu. Hier werden also knapp 300.000 Fachkräfte mit dieser spezifischen Qualifikation fehlen.
Zu den Elektroberufen gehören insgesamt mehr als 60 Berufsbezeichnungen, insbesondere Berufe in der Bauelektrik, der Elektromaschinentechnik, der Energie- und Kraftwerkstechnik, der elektrischen Betriebstechnik, der Leitungsinstallation und -wartung, der Elektro- und Informationstechnik, der Telekommunikation, der Mikrosystemtechnik sowie der Luftverkehrs-, Schifffahrts- und Fahrzeugelektronik.
Die Sonderauswertung basiert auf den gemeinsamen Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen des BIBB mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).