IG Metall
„WAP” das Berufsbildungsportal
WAP - Springe direkt:
Inhalt
     
2019_01_BBAktuell_SONDERAUSGABE-Titelbild

DGB Stellungnahme zur Novellierung des BBiGs

Gesetzesentwurf weist erheblich Lücken und zudem schädliche Vorschläge auf

01.10.2019 Ι Der vorliegende Gesetzesentwurf bleibt erheblich hinter den erforderlichen Regelungsnotwendigkeiten zurück und enthält zudem ungeeignete und schädliche Änderungsvorschläge hinsichtlich der Zielsetzung. Der DGB sieht weitere Regelungsnotwendigkeiten, die nicht im vorliegenden Entwurf enthalten sind.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben die im Koalitionsvertrag angekündigte Weiterentwicklung des für die Berufsbildung maßgeblichen BBiG begrüßt. Mit dem nun vorgeschlagenen BBiMoG soll die duale Berufsbildung modernisiert und gestärkt werden. Dabei ist es das Ziel der Bundesregierung, die Attraktivität für (potenzielle) Auszubildende und Betriebe zu erhöhen, um die zukünftige Fachkräftebasis zu sichern. Wir teilen die Zielsetzung, die duale Berufsbildung attraktiver zu gestalten und sie damit als einen hochwertigen Bildungsweg weiterzuentwickeln. Der rapide technologische Wandel, die Integration von Zugewanderten und Geflüchteten, die mangelnde gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen mit schlechteren Startchancen, die fehlende Ausbildungs-qualität in einigen Branchen - all diese Entwicklungen machen es notwendig, das BBiG und die HwO zu modernisieren.

 

Die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung ist ein wichtiger Schritt - vor allem für die Auszubildenden. Die berufliche Bildung braucht mehr Wertschätzung, die sich auch in harten Euros für die Auszubildenden ausdrücken muss. Die Mindestausbildungsvergütung wird auch die berufliche Bildung attraktiver machen. Doch darüber hinaus fehlen weitere Schritte, die die Berufsbildung in die Lage versetzt, die Herausforderungen des strukturellen Wandels zu meistern und auch zu nutzen. Mehr Qualität in der Aus- und Fortbildung, eine Aufwertung des Prüferehrenamts sowie die Einbeziehung insbesondere der dual Studierenden in den Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes bleiben Leerstellen in dem vorliegenden Gesetzesentwurf. Stattdessen werden Regelungen vorgeschlagen, die hohe Erwartungen wecken, ohne sie in der Substanz zu erfüllen. So ist die vorgeschlagene Einführung von Titelbezeichnungen in der beruflichen Fortbildung nicht nur umstritten, sondern auch inhaltlich nicht unterlegt. Auch die Verbesserung der Durchlässigkeit im Rahmen von "gestuften" Ausbildungen bleibt Etikett, ohne einen verbindlichen Durchstieg von zweijährigen in drei- oder drei-einhalbjährigen Ausbildungsberufen zu ermöglichen.

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf bleibt erheblich hinter den erforderlichen Regelungsnotwendigkeiten zurück und enthält zudem ungeeignete und schädliche Änderungsvorschläge hinsichtlich der Zielsetzung. Der DGB sieht weitere Regelungsnotwendigkeiten, die nicht im vorliegenden Entwurf enthalten sind:

 

  • Mit dem Dualen Studium hat sich in den letzten Jahren sehr erfolgreich ein hybrides Studienformat etabliert. Ein Großteil der dual Studierenden profitiert jedoch nicht von den bundeseinheitlichen Rechten des BBiG beim betrieblichen Teil ihrer Ausbildung. Dies gilt für alle Studierende in einem praxisintegrierten dualen Studium, aber auch für Studierende in ausbildungsintegrierten Formaten nach Abschluss ihrer Berufsausbildung. Sie sind gegenüber dual Auszubildenden mehrfach benachteiligt: Arbeitgeber müssen beispielsweise beim praxisintegrierten dualen Studium weder die Eignung ihrer Ausbildungsstätte nach einheitlichen Standards nachweisen, noch müssen Ausbildungsrahmenpläne erstellt oder eingehalten werden. Deshalb müssen die Praxisphasen des Dualen Studiums in den Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes aufgenommen werden. Perspektivisch sollte grundsätzlich der Geltungsbereich bzw. die Grundprinzipien des Berufsbildungsgesetzes auch auf betrieblich-schulische Ausbildungen (z.B. in Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufen) ausgeweitet werden.

