Enquete-Kommission "Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt"
Braucht es neue Berufe in der digitalen Arbeitswelt?
Vorweg lässt sich erwähnen, dass der Erfolg der IG Metall mit dem agilen Verfahren in den M+E Berufen ein wesentlicher Aspekt ist, der den Verfahrenskritikern aufgezeigt hat, wie schnell und präzise die Sozialpartner ihre Berufe am Puls der Zeit halten (vgl. hierzu auch "Modernisierung auf den Weg gebracht" und "Infos zur Teilnovellierung"). Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist auch, dass die Akteure, die gänzlich neue Berufe anmahnen, langsam erkennen, welche Potenziale in den aktuellen Berufsbildern steckt und dass diese "technik-offen" gestaltet sind. D.h., nicht jede neue Technologie braucht einen neuen Ausbildungsberuf. Sondern die Ausbildungsberufe, so wie sie verordnet sind, brauchen eine moderne Umsetzung am Entwicklungsstand der Technik.
Nun aber wieder zurück zur Enquete:
Um das Thema zu durchdringen und Handlungsempfehlungen abzuleiten, gab es zwei Inputs von sachverständigen Kommissionsmitgliedern. Zum einen von Prof. Dr. Peter Sloane zum Thema "Berufsbildung 4.0: müssen wir das Rad neu erfinden". Und zum anderen durch unsere Kollegin Angela Kennecke zum Thema "Neuordnungsverfahren am Beispiel der IT Berufe".
Beide Fachbeiträge machten deutlich, dass die Sichtweise auf Neuordnungsverfahren im Hinblick auf die Dauer ("das ist ja nicht mehr zeitgemäß, dass das alles immer so lange dauert") verkürzt und einseitig ist. Dieser Blick auf Neuordnungen wird der Komplexität des Themas nicht gerecht. Außerdem wurde herausgearbeitet, dass die verbindliche Verankerung der Weiterqualifizierung des beruflichen Bildungspersonals ein Muss ist - wir brauchen eine kontinuierliche Weiterqualifizierung des Ausbildungspersonals (eine zentrale Forderung der IG Metall für die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes). "Berufsbilder und Ausbildungsordnungen bleiben wirkungslos, wenn sie nicht von den Ausbildungsverantwortlichen, haupt- und nebenberuflichen Ausbildern und Ausbilderinnen ordnungsgemäß umgesetzt werden", so Professor Sloane in seinem Vortrag.
Ein besonderes Augenmerk wurde auch auf die Analyse- und Prognosefähigkeit des Berufsbildungssystems gelegt. "Die hochdynamischen Veränderungen der Arbeitswelt im Kontext von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz erfordern eine engmaschigere und regelmäßigere Früherkennung von Qualifikationserfordernissen in der Ordnungsarbeit. Kompetenzanforderungen an Fachkräfte verändern sich schneller als je zuvor", so unsere Expertin Angela Kennecke. Aus diesem Grund hat sie die Vorschläge eingebracht, ein kontinuierliches Berufe-Monitoring aufzubauen und die Neuordnungsverfahren weiter zu professionalisieren. Ihr geht es insbesondere darum, Qualitätsstandards für Sachverständige der betrieblichen Praxis und Standards für die Koordination der Verfahren weiterzuentwickeln.
Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob nur noch die "Restberuflichkeit" in einem politischen Prozess, an dem die Sozialpartner, der Bund und die Länder beteiligt sind, geregelt werden soll. Oder ob wir gemeinsam dafür streiten, das Modell der sozialpartnerschaftlichen Ausgestaltung der Beruflichkeit, also duale Ausbildung, Fortbildung und duales Studium gleichermaßen im Konsensprinzip zu gestalten und somit das Sozialpartner-Modell in die Zukunft zu tragen. "Das Konsensprinzip und die paritätische Besetzung führen zu hoher Qualität und sorgen dafür, dass sowohl die Anbietenden von Ausbildung - repräsentiert durch den KWB (Kuratorium der deutschen Wirtschaft für Berufsbildung), als auch die nachfragenden Auszubildenden - repräsentiert durch den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften berücksichtigt werden und die Berufe eine gute Verwertbarkeit im Interesse der Beschäftigten und der Unternehmen haben." So bringt es unsere Kollegin Angela Kennecke in ihrer Ausarbeitung auf den Punkt.
Festgehalten wurde am Ende, dass sich die Sachverständigen insbesondere zum agilen Verfahren bei der Novellierung der M+E-Berufe einen weiteren Input wünschen und die Themenbereiche Berufe-Monitoring und zukünftige Anforderungen an Neuordnungsverfahren noch einmal vertieft erörtert und mit Handlungsempfehlungen unterlegt werden müssen. Dieses soll in einer der nächsten Sitzungen organisiert werden.