IT-Gipfel
Qualifizierung für die Industrie 4.0
Einerseits, sagt Dieter Lochbihler, seien die Veränderungen, die mit fortschreitender Digitalisierung der Produktion einhergehen, gewaltig, wandelten sich Tätigkeiten und Anforderungen im schnellen Tempo, zöge neue Technik in die Werkhallen ein, Tablets und SmartWatches etwa, die andere Fertigungsmethoden möglich und neue Qualifikation nötig machen - und andererseits?
"Andererseits muss man Industrie 4.0 in kleinen Schritten erklären", sagt der Betriebsratsvorsitzende von Bosch in Blaichach, "nötig ist systematische Qualifizierung, damit die Beschäftigten mit neuer Technik und Assistenzsystemen umgehen können." Das tun sie bei Bosch.
Noch vor ein, zwei Jahren, erzählt Dieter Lochbihler, war die Verunsicherung bei den 3400 Beschäftigten im Blaichacher Werk groß. "Die Kolleginnen und Kollegen wussten nicht, was auf sie zukommt, sie sahen nur, dass es auf einmal neue Anforderungen an ihre Tätigkeiten gab." Der Einsatz von digitaler Technik machte eine flexible Versorgung der Linie moglich; statt fest vorgegebene Mengen von Material für eine Maschine bereitzuhalten, wurde es möglich, schnell auf aktuelle Fertigungsprozesse einzugehen. Damit ändert sich das Aufgabenspektrum der Beschäftigten. "Sie müssen mit neuer Technik umgehen", sagt Lochbihler. "Dazu vergrößert sich ihre Verantwortung, weil sie für die flexible Befüllung zuständig sind." Nochmals verschärft gilt dies fur die Anlagenführer. Vor allem bei Fertigungsstillstanden und Störungen sind sie gefragt: Vernetzte mobile Endgeräte machen eine globale Fehlersuche an baugleichen Maschinen moglich. Über ein Tablet bekommt der Beschäftigte Handlungsempfehlungen, die er bewerten muss. "Um die Aufgaben zu meistern, brauchen die Kollegen vernetztes Denken und Entscheidungsverantwortung", sagt Dieter Lochbihler. Wichtig sei, die Beschäftigten zu qualifizieren.
Fur Jörg Hofmann ist Qualifizierung einer der maßgeblichen Schlüssel, um den digitalen Wandel zu gestalten. "Wir müssen die Beschäftigten rechtzeitig darauf vorbereiten, ihre Kompetenzen anzupassen", sagt der Erste Vorsitzende der IG Metall. "Außerdem müssen wir strukturellen Wandel mitgestalten und Sicherheiten durchsetzen, damit niemand auf der Strecke bleibt."
Systematische Qualifizierung
Bei Bosch in Blaichach gibt es daher fur alle Beschäftigten, abhängig von ihrer Tatigkeit, Qualifizierungsangebote. Diese werden laufend weiterentwickelt, sind methodisch und inhaltlich auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten und zeitlich flexibel - das reicht von kurzen Schulungsvideos über Grundzüge von Industrie 4.0 oder den Einsatz neuer technischer Gerate bis hin zu Tagesseminaren, in denen der Umgang mit neuen Systemen ebenso vermittelt wird wie spezifische Methoden der Teamarbeit oder Fuhrungsverantwortung. Neben den Qualifizierungsmasnahmen ist dem Betriebsrat aber auch Kommunikation wichtig. "Es geht darum, Industrie 4.0 für den Beschäftigten greifbar zu machen und Angst zu nehmen." Monitore in den Pausenraumen gehören ebenso dazu wie Informationstafeln in den Werkstätten. "Wir wollen und wir werden den digitalen Wandel nicht aufhalten", sagt Dieter Lochbihler, "aber um ihn in unserem Sinn gestalten zu konnen, brauchen die Beschäftigten gute Qualifizierung."
von Jan.Chaberny@igmetall.de | metallzeitung Nov. 2016, S. 9