 

  • Wer die berufliche Bildung stärken will, muss sie für die Jugendlichen noch attraktiver machen. Dazu zählt, dass sie nicht mehr verpflichtet werden dürfen, nach langen Berufsschultagen in den Betrieb zu müssen. Die Freistellung für die Berufsschule muss daher klar und eindeutig sowie unabhängig vom Alter der Auszubildenden im Gesetz abgesichert werden. Das stärkt auch die Berufsschule als zweite Säule der dualen Ausbildung.

 

 

  • Hunderttausende ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer warten auf die Aufwertung ihres Ehrenamtes. Gerade im Prüfungswesen steht ein Generationenwechsel an. Doch die Bundesregierung versäumt es, dieses Ehrenamt attraktiver zu gestalten. Viele Prüferinnen und Prüfer werden von ihren Betrieben nicht mehr freigestellt, die Arbeitsverdichtung nimmt zu. Deshalb muss die Bundes-regierung die bezahlte Freistellung ins Gesetz aufnehmen. Damit wird das Prinzip "raxis prüft Praxis" wieder gestärkt.

 

  • Erfahrungen aus verschiedenen Branchen und aus der betrieblichen Praxis zeigen, dass nach wie vor nicht wenige Auszubildende verschiedenste Materialen für ihre Ausbildung, zum Beispiel Fachliteratur, selbst bezahlen müssen. Deswegen muss eine Klarstellung im BBiG verankert werden, dass alle Lern- und Lehrmittel und nicht nur die Ausbildungsmittel, die für das Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich sind, vom Ausbildungsträger - in aller Regel vom Betrieb - finanziert werden. Ausbildung darf nicht vom eigenen Geldbeutel abhängig sein.

 

  • Die Entscheidung, ob Auszubildende in einem zweijährigen Ausbildungsberuf eine Weiterführung hin zu einer regulären drei- oder dreieinhalbjährigen Ausbildung absolvieren dürfen, hängt im Moment noch alleine vom Wohlwollen des Ausbildenden ab. Beschäftigte mit Berufsabschlüssen mit einer Ausbildungszeit von zwei Jahren werden jedoch vielfach auf Einfacharbeitsplätzen eingesetzt, die nach Prognosen vor allem durch die Digitalisierung in hohem Maße substituierbar sind. Deshalb muss ein verbindlicher Durchstieg für Auszubildende von zwei- in dreijährige Ausbildungsberufe im Berufsbildungsgesetz festgeschrieben werden.

 

Der DGB erwartet, dass Bundestag und Bundesrat in ihren Beratungen kräftig nachlegen.

 

 

Ausgangslage

An der Schnittstelle von Hochschulen und Betrieben hat sich in den letzten Jahren sehr erfolgreich das Duale Studium als moderne Form der Ausbildung etabliert. Das Bundesinstitut für Berufsbildung weist bereits 2016 über 100.000 dual Studierende bundesweit aus.

 

Nach einer Phase der Differenzierung und Expansion der Angebote, wurde das Format "Duales Studium" zum 01.01.2018 bundeseinheitlich charakterisiert. Aufbauend auf Empfehlungen des Wissenschaftsrates und des BIBB-Hauptausschusses wurde in die Musterrechtsverordnung des Akkredi-tierungsstaatsvertrages folgende Formulierung aufgenommen, die für alle neu- bzw. re-zu-akkreditierenden dualen Studiengänge Gültigkeit besitzt: "§ 12 (6) Studiengänge mit besonderem Profilanspruch weisen ein in sich geschlossenes Studiengangskonzept aus, das die besonderen Charakteristika des Profils angemessen darstellt."

 

Und in der Begründung des Gesetzes heißt es weiter: "Bewirbt oder kennzeichnet die Hochschule einen Studiengang mit bestimmten Merkmalen (z. B. international, dual, berufsbegleitend, virtuell, berufsintegrierend, Teilzeit), so sind diese Merkmale Teil des Studiengangprofils [.] Ein Studiengang darf als "dual" bezeichnet und beworben werden, wenn die Lernorte (mindestens Hochschule/Berufsakademie und Betrieb) systematisch sowohl inhaltlich als auch organisatorisch und vertraglich miteinander verzahnt sind."

