Variantenmodell bei gestreckten Abschlussprüfungen
Die Qual der Wahl
Die Abschlussprüfung bei den Berufen der Industriemechanik wurde im Juli 2003 wie folgt beschrieben:
"Die Abschlussprüfung erstreckt sich unter Berücksichtigung der Rechtsverordnung darin, dass die definierten Fertigkeiten und Kenntnisse so vermittelt werden, dass der/die Auszubildende zu einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt wird. Insbesondere werden hier selbstständiges Planen, Durchführen sowie Kontrollieren einbeschlossen.
Die ermittelten Leistungen der Abschlussprüfung werden im Prüfungszeugnis der IHK dokumentiert. Dabei werden die Leistungen der Zwischenprüfung jedoch nicht berücksichtigt. Dieses allgemein bekannte Prüfverfahren veranlasste daher die Bildungsverantwortlichen zu dem Schritt das Prüfungssystem zu reformieren und neu zu gestalten.
Seit dem Jahr 2002 werden sogenannte gestreckte Abschlussprüfungen in den Ausbildungsordnungen verankert. Anschließend wurde 2005 das Berufsbildungsgesetz (BBiG) novelliert und neue Regelungen wurden beschrieben. Seit Sommer 2009 wurde dann auch im kaufmännischen Bereich erstmals die gestreckte Abschlussprüfung in den entsprechenden Ausbildungsordnungen festgeschrieben.
Diese Neugestaltung der Berufsausbildung erfordert dementsprechend auch eine neue Form der Abschlussprüfung, mit dem die Prüfungsstruktur verändert und neu festgelegt wurde.
Hier am Beispiel von gewerblich-technischen Ausbildungsberufen und des Berufes Kaufmann/frau für Büromanagement.
Teil 1 der gestreckten Abschlussprüfung
Die Zwischenprüfung wird ersetzt durch den Teil 1 der gestreckten Abschlussprüfung. Die gestreckte Abschlussprüfung 1 (AP 1) umfasst eine komplexe Arbeitsaufgabe einschließlich integrierter schriftlicher Aufgabenstellungen und je nach Beruf auch situativer Gesprächsphasen. Prüfungsgegenstand bei den Metall- und Elektroberufen sind in dem Teil die Ausbildungsinhalte der ersten 18 Monate, bei den Kaufleuten für Büromanagement sind es die Open-Office-Kenntnisse, wie Word und Excel. Die AP 1 soll bis spätestens zum Ende des zweiten Ausbildungsjahres abgelegt sein.
Teil 2 der gestreckten Abschlussprüfung
Der Teil 2 der Abschlussprüfung erfolgt zum Ende der Ausbildung mit den Prüfungsbereichen Arbeitsauftrag, Auftrags- und Funktionsanalyse, Fertigungstechnik und Wirtschafts- und Sozialkunde bzw. bei den Kaufleuten Themen zu ihren Wahlqualifikationen.
Für diesen Teil der Abschlussprüfung werden folgende Auswahlmöglichkeiten angeboten:
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Gewerblich-technischer Ausbildungsberuf |
Kaufmann/frau für Büromanagement |
Variante 1
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(Report-Variante)
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Variante 2 |
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(klassische Variante)
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Die Bewertung des Gesamtergebnisses der Abschlussprüfung kann von Beruf zu Beruf verschieden sein. Dabei wird die AP 2 je nach Ausbildungsordnung zu 60 % - 80 % angerechnet.
Die AP 1 wird entsprechend der prozentualen Anrechnung der AP 2 mit 20 % - 40 % angerechnet. Diese Prüfung kann nicht eigenständig wiederholt werden, da sie Teil der Gesamtprüfung ist. Beide Prüfungsergebnisse werden schließlich zu einer Gesamtnote zusammengeführt.
Die Auswahl der Variante erfolgt durch den Betrieb unter Mitbestimmung des Betriebsrates. Dabei sollte aber auch die Jugend- und Auszubildendenvertretung miteinbezogen werden.
Die praktische Arbeitsaufgabe (Variante 2) wird bei der Prüfungsaufgaben- und Lehrmittelentwicklungsstelle (PAL) in Stuttgart erarbeitet und den Betrieben nach Anforderung zur Verfügung gestellt.
Die Aufgabenstellung der Varianten 1 und 2 muss gleichwertig sein. Objektivität und Chancengleichheit müssen bei beiden Varianten sichergestellt sein. Die neue Form der Abschlussprüfung orientiert sich an dem Modell der vollständigen Handlung und entspricht so einer modernen Ausbildungs- und Prüfungsform.
Aus Sicht der IG Metall gilt die Variante 1 als Favorit, denn nur mit diesem Ansatz können Geschäftsprozesse praxisnah als ganzheitliche Qualifikationen objektiv abgeprüft werden.