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Statement Prof. Esser, Präsident des BIBB

Stellungnahme zum Leitbild "Erweiterte moderne Beruflichkeit"

10.09.2015 Ι Das Leitbild "Erweiterte moderne Beruflichkeit" ist veröffentlicht worden. Inzwischen liegen auch Stellungnahmen und Diskussionsbeiträge in verschiedenen Veröffentlichungen vor. Es gibt Zustimmung und Kritik, Hinweise zu offenen Themen und Fragen danach, wie das Leitbild in den Betrieben, in der Berufsbildung und in der Hochschulpolitik umgesetzt werden kann. Das Leitbild wird unter BildungsexpertInnen in der IG Metall, in den Gewerkschaften und in den Bildungsinstitutionen diskutiert. Dieses Interesse an der Debatte ist gut und die kontroverse Diskussion ist gewollt. In den kommenden Wochen soll diese Diskussion mit ExpertInnen aus Betrieben und unterschiedlichen Institutionen fortgeführt werden. Den Anfang macht WAP mit einer Stellungnahme von Prof. Dr. Esser, Präsident des BIBB.

Mit dem Leitbild einer "Erweiterten modernen Beruflichkeit" zielt die IG Metall auf die Entwicklung gemeinsamer Prinzipien und Qualitätsmaßstäbe für die Gestaltung der Lernprozesse in der betrieblich-dualen und hochschulischen Berufsbildung. Die in dem Diskussionspapier genannten 15 zentralen Dimensionen knüpfen im Wesentlichen an Gestaltungselemente moderner Beruflichkeit an, wie sie in den Aus- und Fortbildungsordnungen umgesetzt werden. Sie erweitern diese allerdings um Elemente von Reflexivität und einer stärkeren Verknüpfung von Erfahrungs- und Wissenschaftsorientierung.

 

 

Mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) im Jahr 2005 wurde das Konzept der "Beruflichen Handlungsfähigkeit" als Leitbild einer handlungsorientierten Berufsausbildung festgeschrieben. Mit der Umsetzung des Deutschen Qualifikationsrahmens im Jahr 2012 erfolgte eine weitere Zäsur: Berufsbilder sind künftig konsequent kompetenz- und lernergebnisorientiert zu gestalten. Das heißt, das Ziel besteht in der Befähigung des Einzelnen zum umfassenden kompetenten beruflichen Handeln, verstanden als Integration von fachlichen, personalen und sozialen Kompetenzen. Bezugssystem ist die berufliche Praxis im Kontext der relevanten (zukünftigen) betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozesse und den damit verbundenen Herausforderungen.

 

 

Die Hochschule verfolgt als Bildungsziel grundsätzlich die akademisch und wissenschaftlich geprägte Qualifizierung der Studierenden. Eine unmittelbare berufliche Verwertung steht dabei nicht im Vordergrund. Sie widmet sich traditionell auch der Entwicklung von Beruflichkeit, vorwiegend jedoch für Professionen, für die andere Strukturen als in der dualen Berufsbildung kennzeichnend sind. Lehr-/ Lernprozesse erfolgen in der Regel getrennt von betrieblichen bzw. beruflichen Erfahrungen.

 

 

Mit der Umsetzung der Bologna-Reform für das Hochschulwesen wurde eine grundlegende Reform der Hochschulbildung in Deutschland angestoßen. Alle grundständigen Studiengänge sollen auf eine Berufstätigkeit vorbereiten und in curricularer sowie didaktischer Hinsicht berufs- und kompetenzorientiert angelegt sein. Hieraus folgte eine partielle Auflösung der traditionellen Grenzen zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung - verbunden mit der Entstehung eines Zwischenbereichs von beruflich und akademisch geprägten Kompetenzprofilen.

 

 

Leitbilder verfolgen das Ziel, "identitätsstiftend" zu sein. Generell ist zu erwarten, dass große Teile der Berufsbildung sich mit dem Leitbild einer "Erweiterten modernen Beruflichkeit" identifizieren können. Inwieweit das aber auch für die Hochschulseite zutrifft, ist eher fraglich, da nur in Ansätzen Bezüge zu den hochschulischen Traditionen aufgenommen werden.

 


Wenn es darum geht, Bildungswege ohne Sackgassen zu ermöglichen, wären vielmehr Leitvorstellungen zu entwickeln, die für beide Bildungsbereiche anschlussfähig sind. Diese Anschlussfähigkeit besteht in der Kompetenzorientierung als bildungsbereichsübergreifende Leitidee. Zentrale Dimensionen eines Leitbildes "Erweiterter moderner Beruflichkeit" wie Handlungs- und Problemorientierung, Reflexivität, ganzheitliche Ausrichtung eines Bildungskonzeptes hinsichtlich sozialer und personaler Entwicklung des Individuums oder die Verknüpfung von Erfahrung und Wissen sind Kernelemente dieser Kompetenzorientierung. Sie ist bildungspolitisch durch den Deutschen Qualifikationsrahmen "gesetzt".

 

Die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Qualitätssicherung kann ein weiterer Anknüpfungspunkt sein. Sowohl beim Bologna-Prozess (Hochschule) als auch im Kopenhagen-Prozess (Berufliche Bildung) werden gemeinsame Standards in Bezug auf die Sicherung von Bildungsqualität thematisiert.

 

zur Person:

Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser (Jg. 1959) ist seit 2011 Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Nach einer Ausbildung im Bäckerhandwerk und dem Abitur auf dem 2. Bildungsweg Studium der Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik in Braunschweig und Köln, 1997 Promotion und seit 2005 Honorarprofessur an der Universität zu Köln. Von 1991 bis 2004 beim Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk (FBH) an der Universität zu Köln - zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, ab 1998 als Geschäftsführer und ab 2003 als stellvertretender Direktor. 2004 Übernahme der Leitung der Abteilung "Berufliche Bildung" beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin.

 


 

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