Dokumentation der Bildungstagung 2013
8. IG Metall Fachtagung in der beruflichen Bildung
Der demographische Wandel findet statt. Weniger Schulabgänger, aber immer noch über 200.000 Jugendliche in Warteschleifen. Ein Bewerberrückgang findet statt, aber kann man schon von Bewerbermangel sprechen?
Einen Mangel gibt es meist in unattraktiven Berufen mit schlechten Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen. So klagt vor allem das Gaststättengewerbe. Weniger Bewerber dürfen nicht dazu führen, dass gute Ausbildungsplätze mit qualitativ hochwertiger Ausbildung unbesetzt bleiben. Viele Betriebe haben bereits das Anspruchsniveau an die Bewerber angepasst. Es ist an der Zeit, vermeintlich "schwächeren" Jugendlichen eine Chance zu geben. Betriebsräte haben dabei die Verantwortung auf das Auswahlverfahren Einfluss zu nehmen. Es braucht allerdings auch Förderkonzepte und natürlich sollte das Ausbildungspersonal auf die veränderte Situation vorbereitet werden, Weiterbildung für Ausbildungspersonal ist ein Thema.
200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, 2 Tage Diskussion und Austausch. Impulse für die Praxis vor Ort, im Betrieb, aber auch Impulse für die Gestaltung der IG Metall Bildungspolitik. Die Revolution Bildung der IG Metall-Jugend wird in die Bildungsdiskussion frischen Wind bringen - es wird sich etwas bewegen. Im Bildungsmanifest der Revolution Bildung heißt es: "Ein Bildungssystem hat Demokratie und Emanzipation zu fördern und Menschen in die Lage zu versetzen, mitzubestimmen und das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen".
Lasst uns die Bildung gestalten, jeder an seiner Stelle: Als Betriebsrat oder Jugend- und Auszubildendenvertreter mit einer beteiligungsorientierten Interessenvertretung. Als Ausbilderin oder Ausbilder in der Ausbildung emanzipierter jungen Menschen zu guten Fachkräften.
Im nächsten Jahr werden wir wieder an dieser Stelle nachsehen, was sich getan hat und was wir gemeinsam geschaffen haben. Anbei findet ihr die Dokumentationen der diesjährigen Tagung.
Impuls-Referate
- Impulsreferat - Hans-Jürgen Urban PDF (658 KB)
- Impulsreferat - Dr. Bernhard Rami PDF (1665 KB)
- Impulsreferat - Constanze Kurz PDF (1242 KB)
- Impulsreferat - Prof. Christoph Igel PDF (6481 KB)
Ein gemeinsames Leitbild für die berufliche und hochschulische Bildung
Die bisherigen zwei Workshops in der Leitbildentwicklung zeigen uns, wir sind auf einem guten Weg. Wir werden im Herbst einen Entwurf für ein gemeinsames Leitbild vorlegen. Dann wollen wir es mit Euch diskutieren und in 2014 zu einen neuen "erweiterten" Leitbild für unsere berufliche Bildungspolitik kommen. Mit dem erweiterten Leitbild moderne Beruflichkeit zielt die IG Metall auf eine "Berufsbildungspolitik aus einem Guss". Das neue Leitbild soll gleiche Prinzipien der Beruflichkeit für die duale Aus- und Fortbildung wie für Studium und wissenschaftliche Weiterbildung schaffen. Geprägt wird das neue Leitbild von der Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung; es basiert auf dem Prinzip der gegenseitigen Durchlässigkeit. Mit dem Leitbild setzt sich die IG Metall für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Beruflichkeit von Arbeit ein.
Pädagogische Konzepte für das Bildungspersonal
Hier wurde festgestellt: Die Auszubildenden sind nicht schlechter/schwächer, sondern anders! Wer kann sagen was ein "normaler" Jugendlicher ist? (Blickwinkel) Schuldzuweisungen helfen nicht weiter, die Jugendlichen ausbilden, die von den Schulen kommen. Ausbilder müssen auf die Situation vorbereitet sein, mit unterschiedlichen Jugendlichen (Biographie) Lernsituationen zu gestalten.
Impulse aus dem Forum sind: Ausbilderinnen und Ausbilder müssen sich weiterbilden und müssen einen Anspruch darauf haben. Es müssen Orte geschaffen werden, in denen sich die Ausbilderinnen und Ausbilder über ihre Erfahrungen austauschen können (regional sowie überregional). Die Ausbildung zum Gepr. Aus- und Weiterbildungspädagogen sowie zum Geprüften Berufspädagogen soll noch mehr in der IG Metall verankern. Das Thema "assistierte Ausbildung" ist kaum bekannt, sozialpädagogische Begleitung. Bekannt machen und zum Regelinstrument wie ausbauen. Ausbildung muss ein zentrales Thema der Zukunft in der IG Metall und in der Arbeit von Betriebsräten sowie Vertrauensleuten sein.
