50.000 Ausbildungsplätze verschwunden
Ohne Auszubildende fehlen uns die Fachkräfte von morgen
Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist 2022 im Vergleich zum Vorjahr fast gleichgeblieben. Das sind keine guten Nachrichten. Das Niveau vor der Corona-Pandemie 2020 bleibt damit in weiter Ferne: 2019 waren es noch fast 50.000 Ausbildungsplätze mehr, wie das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) jetzt bekanntgab - ein Minus von fast 10 Prozent. Wohin sind diese Ausbildungsplätze verschwunden?
Das Institut erklärt das so: Zum einen gab es bereits vor der Corona-Pandemie einen Negativtrend, der in der Krise noch verstärkt wurde. Zum anderen gibt es ein Versorger- und ein Besetzungsproblem. Mit anderen Worten heißt das, dass auf der einen Seite immer mehr ausgeschriebene Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben und auf der anderen Seite bleiben jede Menge Suchende am Ende ohne Ausbildungsplatz - 2022 waren das 60.400 unversorgte Ausbildungsplatzsuchende.
Strukturell benachteiligt
Die Versorgungsprobleme haben sich zwar insgesamt verringert, trotzdem bleibt eine große Lücke der Unversorgten. Das ist nicht nur eine Katastrophe, wenn man den akuten Fachkräftemangel in den Unternehmen betrachtet, das ist auch für junge Beschäftigte ein Problem. Vor allem für jene, die aufgrund ihres Schulabschlusses auf eine gute Ausbildung angewiesen sind - zum Beispiel Hauptschülerinnen und Hauptschüler.
Erst vor Kurzem hat eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) gezeigt, dass Hauptschülerinnen und -schüler sowie Menschen mit Migrationsgeschichte strukturell bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen benachteiligt werden. Vor allem in Betrieben, die nach eigenen Angaben starken Wert darauf legen, dass Neue zum bestehenden Team passen, würden Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationsgeschichte und Hauptschulabschluss benachteiligt. In diesen Betrieben haben sie gegenüber Jugendlichen mit vergleichbarer Schulbildung, aber ohne Migrationshintergrund, ein um 24 Prozent erhöhtes Risiko, nicht genommen zu werden.
Die wirksamste Maßnahme
Das bestätigen auch die Zahlen vom BIBB. Obwohl mehr als 38.000 Ausbildungsstellen, für die ausschließlich ein Hauptschulabschluss vorausgesetzt wird, unbesetzt bleiben, bleiben circa 18.000 Personen mit Hauptschulabschluss erfolglos bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz. An dieser Schnittstelle wird also deutlich, dass ein großer Teil der unbesetzten Ausbildungsstellen trotz ausreichender Qualifizierung ungenutzt bleiben.
Die IG Metall setzt 2023 mit "SOS Ausbildung" einen besonderen Schwerpunkt auf das Thema und fordert die Arbeitgeber auf, endlich allen jungen Menschen attraktive berufliche Perspektiven zu bieten: "Wir brauchen echte Chancengerechtigkeit unabhängig vom Schulabschluss", sagt Christiane Benner, zweite Vorsitzende der IG Metall. "Die Unternehmen müssen ihrer sozialen Verantwortung nachkommen und junge Menschen ausbilden. Das ist die wirksamste Maßnahme gegen den vielfach beklagten Fachkräftemangel."
So können Betriebsräte mitbestimmen
Die Zahlen zeigen, dass es wichtig ist, um jeden Ausbildungsplatz zu kämpfen. Zum Glück haben Betriebsräte hier verschiedene Mitbestimmungsrechte, die das Betriebsverfassungsgesetz vorschreibt. Zum Beispiel hat der Betriebsrat das Recht mit dem Arbeitgeber über den Bedarf an Ausbildungsplätzen zu verhandeln (§96 Abs. 1 BetrVG). Der Prozess für diese Ermittlung des jährlichen Berufsbildungsbedarfs kann zusätzlich in einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden.
Betriebsräte können auch direkten Einfluss auf das Auswahlverfahren von neuen Auszubildenden nehmen, damit eine strukturelle Benachteiligung, etwa von Hauptschülerinnen und -schülern oder von Menschen mit Migrationsgeschichte, gar nicht erst vorkommt. Wenn der Arbeitgeber ein Einstellungsverfahren entwickelt, das er zur Einstellung von neuen Auszubildenden oder auch bei der Übernahme Auslernender einsetzt, muss dieses Verfahren mit dem Betriebsrat abgestimmt werden (§95 BetrVG).
(Quelle: IGM)