 

Zwei Formen sind vorherrschend

  1. Als ausbildungsintegriertes duales Studium werden Ausbildung und Studium verknüpft. Für dual Studierende in ausbildungsintegrierenden Studiengängen gelten in der Regel bis zum Abschluss ihrer dualen Berufsausbildung nach Berufsbildungsgesetz oder Handwerksordnung alle gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Regelungen, nach denen auch die Auszubildenden behandelt werden. Nach dem Berufsabschluss verlieren sie diese Vorteile.
  2. Das praxisintegrierende duale Studium setzt sich aus einem Studium an einer Hochschule und längeren Praxisphasen im Betrieb zusammen. Ein Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf wird dabei nicht erworben. Es gelten für sie kaum tarifliche Regelungen, sie fallen nicht in den Geltungsbereich des BBiG und werden dort also nicht als Ausbildungsform definiert.

 

Auswirkungen

In der aktuellen Fassung des Gesetzesentwurfs zum BBiMoG fallen dual Studierende auch künftig nicht in den Geltungsbereich des BBiG. Das hat Folgen:

 

  1. Absenkung Ausbildungsqualität
    Durch die fehlende Regulierung im BBiG gibt es keine übergeordneten Vorgaben, die eine Eignung der Ausbildungsstätte für dual Studierende definieren. Die Arbeitgeber müssen sich entsprechend an keine bundeseinheitlichen Standards hinsichtlich inhaltlicher und organisatorischer Qualität der Ausbildung halten. Das gilt auch für die vertragliche Gestaltung. Hier droht eine drastische Erosion von Ausbildungsstandards, die eine Strahlkraft bis in das System der dualen Berufsausbildung entfalten kann.
  2. Strukturpolitische Dimension
    Die Praxisphasen des dualen Studiums sind in großen Teilen nicht geregelt, mit den oben skizzierten Folgen für Studierende und die Qualität deren Ausbildung. Durch ein Anwachsen der Zahlen von dual Studierenden gerät die klassische duale Berufsausbildung unter Druck: Sie ist durch Tarifverträge und Schutzregelungen im Berufsbildungsgesetz an hohe Standards geknüpft, große Teile des dualen Studiums nicht. Der anstehende Strukturwandel, u. a. durch Digitalisierung etc. schafft einen großen Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften, die unter anderem auch über duale Studiengänge ausge-bildet werden. Wir dürfen auf der einen Seite nicht zulassen, dass die Fachkräfte von morgen heute im rechtsfreien Raum - ohne Standards hinsichtlich ihrer Ausbildungsstätte, ihres Anstellungsverhältnisses etc. - lernen müssen. Auf der anderen Seite muss darauf geachtet werden, dass die hohen Standards dualer Berufsausbildung durch das nicht regulierte duale Studium nicht aufgeweicht werden bzw. die duale Berufsausbildung marginalisiert und verdrängt wird. Es besteht die Gefahr, dass bei einer Nichtregelung des dualen Studiums im BBiG Arbeitgeber eher dual Studierende einstellen, ohne gesetzliche oder tarifliche Standards hinsichtlich Qualität der Ausbildung oder Vergütung gewährleisten zu müssen. So könnten eine Verdrängung des Systems der dualen Berufsausbildung und ein Aufweichen der hohen Ausbildungsstandards eintreten.

     

Ein Gesetz, dass sich der Modernisierung der beruflichen Bildung verschreibt, darf die neuesten Ausbildungsformen nicht unberücksichtigt lassen.

 

Die Bewertung einzelner Regelungspakete findet sich hier:

Bildungspolitik

Links und Zusatzinformationen
Titelbild_Bessere_Bildung_Bessere_Chancen_Nov_2018
2019_02_BBaktuell_Titelseite
2019_01_BBAktuell_SONDERAUSGABE-Titelseite
Registriere_Dich_jetzt_als_RC

und erhalte zukünftige vielfältige Angebote zu Deinem Bereich.

Servicebereich