Corona-Krise im Prüfungswesen
Pragmatische Lösungen sind gefragt
(Quelle: BBAktuell | 2020 Corona-Spezial, S. 8)
Wie ist nun mit den daraus resultierenden Folgen umzugehen? Die zwei wichtigsten Fragen sollen hier beantwortet werden:
Werden ausgefallenen Berufsschulzeiten als Fehlzeiten angerechnet?
Die Fehlzeiten sind grundsätzlich für die Zulassung zur Abschlussprüfung relevant (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 und § 36 Abs. 1 Nr. 1 HwO). Dabei ist zu beachten, dass Berufsschulunterricht, der z. B. über Lernplattformen erfolgt und damit Präsenzphasen ersetzt, nicht als Fehlzeit gewertet werden kann. Es ist weiter davon auszugehen, dass Fehlzeiten von bis zu 10 Prozent keine Auswirkungen haben. Bei mehr als 10 Prozent können diese immer noch als geringfügig eingestuft werden, wenn davon auszugehen ist, dass das Ausbildungsziel nicht gefährdet wurde. Im Einzelfall entscheidet die zuständige Stelle (IHK/HwK) und dies wird in einer solchen Ausnahmesituation erfahrungsgemäß großzügig erfolgen.
Welche Folgen hat die Verschiebung auf die Ausbildungsverträge?
Wichtig ist: Die Verträge verlängern sich nicht automatisch. Selbst bei einem nichtbestehen der Prüfung muss der Auszubildende erst die Verlängerung gemäß § 21 (3) BBiG "Verlangen". D.h., die Verträge enden zum vertraglich vereinbarten Termin!
Die Auszubildenden können jedoch bei der zuständigen Stelle (IHK/HwK) eine Verlängerung beantragen. Hier gilt § 8(2) BBiG: In Ausnahmefällen kann die zuständige Stelle auf Antrag Auszubildender die Ausbildungsdauer verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Vor der Entscheidung über die Verlängerung sind die Ausbildenden zu hören.
- Für die Ausbildungsverträge, mit Laufzeit bis zum 31.08.2020, besteht damit kein Handlungsbedarf.
-
Für die Ausbildungsverträge, die zu einem früheren Zeitpunkt enden - teilweise schon zum 31.07.2020 -
sind zwei Schritte dringend zu empfehlen:-
Klärung, ob die zuständige Stelle eine Prüfungsabnahme bis zum Vertragsende gewährleisten kann.
-
Vorbehaltlicher Antrag auf Verlängerung (gem. § 8 (2) BBiG) bis zum nächsten Prüfungstermin stellen, falls die Prüfung nicht fristgerecht durchführbar ist.
-
Die IG Metall erwartet in dieser Ausnahmesituation von den zuständigen Stellen, dass sie alle Möglichkeiten ausschöpft, die Prüfungen (unter Wahrung des Infektionsschutzes) "fristgerecht" nachzuholen und als Ultima Ratio den Anträgen großzügig und unbürokratisch statt zu geben.
Berufsbildungsausschüsse müssen sich ein Bild von den geplanten Prozessen verschaffen und diese im Sinne der Auszubildenden begleiten und orientieren.
Ausbilder*innen und Betriebsräte müssen darauf achten, dass die Verträge geprüft werden und dass es zu keinen Interventionen der Betriebe kommt. Denn dieser haben rechtlich keine Möglichkeit die Entscheidung der zuständigen Stelle (bzgl. Vertragsverlängerung) zu verhindern!
Die IG Metall und ihre ehrenamtlich benannten Prüfer*innen, werden die zuständigen Stellen mit allen Möglichkeiten dabei unterstützen, die Prüfungen fristgerecht durchzuführen.
Denn die Folgen einer Verschiebung der Prüfungstermine über das reguläre vertragliche Ausbildungsverhältnis hinaus wäre gravierend. Unmittelbar betroffen wäre die individuelle Lebensplanung der Auszubildenden und ihre Einkommensentwicklung. Aber auch die Kapazitäten der Berufsschulen wären für eine so hohe Anzahl von Auszubildenden die länger lernen müssten nicht ausgelegt! Und letztlich würden die ausbildenden Betriebe an Kapazitätsgrenzen bei der Ausbildung stoßen, da im September (eigentlich) die neuen Auszubildenden ihre Ausbildung beginnen müssten.
Unter strenger Einhaltung der Hygienevorschriften und einer angemessenen räumlichen Organisation, erachten wir die Durchführung der Abschlussprüfung im Juni als verhältnismäßig und richtig an.