Fünf Punkte-Plan der IG Metall
Ausbildung und duales Studium sichern
Wir werden diese Krise nur bewältigen, wenn wir solidarisch handeln. Das bedeutet, auf alle Beschäftigtengruppen Rücksicht zu nehmen. Deshalb muss auch unter diesen erschwerten Rahmenbedingungen gewährleistet sein, dass
- Ausbildung und duales Studium durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen werden können,
- die Vergütung gesichert ist. Die Ausbildungsvergütung reicht ohnehin in vielen Fällen nicht aus, um die Miete zu zahlen und den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Grundsätzlich gilt: Der Schutz der Gesundheit der Auszubildenden und (dual) Studierenden hat bei allen Maßnahmen Vorrang.
Das sind unsere Ziele:
- Weiterführung der Ausbildung in der erforderlichen Qualität sichern
- Erfolgreichen Abschluss in der Ausbildung/dem dualen Studium sicherstellen
- Fortzahlung der Ausbildungsvergütung
- Übernahme sichern
- Ausbildungsplätze 2020/2021 sichern
Damit dies gelingt, müssen wir diese Ziele kohärent gegenüber den Unternehmen, den Berufsbildungsausschüssen, Kammern, der Bundesagentur für Arbeit, den Kultusministerien, der Bundesregierung und auch im DGB vertreten und vor allem vorantreiben. Dort sind viele Akteur*innen an der Durchführung der Ausbildung beteiligt:
- Ausbildungsbetriebe
- Auszubildende und dual Studierende
- Ausbilder*innen und Prüfer*innen, Ausbildungsbeauftragte
- Betriebsräte und Jugend- und Auszubildendenvertreter*innen
- Ausbildungsstätten
- Berufsschulen inkl. Lehrkräfte
- Hochschulen (dual Studierende)
- Handwerks- und Industrie- und Handelskammern
- Berufsbildungsausschüsse
- Kultusministerkonferenz
Dort gilt es jetzt, die folgenden Positionen zu vertreten:
Es muss sichergestellt werden, dass die Ausbildungsinhalte in der fachlich notwendigen Qualität vermittelt werden. Aufgrund der verschiedenen technischen und organisatorischen Voraussetzungen in den Betrieben kommen dafür viele Möglichkeiten in Betracht. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Betriebsrat seine Mitbestimmungsmöglichkeiten auf jeden Fall nutzt und auch die Jugend- und Auszubildendenvertretung einbezieht. Darüber hinaus müssen auch auf örtlicher Ebene die oben genannten Akteure jetzt verstärkt zusammen und mit uns an pragmatischen Lösungen arbeiten. Die IG Metall stößt einen überbetrieblichen Austausch über Möglichkeiten, die Qualität der Ausbildung zu gewährleisten, an.
Erste Ideen und Informationen, wie eine Praxisphase trotz Kurzarbeit gestaltet werden kann, finden sich in der aktuellen Ausgabe der BBaktuell.
2.1 Prüfungstermine und Laufzeiten der Ausbildungsverträge abgleichen, Möglichkeit zur Verlängerung der Ausbildungszeit sicherstellen
Aktuell fallen noch vereinzelt Abschlussprüfungen der Winter-Auslerner*innen 2020 aus. Vielerorts wurde diesen nun geraten, einen Antrag nach § 8 BBiG an die zuständige Stelle zu stellen. Die Kammern müssen diese Anträge prüfen und die ausbildenden Betriebe anhören.
Für die Sommerauslerner*innen gilt: Die Zeiträume für die praktischen Prüfungen haben sich aktuell nicht verschoben. Bei eventuellen krisenbedingten Verschiebungen der Abschlussprüfung sollte in jedem Fall jeder Ausbildungsvertrag auf das vereinbarte Ausbildungsende überprüft werden. Liegt der Prüfungstermin nach dem vereinbarten Ausbildungsende, so ist mit der zuständigen Kammer und dem Prüfungsausschuss zu klären, dass die betroffenen Auszubildenden oder dual Studierenden ihre Prüfung doch noch vor Ende der Ausbildung ablegen können.
