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Prüfung

Das Wort Prüfung geht auf das lateinische Verb "probare" zurück, was so viel bedeutet wie untersuchen, beurteilen, genehmigen, beweisen. In der Technik (DIN 1319 Teil 1) heißt "Prüfung" "Feststellen, inwieweit ein Prüfobjekt eine Forderung erfüllt".

Definition

In einer Prüfung wird eine Situation geschaffen, in der eine Person Handlungen ausführen soll und damit auf die Probe gestellt wird. Durch Beauftragte (Prüfer) wird

  • ein während der Prüfung erstelltes Produkt (beispielsweise einen angefertigten Gegenstand, eine schriftliche Ausarbeitung, die schriftliche Beantwortung von Fragen)

und/oder

  • das Verhalten des Prüflings während der Prüfung (beispielsweise die Vorgehensweise beim Handeln, das Führen eines Gesprächs, die mündliche Beantwortung von Fragen)

bewertet.

Sinn und Zweck von Prüfungen

Prüfungen dienen

  • zur Feststellung der Qualifikationen (Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten) von Personen. Beispielsweise heißt es in § 38 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG):
"Durch die Abschlussprüfung ist festzustellen, ob der Prüfling die berufliche Handlungsfähigkeit erworben hat. In ihr soll der Prüfling nachweisen, dass er die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten beherrscht, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt und mit dem ihm im Berufsschulunterricht vermittelten, für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff vertraut ist."
  • zur Selektion "geeigneter" und "ungeeigneter" Kandidaten". Beispiele hier für sind Zulassungsprüfungen und Personalauswahlverfahren. Aber auch Klassenarbeiten und Abschlussprüfungen wirken selektierend und entscheiden über weitere Bildungswege und Lebenschancen.
  • zur Feststellung des Bildungsstandes von Personen, um Mängel aufzudecken und korrigierend, ergänzend und fördernd einzuwirken. Ein Beispiel hierfür sind Zwischenprüfungen während der dualen Berufsausbildung.
  • zur Steuerung von Bildungsprozessen in Richtung des Bestehens von Prüfungen, beispielsweise durch "üben" von Prüfungsaufgaben - deshalb bezeichnet man Prüfungsaufgaben als "heimlichen Lehrplan".
  • zur Beurteilung von Bildungseinrichtungen. In Schulen werden dazu Vergleichsarbeiten (VERA, PISA ) geschrieben. Aber auch Abschlussprüfungen haben diese Funktion, da erhöhte Durchfallquoten in Bildungseinrichtungen auf Mängel hinweisen.

Prüfungen haben insbesondere eine gesellschaftliche Funktion. Bestandene Prüfungen sind die Grundlage für Berechtigungen im Bildungswesen und Grundlage für berufliche Karrieren. Gesellschaftliche Positionen und Status werden über Prüfungen zugewiesen. Damit wird durch Prüfungen die Konkurrenz um Noten und Abschlüssen befördert. Möglicher Weise bleiben traditionelle Privilegien bessergestellter Familien durch eine spezifische Art der Gestaltung von Prüfungen erhalten oder werden dadurch sogar verstärkt. Durch PISA wurde festgestellt, dass es in Deutschland einen starken Zusammenhang zwischen Testleistungen und sozialer Schichtzugehörigkeit sowie im internationalen Vergleich extrem starker Einfluss eines Migrationshintergrunds gibt. ([1])

Einsatz von Prüfungen

Prüfungen werden in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt, beispielsweise

  • beim Auswahl von Personal und in Einstellungsverfahren,z. B. Personalauswahlgespräche, Einstellungstests, Assessmentcenter
  • in allen Bereichen des Bildungswesens:
    • in Kindergärten: z. B. Sprachstandserhebungen
    • im allgemeinbildenden Schulwesen: z. B. Klassenarbeiten, Vergleichsarbeiten, Realschulprüfungen, Abiturprüfungen
    • in der Berufausbildung:z. B. Zwischenprüfungen, Abschlussprüfungen, Berufsschulabschlussprüfungen, Berufsfachschulabschlussprüfungen
    • in der Hochschule: z. B. Modulprüfungen, Abschlussprüfungen
    • in der Weiterbildung:z. B. betriebliche Prüfungen, Zertifizierung von IT-Spezialisten]], Meisterprüfungen, Technikerprüfungen, IHK-Prüfungen
  • als Befähigungsnachweise, um bestimmte Tätigkeiten ausüben zu dürfen, z. B. Führerscheinprüfungen, Schweißprüfungen, Befähigungsnachweise im Rahmen des Sprengstoffrechts.
  • als Befähigungsnachweise, um reglementierte Berufe ausüben zu dürfen.