Hier ging es um die Zusammenführung von drei Berufen. Bürokaufleute, Kaufleute für Bürokommunikation und Fachangestellten für Bürokommunikation werden zum neuen Beruf Kaufmann/frau für Büromanagement. Ein Querschnittberuf mit rund 90.000 Auszubildenden, er kommt zum Sommer 2014. Ausführliche Informationsveranstaltung in den Regionen in Vorbereitung.
Knackpunkte in allen Neuordnungsverfahren: Prüfung ein Thema: Zeit und Prüfungsökonomie, Ehrenamt. Berufliche Handlungskompetenz zeigt sich in der echten betrieblichen Facharbeit. Prüfungsformen sollten das berücksichtigen.
An dieser Stelle einen ausdrücklichen Dank an zahlreichen Sachverständigen in Ordnungsarbeit - ohne sie geht es nicht!
hat sich damit beschäftigt, wie Beschäftigte zukünftig länger in Arbeit bleiben können und wie der Know How Transfer zwischen den erfahrenen älteren Fachkräften und den jüngeren Beschäftigten organisiert werden kann. Wenn es um das Lernen geht, hat das Forum festgestellt: Es braucht eine gute Lernkultur im Unternehmen. Führungskräfte wissen zu wenig oder völlig Falsches über die Leistungsfähigkeit Älterer. Es gibt kein Lernen für Jüngere und Ältere. Es gibt nur gutes und schlechtes Lernen. In einem Unternehmen, wo es keine gute Lernkultur gibt, lernen die Jüngeren genauso wenig. Was vor allem fehlt ist die Förderung von Lernkompetenz. Das ist mehr als Lerntechnik, es geht um Lernen lernen. Dann klappt das auch bei Älteren. Das Thema wird weiter intensiv bearbeitet, die nächste Veranstaltung ist am 12. September im DGB-Haus Frankfurt. Titel der Veranstaltung: "Lernen Ältere anders? Betriebliche Weiterbildung und demografischer Wandel"
Hier wurde ein neuer Beruf vorgestellt: Der Stanz- und Umformmechaniker. Der Werkstoffprüfer hat eine neue Fachrichtung "Systemtechnik". Der Fertigungsmechaniker und der Kfz Mechatroniker wurden modernisiert. Nicht Gegenstand im Forum, aber der Vollständigkeit halber: Die flugzeugtechnischen Berufe neu, Nachweis EU Zertifikat integriert. Ausgebildete dürfen nun auch eigenverantwortlich am Flugzeug arbeiten. Das Thema Zertifizierung wird uns zunehmend mehr beschäftigen (europäischen Bildungsraum - Beschäftigungsfähigkeit). Wir haben angeregt, hierzu ein Forschungsvorhaben beim BIBB auf den Weg bringen.
Um Standards für eine einheitliche Qualität für den Betrieblichen Auftrag hat das Forum folgende Punkte angeregt: Es braucht verständliche Handlungshilfen zur Umsetzung des betrieblichen Auftrages. Das Ausbildungspersonal muss auf den betrieblichen Auftrag vorbereitet sein (Schulungen). Die Kammern müssen die Prüfungsausschüsse auf den betrieblichen Auftrag vorbereiten und sie bei der Entwicklung und Umsetzung von Qualitätsstandards unterstützen - Grundlage muss die Handlungshilfe sein. Die Prüfungsausschussmitglieder sollen sich an den entwickelten Qualitätsstandards orientieren und diese im regionalen Dialog etablieren (Erfahrungsaustausch). Qualitätssicherung ist eine wichtige Aufgabe für die Berufsbildungsausschüsse bei den Kammern. Sie müssen diese Prozesse in ihrem Verantwortungsbereich steuern.
Wenn sich die Prozesse ändern, die Produktionsweise es tut, dann stellt sich die Frage, ob es die Anforderungen an die Qualifikation, an das Wissen der Beschäftigten auch tun. Der gesunde Menschenverstand sagt uns sofort: Natürlich ist das so. Aber: In welche Richtung und finden wir das in Ordnung? Zentrale Botschaften aus dem Forum: Die Anforderungen an das Wissen, Können und Zeigen steigen tatsächlich.
Allerdings: So schnell wird's nicht gehen. Es dauert noch mindestens fünf Jahre, bis es wirklich los geht in den Betrieben. So die Prognose. Ob am Ende die Technik die Fachkräfte steuert oder ob am Ende die Fachkräfte das Internet der Dinge steuern ist noch nicht entschieden. Wir können diese Entwicklung jetzt noch gestalten. Und wir müssen das tun. Es geht letztlich um die Frage, ob in Zukunft noch Facharbeiter gebraucht werden, oder ob diese zu nachgelagerten Handlangern der Ingenieure werden. Wir treten für gut qualifizierte Facharbeiterinnen und Facharbeiter ein, dass wird auch im neuen Leitbild für eine moderne Beruflichkeit deutlich werden.