Bei der Überprüfung sind auch Betriebsrätinnen und Betriebsräte sowie Jugend- und Auszubildendenvertretungen gefragt, sicherzustellen, dass vor Ort ein Abgleich stattfindet.
Andernfalls muss es eine Rechtssicherheit im BBiG geben:
Erweiterung des § 21 BBiG (Beendigung) durch folgenden Passus: Sind Auszubildende aus einem sonstigen, in ihrer Person liegenden Grund unverschuldet verhindert, ihre Abschlussprüfung abzulegen, verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf ihr Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens um ein Jahr.
Oder Vorschlag DGB: § 21 (4) BBiG temporär erweitern: Können Auszubildende ohne eigenes Verschulden die Abschlussprüfung erst nach beendeter Ausbildungszeit ablegen, gilt Absatz 3 entsprechend.
2.2 Die Zulassung zur Abschlussprüfung ohne Zwischenprüfung absichern
Der pandemiebedingte Ausfall einer Zwischenprüfung darf nicht dazu führen, dass Azubis nicht zur Abschlussprüfung zugelassen werden! Nach § 43 Abs. 2 BBiG ist die Teilnahme an der Zwischenprüfung Voraussetzung für die Zulassung. Die Kammern wollen allen betroffenen Auszubildenden eine "Ersatzteilnahmebescheinigung" zusenden. Diese Bescheinigung soll die Zulassung zur Abschlussprüfung absichern. Der Versand und Empfang der Bescheinigungen muss unbedingt bei allen IG Metall Auszubildenden sichergestellt werden.
Nach § 19 Nr. 2 BBiG ist Auszubildenden die Vergütung auch dann fortzuzahlen, wenn die Berufsausbildung ausfällt oder sie unverschuldet verhindert sind, ihre Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis zu erfüllen. Bei einigen dual Studierenden ist der Inhalt des §19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG in ihren Verträgen übernommen. Hier lohnt es sich nachzuschauen!1 Die Fortzahlungspflicht nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG gilt jedoch nur für die Dauer bis zu sechs Wochen.
Grundsätzlich sind Auszubildende, dual Studierende und auch das Ausbildungspersonal von der Kurzarbeit auszuschließen, denn der Betrieb ist dazu verpflichtet, alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung weiter zu gewährleisten. In diesem Fall ist auch klar, dass die Ausbildungsvergütung weiter in vollem Umfang gezahlt werden muss. Dabei kommt es vor allem auf die Sicherstellung der Ausbildungsqualität an, wie in Punkt 1 beschrieben. Nur in extremen Ausnahmesituationen kann es in Betracht kommen, dass auch Auszubildende in die Kurzarbeit einbezogen werden und auch in diesem Fall frühestens dann, wenn der Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung nach § 19 Nr. 2 BBiG nicht mehr besteht. So sieht es auch die Musterbetriebsvereinbarung der IG Metall vor.
Nach den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Kurzarbeit ist die Gewährung von Kurzarbeitergeld auch für Auszubildende nicht ausgeschlossen.2
A. Was geschieht nach Ablauf der sechswöchigen Fortzahlungspflicht?
Im Grundsatz muss gelten: Die Vergütung wird weitergezahlt. Sollte dies nicht möglich sein, sollte für Auszubildende und dual Studierende Kurzarbeit beantragt und eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 100 Prozent vereinbart werden.
Zum Teil gibt es Tarifverträge, die Härten abfangen: Auszubildende und dual Studierende der M+E-Industrie, die durch den (teilweisen) Ausfall ihrer Vergütung ihre Existenz nicht mehr sichern können, sollten auch beim Härtefallfonds des SolidarTV 2020 berücksichtigt werden. Das muss in der jeweiligen Betriebsvereinbarung zur Verwendung des Finanzierungsbetrages bzw. zur Kurzarbeit geregelt werden.