Anforderungen an Prüfungen

Prüfungen sollen folgenden Gesichtspunkten genügen:

  • aus der Sicht der Prüfungsteilnehmer/innen:
    • die Prüfungsanforderungen und Bewertungskriterien sollen transparent sein
    • das Anforderungsniveau soll angemessen sowie die Prüfungsaufgaben in der zur Verfügung stehenden Zeit und Hilfsmitteln lösbar sein
    • die Prüfungsgegenstände sollen für die Prüfungsteilnehmer/innen bedeutsam und wichtig sein, **einseitige Schwerpunktsetzungen und Spitzfindigkeiten sollen vermieden werden
    • die Bewertungen sollen objektiv sein - nicht von Gefühlen und Vorurteilen der Prüfer/innen bestimmt
    • die Prüfung soll fair sein, d.h. Prüfungsgegenstände, -ablauf und -bewertung soll niemand bevorzugen oder benachteiligen
  • aus der Sicht der Prüfer/innen:
    • die Vorbereitung, Aufsicht und Bewertung der Prüfungen soll ohne großen Arbeitsaufwand möglich sein
    • die Korrektur bzw. Bewertung soll einfach sein - am liebsten Fakten statt Interpretationen (Abwägungen)
    • die Prüfungen sollen keinen Anlass zu Anfechtungen bieten
  • aus der Sicht der durchführenden Organisation (zuständige Stelle):
    • die Prüfungsergebnisse sollen eindeutig, zuverlässig und vergleichbar sein
    • die Prüfung soll nicht anfechtbar sein
    • die Prüfung soll rationell und wirtschaftlich durchführbar sein
  • aus der Sicht der Abnehmer (z. B. Betriebe, Bildungssystem):
    • die Prüfung soll tatsächlich das prüfen, was sie inhaltlich prüfen soll:
      • die Prüfungsinhalte müssen für die jeweiligen Handlungsfelder bedeutsam und wichtig sein
      • die Prüfungsformen müssen die Komplexität und das Niveau von Handlungssituationen abbilden
    • die Prüfung soll hinsichtlich der Unterscheidung von Leistungsstarken und Leistungsschwachen zuverlässige Ergebnisse liefern

Siehe auch: Gütekriterien

Organisation von Prüfungen: interne/externe Prüfungen

Wer lehrt, prüft / Wer lehrt, prüft nicht

Prüfungen nach dem Berufsbildungsgesetz sind externe Prüfungen, d. h. Prüfungsaufgabenerstellung, -durchführung und -bewertung werden von einer externen Stelle durchgeführt, die Ausbilder/innen des jeweiligen Prüflings dürfen sich an dessen Prüfung nicht beteiligen. Diese Konstruktion wurde gewählt, um eine überbetriebliche Kontrolle der Ausbildungsbetriebe zu ermöglichen:

"Die Durchführung der Abschlussprüfung hat nicht nur die Funktion, dem Auszubildenden den Erwerb eines beruflichen Abschlusses zu ermöglichen. Vielmehr soll dadurch auch der zuständigen Stelle fortlaufend Kenntnis von den Ausbildungsleistungen ihrer Betriebe vermittelt werden, um ggf. im Zuge ihrer Überwachungspflicht Konsequenzen ziehen zu können;"( Wohlgemuth/Sarge: Berufsbildungsgesetz. Kommentar für die Praxis)

An Hochschulen und Schulen werden interne Prüfungen durchgeführt, d.h. das Lehrpersonal erstellt die Prüfungsaufgaben, führt die Prüfungen durch und bewertet die Lösungen. Diese Form der Prüfungen hat den Vorteil, dass die Prüfungsinhalte dem vermittelten Lehrstoff entsprechen und damit die Lehrkräfte ihren Unterricht sehr flexibel gestalten und auf aktuelle Anforderungen reagieren können. Außerdem ist die Identifikation der Lehrkräfte mit den Prüfungsaufgaben wesentlich höher, wenn sie die Aufgaben selbst gestalten können bzw. der der Probanden, wenn ihre Problemlagen aufgegriffen werden. (vergl. die Prinzipien der Salutogenese: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit, Bedeutsamkeit bzw. Sinnhaftigkeit.)

