Industrieausbildung sinkt weiter - Passungsprobleme nehmen zu
Ausbildungsmarkt 2021: Kaum Entspannung in Sicht!
Thomas Ressel, für die IG Metall im BIBB-Hauptausschuss, schlug vor, "die im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigten Jugendberufsagenturen zügig flächendeckend aufzubauen und die Berufsorientierung mit Ausbildungslotsinnen und -lotsen hier zu etablieren. So können Jugendberufsagenturen beim Übergang von der Schule in den Beruf Unterstützung aus einer Hand bieten und Ausbildungsbetriebe und junge Menschen zusammenführen."
Die Arbeitgeber müssen aber auch liefern. Nur mit guten Berufsperspektiven und einer guten tariflichen Bezahlung wird ein Beruf für junge Menschen interessant. Und die Betriebe müssen sich stärker auch für Jugendliche mit Förderbedarfen öffnen.
"Die Transformation ist zunehmend eine Herausforderung für die industrielle Ausbildung. In der Metall- und Elektroindustrie sind die Ausbildungsquoten auf einen neuen Tiefstand von 4,9 Prozent gesunken. Es gibt über 10.000 Auszubildende weniger als im Vorjahr. Diese strukturellen Veränderungen müssen in den BIBB-Gremien in den Blick genommen werden", sagte Ressel.
Nach den erheblichen Einbußen im vergangenen Jahr im Zuge der Corona-Pandemie und ihrer Bekämpfung hat sich die aktuelle Lage auf dem Ausbildungsmarkt im Jahr 2021 nur leicht entspannt. Das Niveau von vor der Pandemie wurde bei Weitem nicht erreicht. Mit insgesamt 473.100 neu abgeschlossenen dualen Ausbildungsverträgen wurden 5.600 Verträge (+1,2 %) mehr abgeschlossen als 2020. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge fiel aber immer noch um 52.000 niedriger aus als 2019 (525.000 Verträge).
Dies sind zentrale Ergebnisse der Analysen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zur Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2021. Sie basieren auf der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum Stichtag 30. September sowie auf der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Das Angebot an Ausbildungsstellen lag 2021 bei 536.200. Das sind 8.800 (+1,7 %) mehr als 2020, aber noch immer mehr als 40.000 weniger als 2019 vor der Corona-Pandemie (578.200).
Die Zahl der jungen Menschen, die eine duale Berufsausbildung nachfragten, ging im Vergleich zum Vorjahr nochmals um 4.800 (-0,9 %) auf 540.900 zurück. Die Ausbildungsplatznachfrage erreichte damit einen neuen Tiefstand seit 1992, als erstmals Daten für das wiedervereinigte Deutschland vorlagen.
Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen stieg dagegen weiter an und erreicht ein neues Rekordniveau. 63.200 Ausbildungsstellen blieben 2021 unbesetzt. Das entspricht einem Anstieg um 3.200 (+5,4 %) im Vergleich zu 2020. Schon in den Jahren zuvor war die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen stetig gestiegen (2019: 53.100, 2020: 59.900).
Die Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt zu verringern, also Jugendliche und Betriebe besser zusammenzubringen, stellt laut BIBB-Analyse auch im Jahr 2021 die zentrale Herausforderung am Ausbildungsmarkt dar. Zwar hat sich aus Sicht der Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Lage etwas entspannt. Denn der Anteil der noch eine Ausbildungsstelle suchenden Bewerberinnen und Bewerber an der Gesamtnachfrage fiel mit 12,5 % niedriger aus als 2020 (14,3 %). Hier wurde fast wieder der Wert von 2019 erreicht (12,3 %). Aber gleichzeitig ist der Anteil der unbesetzten Ausbildungsstellen am betrieblichen Gesamtangebot weiter gestiegen (2019: 9,4 %, 2020: 11,7 %, 2021: 12,2 %). Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Berufen und Regionen.
Nach Auffassung von BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser hatte die Corona-Pandemie auch 2021 den Ausbildungsmarkt fest im Griff. "Leider ist die noch im Sommer 2020 erwartete Erholung in dem erhofften Ausmaß in diesem Jahr nicht eingetreten. Der leichte Anstieg bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zeigt, wie sehr sich die Betriebe und Ausbildungsverantwortlichen anstrengen, auch in diesen schwierigen Zeiten an der dualen Ausbildung festzuhalten. Dennoch ist spürbar, dass die Verunsicherung bei Betrieben und Jugendlichen aufgrund der Corona-Pandemie auch im Jahr 2021 nach wie vor hoch ist. Große Sorge bereitet mir der weitere Rückgang auf der Nachfrageseite, ein eindeutiger Beleg dafür, dass das Interesse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an der dualen Berufsausbildung weiter nachlässt. Und da, wo heute die Auszubildenden fehlen, fehlen morgen die Fachkräfte. Deshalb wird die Sicherung des Fachkräftebedarfs zu einer der größten Herausforderungen dieses Jahrzehnts. Nur mit einer attraktiven und starken dualen Berufsbildung wird es gelingen, dieser Herausforderung zu begegnen."