In vielen weiteren Branchen gibt es dazu keine Vereinbarungen. Auch hier muss ein besonderer Fokus auf eine betrieblich vereinbarte Aufstockung gelegt werden.
In der Muster-BV der IG Metall zu Kurzarbeit steht dazu:
§ 1 II: "Von der Kurzarbeit ausgenommen werden:
(1) Auszubildende und Praktikant*innen im Sinne des § 26 BBiG sowie dual Studierende in ausbildungsintegrierenden dualen Studiengängen, soweit ein Entgeltanspruch aus § 19 BBiG besteht.
(2.) Sonstige dual Studierende (praxisintegriertes duales Studium) sowie Werkstudierende, wenn sie keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben."
Das bedeutet:
- Wenn kein Entgeltanspruch mehr aus § 19 BBiG besteht, fallen sie unter den Geltungsbereich der BV Kurzarbeit.
- Wir empfehlen, dass auch für Auszubildende und dual Studierende ein Aufstockungsbetrag vereinbart wird.
- Während der Teilnahme an Lehrveranstaltungen der Hochschulen und bei der Fortführung des Hochschulbetriebs ist die Vergütung normal weiter zu zahlen.
- Wir unterstützen die Forderung der DGB Jugend nach Entfristung des §19 Nr. 2 BBiG.
B. Dual Studierende und Kurzarbeit
Nach Auffassung der IG Metall haben auch dual Studierende einen Anspruch auf KUG, wenn alle Optionen der Fortführung der Ausbildung ausgeschöpft sind:
- Dual Studierende in praxisintegrierten dualen Studiengängen, denen eine Vergütung gezahlt wird.
- Dual Studierende in ausbildungsintegrierten Modellen, die unter das BBiG fallen; allerdings frühestens nach den zugesicherten 6 Wochen aus § 19 Nr. 2 BBiG.
- Dual Studierende in der Phase nach Erlangen des IHK-/HWK-Abschlusses.
Wir empfehlen, dies rechtzeitig mit der örtlichen Agentur für Arbeit zu klären.
Die durch Corona bedingte Krise darf die Übernahme von Auszubildenden und dual Studierenden nicht gefährden. Wir müssen ausschließen, dass Auszubildende oder dual Studierende nicht übernommen werden, weil Abschlussprüfungen verschoben werden, sich die Ausbildungszeit verlängert oder generell die betriebliche Situation es angeblich nicht zulässt. Das berufliche Erfahrungswissen direkt im Anschluss nach der Ausbildung ist ein wichtiges Element bei der Vermeidung von längerer Arbeitslosigkeit zum Berufseinstieg. Dabei ist auch besonders auf die Einhaltung unserer Tarifverträge und bei Jugend- und Auszubildendenvertretungen der besondere Schutz nach § 78a BetrVG zu achten.
Es ist wichtig, darauf hinzuwirken, dass bereits geschlossene Ausbildungsverträge jetzt nicht gelöst werden. Gerade für die Post-Corona Zeit gilt: Jeder Ausbildungsplatz und jeder duale Studienplatz zählt. Die IG Metall führt hier frühzeitig einen Diskussionsprozess über mögliche arbeitsmarktpolitische Instrumente, wie es sie beispielsweise in der Krise 2008/2009 gab, um die Situation zu entschärfen. (Beispiel: Ausbildungsbonus.)
Auch die Forderung nach einer Ausbildungsgarantie oder Umlagemodellen gehört in diesen Diskussionsprozess.
Lasst uns alle aktiv daran arbeiten, dass auch die Auszubildenden und dual Studierenden gesund und gut durch diese Krise kommen. Nur wenn wir solidarisch sind, werden wir die Krise bewältigen.
Gerade jetzt kommt es darauf an, dass möglichst viele Auszubildende und dual Studierende in der IG Metall organisiert sind! Fordert bitte Eure Kolleg*innen aktiv dazu auf, bei uns mitzumachen.