An den Schulen werden die rein internen Prüfungen ergänzt durch ländereinheitlich erstellte Prüfungsarbeiten, beispielsweise bei Vergleichsarbeiten und dem Zentralabitur.

Umfassende Regressionsanalysen anhand der Schülerindividualdaten von vier internationalen Schülerleistungsvergleichen - TIMSS 1995,TIMSS 1999, PISA 2000 und PISA 2003 - zeigen, dass zentrale Abschlussprüfungen im internationalen Vergleich mit wesentlich besseren Schülerleistungen einhergehen. ... Dies belegt, dass zentrale Abschlussprüfungen nicht nur die Schüler, sondern auch die Entscheidungsträger in den Schulen zu leistungsfördernderem Verhalten bewegen. (Ludger Wößmann: Zentrale Abschlussprüfungen und Schülerleistungen."" Zeitschrift für Pädagogik 54 (2008) 6, S. 810-826)

Bezugsnorm von Prüfungsbewertungen

Als Bezugsnorm bezeichnet man die Art des Maßstabes, nach dem eine Prüfungsleistung bewertet wird. Es werden drei Arten von Bezugsnormen unterschieden:

  • individuelle (individuumsbezogene) Bezugsnorm
  • soziale (gruppenbezogene) Bezugsnorm
  • sachliche (kriteriumsorientierte) Bezugsnorm

Individuelle Bezugsnorm

Bei der individuellen Bezugsnorm erfolgt ein Leistungsvergleich mit vorher erbrachten Leistungen des Individuums sowie den von ihm erwartenden Leistungen. Durch diese Art der Bewertung erhält man detaillierte Rückmeldungen über Lernzuwächse und Schwankungen. Das Verfahren ist motivierend für schwache Schüler, blendet aber andauernde Leistungsunterschiede aus und bedeutet einen größeren Aufwand als die soziale Bezugsnorm.

Grundlage der Bewertung sind individuelle Standards.

Soziale Bezugsnorm

Bei der sozialen Bezugsnorm erfolgt ein Leistungsvergleich mit anderen Personen einer Gruppe (z. B in einer Klasse, bundesweit), wobei das Prinzip der Aufgabengleichheit gilt. Dabei wird oftmals von einer Gauß'schen Normalverteilung ausgegangen, d. h. Bewertungsmaßstäbe für Noten bzw. die Aufgabenstellungen werden solange verändert, bis das Notenspektrum der Normalverteilung entspricht. (Erhöhung der "Trennschärfe" von Aufgaben).

Grundlage der Bewertung sind Gruppenstandards.

Kriteriumsorientierte Bezugsnorm

Bei der kriteriumsorientierten Bezugsnorm erfolgt ein Vergleich mit von außen vorgegebenen Standards. Das Verfahren ist unsensibel gegenüber Lernfortschritten.

Grundlage der Bewertung sind absolute Standards.

Prüfungsformen

Schriftliche, mündliche und praktische Prüfungen

Traditionelle Prüfungen sind schriftliche, mündliche und praktische Prüfungen.

