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Weiterbildung im Koalitionsvertrag

REFORM AUS EINEM GUSS NÖTIG

04.08.2022 Ι Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien finden sich Vorschläge für eine Neuausrichtung der Weiterbildung. Sie sollten besser aufeinander abgestimmt werden, erklärt Hartmut Seifert, frühere Abteilungsleiter des WSI.

Um mit der digitalen und ökologischen Transformation der Wirtschaft Schritt halten zu können, werden sich viele Beschäftigte in den kommenden Jahren neue Fertigkeiten aneignen müssen. Die Bundesregierung scheint diese Herausforderung erkannt zu haben: Sie plane zahlreiche Maßnahmen, um die berufliche Weiterbildung darauf einzustellen, erklärt Hartmut Seifert - allerdings bislang ohne stimmiges Gesamtkonzept. Der Arbeitsmarktexperte hat die entsprechende Passage im Koalitionsvertrag unter die Lupe genommen und analysiert, wie die einzelnen Vorschläge sinnvoll verknüpft werden könnten.

 

Seifert, früher Abteilungsleiter des WSI, macht im Vertragstext vier "durchaus substanzielle Ansätze" aus. Einer davon bezieht sich auf ein erweitertes Aufstiegs-Bafög. Der bestehende Rechtsanspruch auf die Förderung von Aufstiegsfortbildungen soll auch für Weiterbildungen auf der gleichen Qualifikationsstufe oder für eine zweite Ausbildung gelten.

 

Daneben findet sich ein Vorschlag für ein Lebenschancen-Bafög, das selbstbestimmte Weiterbildung auch jenseits beruflicher Qualifikation fördern soll und erkennbar an ein Konzept der FDP angelehnt ist. Dessen Kernelement ist ein Freiraumkonto: Beschäftigte sollen selbst entscheiden, ob sie ein solches Konto einrichten und dort über bis zu zehn Jahre Überstunden oder Teile des Gehalts ansparen möchten, die sie später - mit Zustimmung des Arbeitgebers - für eine Freistellung nutzen können. Steuern und Sozialversicherungsabgaben entfallen, wenn die Zeitguthaben für Weiterbildung genutzt werden, Geringverdienende können ein "Midlife-Bafög" von maximal 1000 Euro jährlich erhalten.

 

Als drittes Element hat die Bildungsteilzeit Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden, die es in Österreich bereits gibt. Dort haben Beschäftigte das Recht, ihre Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre um 25 bis 50 Prozent zu verkürzen, um sich weiterzubilden. Für jede Stunde, um die sie ihre Arbeitszeit reduzieren, steht ihnen ein Bildungsteilzeitgeld von 86 Cent zu.

 

Schließlich wird noch ein an das Kurzarbeitsgeld angelehntes Qualifizierungsgeld in Aussicht gestellt. Das Ziel: Bei einschneidenden Umbrüchen infolge des Strukturwandels sollen Beschäftigte im Betrieb gehalten werden, während sie sich für neue Tätigkeiten qualifizieren.

 

Dem Experten zufolge bleiben die Vorschläge im Koalitionsvertrag eher unkonkret und stehen unverbunden nebeneinander. Es scheine, als hätten die Ampel-Parteien ihre jeweils favorisierten Konzepte festschreiben lassen, ohne sich um eine konsistente Gesamtkonstruktion zu bemühen. Alle vier Vorhaben umzusetzen, dürfte schon an begrenzten finanziellen Ressourcen scheitern. Zudem würde es zu Unübersichtlichkeit und Doppelstrukturen führen.

 

Überschneidungen macht Seifert unter anderem zwischen der Bildungsteilzeit und dem erweiterten Aufstiegs-Bafög aus. Letzteres um einen Anspruch auf Freistellung und Rückkehr in den Betrieb zu ergänzen, würde die Bildungsteilzeit überflüssig machen. Hierfür sprächen auch die ernüchternden Erfahrungen in Österreich: Das Instrument werde dort vor allem von Höherqualifizierten genutzt.

 

Für ein Manko des Freiraumkontos hält Seifert, dass Geringverdienende und atypisch Beschäftigte kaum in der Lage sein dürften, ausreichend Guthaben für längere Auszeiten anzusparen. Die Befreiung von Steuern und Abgaben bringe ihnen zudem wenig. Um Abhilfe zu schaffen, könnte der Gesetzgeber es möglich machen, die Freistellungsansprüche aus Bildungsurlaub - jährlich fünf Tage - mit denen aus dem Freiraumkonto zu kombinieren. Zusätzlich wäre ein Rechtsanspruch auf Freistellung und Rückkehr in den Betrieb wünschenswert.

 

Das Qualifizierungsgeld stellt laut dem Autor eine sinnvolle Ergänzung der anderen Ansätze dar. Um sicherzustellen, dass Unternehmen es tatsächlich für den Erhalt von Arbeitsplätzen nutzen, sollte die Gewährung an eine mehrjährige Beschäftigungssicherung gekoppelt werden, wie sie im Rahmen betrieblicher Bündnisse für Arbeit üblich ist. Aufstockungen der Zahlungen durch Betriebe könnten Einkommenseinbußen der Beschäftigten begrenzen.

 

Alles in allem versprächen die vorgeschlagenen Ansätze zweifellos Fortschritte, stellt Seifert fest. Ob sie den Herausforderungen des Strukturwandels gewachsen sind, hänge wesentlich von ihrer Ausstattung mit Fördermitteln und Freistellungsansprüchen sowie dem Ausbau von Beratungsangeboten ab.

(Quelle: HBS)

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(Quelle: Destatis 2022)

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