Dieses Forum hat sich mit der neuen Empfehlung des Hauptausschuss beim Bundesinstitut für Berufsbildung beschäftigt. Die Empfehlung wurde gemeinsam AG / AN erarbeitet und löst eine alte aus den 70er Jahren ab. Ziel ist es, die Rolle des Berichtshefts zu stärken, es zur Refelxion und Qualitätssteigerung nutzen. Es wurde eine sehr gute Online-Plattform "BlokOnline" Elektronisches Berichtsheft vorgestellt. Hinweis auch im Infodienst Bildung Aktuell Ausgabe 02/2013, zu finden bei Wap dem IG Metall Bildungsportal www.igmetall-wap.de.
Im DQR werden die 3 / 3,5 jährigen Ausbildungsberufe der Stufe 4 zugeordnet. Auf der Stufe 5 sind die Spezialisten / Fachexperten - sie sind im System der Aufstiegsfortbildung nach BBiG kaum ausgeprägt. Fachkarriere stärker aufzeigen - Abschlüsse entwickeln - Mehr im Betrieb (Arbeit / Einkommen)? Stufe 6 DQR bildet die mittlere Führungseben ab - Meister, Fachwirt. Sie ist stark ausdifferenziert, teilweise mit geringen TN-Zahlen - Probleme regionale Umsetzung. Wie können wir regionale Angebote unterstützen, welche Ausdifferenzierung brauchen wir? Welche Gemeinsamkeiten gibt es gerade unter dem Aspekt "Führung" in den ausdifferenzierten Abschlüssen?
Stufe 7 strategische Führungseben - wir sehen hier den technischen Betriebswirt und Betriebswirt. Streit mit dem Hochschulbereich um Stufe 7. Wir wollen 2013/14 ein Zukunftskonzept für die Aufstiegsfortbildung beraten: Meister, Fachwirte, Fachkaufleute, Spezialisten. Es fehlt allerdings eine neutrale Stelle, die Beschäftigte unabhängig berät, welche Weiterbildung für sie in Frage kommt. Das Thema Weiterbildungsberatung ist eine Herausforderung. Außerdem wurde diskutiert, wie wir die Freistellungsbedingungen für Prüfer/innen verbessern können. Idee: Eine Unternehmensumlage durch die Kammer, wenn sie keine Prüfer stellen, müssen sie einen höheren Anteil an den Prüfungsgebühren tragen.
Hier wurden Konzepte beraten, wie Interessenvertretung und Ausbildung in diesen Bereich aussehen kann. Dual Studierende sind eine wichtige Zielgruppe für die IG Metall. Sie sind eine völlig anderes Klientel als Auszubildende. Ihre Themen und Probleme unterscheiden sich stark von denen Auszubildender. Das duale Studium unterliegt den Mitbestimmungsmöglichkeiten und -rechten des Betriebsverfassungsgesetzes. Für Betriebsräte und JugendvertreterInnen ergeben sich dadurch Schutz- und Gestaltungsmöglichkeiten. Grundlage ist das BetrVG. Darüber hinaus liegen auch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge vor (Arbeitsbedingungen, Ausbildungsvergütung, Arbeitszeit, Urlaubsansprüche, Bereitstellung von Arbeitsmaterialien und die Übernahme nach Studienabschluss). Die Mitbestimmungsregeln des BetrVG müssen offensiv genutzt werden. Das fängt bereits bei der geplanten Einführung dualer Studiengänge im Betrieb an. Die Rechte dual Studierender über Tarifverträge müssen ausgebaut werden.
Hier ging es um Praxisbeispiele, wie Auszubildende mit Behinderung im Betrieb ausgebildet werden können. Umsetzungsschritte nach der Bildungstagung: Best-Practice Beispiele im Betrieb öffentlich machen (Videos, Flyer, Betriebsversammlung, eigene Beispiele). Es sollen Integrationsvereinbarungen in Unternehmen auf den Weg gebracht werden. Es sollen Patenschaften mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung entstehen (Betriebspraktika und Übernahme in ein Ausbildungsverhältnis)
Um Kompetenzmessung in der beruflichen Bildung. Die IT-Technologie eröffnet große Potentiale auch die Prüfungen neu zu erfinden. Dabei geht es nicht darum, für die bisherigen Prüfungen den PC als Hilfsmittel zu nutzen, sondern die Prüfung neu zu denken. Wobei aus dem Forum die Botschaft kommt: Das noch nicht abzusehen ist, in welche Richtung sich die Prüfungspraxis entwickeln wird. Starke Impulse kommen aktuell auch aus den Betrieben.
Wir werden mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus den Prüferprojekten und den Beraterkreis weiter am Ball bleiben.