Bei schriftlichen Prüfungen wird die Prüfungsleistung anhand schriftlich vorgegebener Aufgaben schriftlich erbracht. (Prüfungsmethode: schriftlich). Übliche sind Prüfungsinstrumente sind:

  • Aufgaben mit gebundenen Antworten (richtig-falsch-Aufgaben, Multiple-Choice-Aufgaben, Zuordnungsaufgaben, Reihenfolgeaufgaben)
  • Aufgaben mit Kurzantworten (Rechenaufgaben, Fachfragen mit kurzen Antworten)
  • schriftliche Ausarbeitungen (Aufsätze, Fachberichte, Übersetzungen, Fallaufgaben)

Bei mündlichen Prüfungen wird die Prüfungsleistung mündlich erbracht. (Prüfungsmethode: mündlich)Übliche Prüfungsinstrumente sind:

  • mündliche (Ab-)Fragen
  • Fachgespräche, Gesprächsimulationen

Bei praktischen Prüfungen wird erstelltes Produkt und/oder die Vorgehensweise beurteilt. (Prüfungsmethode: praktisch) Übliche Prüfungsinstrumente sind:

  • Prüfungsstücke
  • Arbeitsproben

Komplexe Prüfungsformen

In der Berufsbildung sind eine Reihe von neuen Prüfungsformen entstanden, die nicht unter schriftliche, mündliche und praktische Prüfungen fassen lassen, weil in diesen Prüfungsformen unterschiedliche Prüfungsinstrumente kombiniert sind. Beispiele hierfür sind

  • Betrieblicher Auftrag
  • Arbeitsaufgabe

Authentische Prüfungen

Bei den Prüfungen stand immer eine wirtschaftliche Abwicklung und die Objektivität im Vordergrund - was zu dazu führte, dass hauptsächlich programmierten Prüfungen und Prüfungsstücke als Prüfungsinstrumente eingesetzt wurden. Im Laufe der Zeit wuchs die Kritik am diesem Prüfungsmodell, weil die Anforderungen der Betriebe sich in Richtung Handlungsfähigkeit und Prozessorientierung entwickelten. Daraufhin wurden authentische Prüfungsformen entwickelt.

Authentisch ist eine Prüfung, die hinsichtlich der Aufgabe(n), Umgebung, Methoden, Medien, Hilfsmittel usw. möglichst realitäts- und arbeitsplatznah nachgebildet ist bzw. eine tatsächliche Arbeitsaufgabe in einer realen Arbeitsumgebung als Grundlage hat.

Beispiele für authentische Prüfungsformen sind (wenn sie wirklich authentisch angelegt werden):

  • betrieblicher Auftrag
  • Gesprächssimulation
  • Situationsaufgabe/Fallaufgabe
  • Präsentation (als eigenständige Prüfungsform oder als Prüfungsinstrument innerhalb eines betrieblichen Auftrags, einer Gesprächssimulation oder einer Situationsaufgabe/Fallaufgabe)

Prüfungsordnungen

Die Rechtsgrundlagen für Prüfungen sind unterschiedlich:

  • Bei betrieblichen Auswahlverfahren und Prüfungen besteht ein großer Gestaltungsspielraum, allerdings sind das Betriebsverfassungsgesetz bzw. die Personalvertretungsgesetze, Tarifverträge, Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen und Betriebliche Übungen sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bei der Ausgestaltung zu beachten.
  • Hochschulen sind bei der Gestaltung von Prüfungen weitgehend autonom. Prüfungsordnungen legen die Rahmenbedingungen für eine Prüfung in der Aus-, Weiterbildung oder an einer Hochschule fest. Sie sind rechtsverbindlich, ihre Einhaltung kann vor einem Verwaltungsgericht eingefordert werden.
  • Rechtsgrundlage für Prüfungen im Berufsbildungsbereich ist das Berufsbildungsgesetz. Die zuständigen Stellen (Kammern) erlassen auf der Basis von bundeseinheitlichen Musterprüfungsordnungen je eine eigene Prüfungsordnung für die Bereiche der Ausbildung und der Weiterbildung. Dieser Beschluss erfolgt in den Kammern in den jeweiligen Berufsbildungsausschüssen in denen Vertreter der Arbeitgeber, der Lehrer (eingeschränktes Stimmrecht) und Vertreter der Gewerkschaften in gleicher Anzahl ein Stimmrecht haben. Die Prüfungsanforderungen werden in Aus- und Fortbildungsordnungen als Rechtsverordnungen des Bundes geregelt.
  • Die Prüfungen an Schulen werden durch Rechtsverordnungen der jeweiligen Bundesländer geregelt.

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